Bild: Der eine tritt ab, der andere rückt nach: Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt (l.) und Die-Rechte-Ideologe Dennis Giemsch., SS-Siggi tritt zurück – die Rechten in den Stadträten des Ruhrgebiets bleiben Fotos: anonym

Es hat nur zwei Ratssitzungen gedauert, dann war die groß angekündigte Karriere eines bekannten Neonazis im Dortmunder Stadtrat wieder vorbei: Vor einer Woche gab Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, der für die Partei „Die Rechte“ im Rat saß, sein Mandat zurück, angeblich aus gesundheitlichen Gründen und zeitlicher Belastung. Borchardts Nachfolger steht schon bereit – und auch im Rest des Ruhrgebiets haben rechte Parteien ihren Einzug in die Stadträte halten können.

SS-Siggi sei erschöpft, so heißt es in der offiziellen Erklärung, die Borchardt zu seinem Rücktritt veröffentlichte. Dennoch bleibt der Neonazi aktiv – Borchardt will weiterhin sein Mandat in der Dortmunder Bezirksvertretung Innenstadt-Nord ausüben.

Es waren kurze Wochen, die Borchardt im Stadtrat verbrachte, aber sie haben ausgereicht, um die Kleinstpartei „Die Rechte“, der etwa 500 Mitglieder angehören, weltweit in die Schlagzeilen zu bringen – vor allem nachdem der gewalttätige Sturm auf das Rathaus am Abend der Kommunalwahl für die Neonazis ohne Folgen blieb und stattdessen gegen linke „BlockiererInnen“ polizeilich ermittelt wurde (:bsz berichtete). Mittendrin als Galionsfigur: SS-Siggi, der sich in einem TV-Beitrag darüber beschwerte, dass er lieber SA-Siggi genannt werden möchte und der es sogar in die New York Times geschafft hat.

Chefideologe als Nachfolger

Seinen Platz einnehmen wird nun Dennis Giemsch, ehemaliges Mitglied des inzwischen verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“, dem auch Borchardt und RUB-Student Michael Brück angehörten. Giemsch gilt antifaschistischen Aktionsbündnissen zufolge als „Chefideologe“ der Rechten in Dortmund. Nebenbei gründete Giemsch mithilfe staatlicher Mittel eine Existenz – einen Versandhandel für einschlägige Propaganda-Materialien. Auch wegen Landfriedensbruchs und Volksverhetzung musste sich Giemsch schon vor Gericht verantworten. Den Stadtrat, in dem er nun als Vertreter der „Rechten“ sitzt, darf er übrigens erst seit einer Woche überhaupt wieder betreten – vergangenen Montag wurde das Hausverbot gegen Giemsch und die meisten der randalierenden Neonazis, die am Wahlabend das Rathaus und linke Stadträte, die sich ihnen in den Weg gestellt hatten, gestürmt hatten, aufgehoben.

Angst vor Bildung rechter Fraktionen

Giemsch befindet sich im Stadtrat in rechter Gesellschaft: Auch die rechtsextreme NPD hat mit Axel Thieme dort einen Vertreter sitzen. Der wollte bei den vergangenen Ratssitzungen gerne mit SS-Siggi zusammensitzen, was jedoch mit Blick auf die Gefahr einer rechten Fraktionsbildung abgelehnt wurde.
Einen Rechtsruck im Stadtrat gab es auch in Duisburg: Hier zog die rechtspopulistische Pro NRW gleich mit vier Sitzen in den Stadtrat ein, auch die NPD erlangte einen Sitz. In Duisburg haben die Rechten bisher vor allem versucht, ihr Gedankengut hinter einer angeblich demokratischen Gesinnung zu verstecken: So beantragten sie bei fast allen Abstimmungen über die Besetzung etwa des Aufsichtsrats der Stadtwerke geheime Abstimmungen und begründeten dies damit, dass auf diese Weise „Personal­klüngeleien“ zwischen den etablierten Parteien verhindert werden sollten. Diesen Vorwurf muss sich Pro NRW sich nun selbst gefallen lassen: Mario Malonn, Duisburger Pro-NRW-Fraktionssprecher, zog nach geheimen Wahlen in diverse städtische Aufsichtsräte ein – möglicherweise durch zusätzliche Stimmen der AfD, die in den wenigen öffentlichen Abstimmungen weitgehend auf einer Linie mit Pro NRW lag.

Auch in Essen und Bochum zogen NPD und Pro NRW mit jeweils einem Sitz in die Stadträte ein. „Der Rat ist brauner geworden“, heißt es von Thomas Kufen, dem CDU-Fraktionschef im Essener Rat.

Verschleierte Demokratiefeindlichkeit

Es besteht die Sorge, dass Rechtsextremismus ein Stück salonfähiger geworden sein könnte – zumal die Rechten neue Wege gehen und sich vermeintlich für Demokratie einsetzen, um ihr Gedankengut als sozial erscheinen zu lassen. GegendemonstrantInnen werden immer öfter  selbst als ExtremistInnen hingestellt.

Gleichzeitig lassen sich Neonazis, die wegen Körperverletzung, Volksverhetzung oder im Falle des Dortmunder Neonazis Sven Kahlin sogar wegen Totschlags vorbestraft sind, unter Polizeischutz in die Rathäuser des Ruhrgebiets eskortieren. BeobachterInnen der rechten Szene wie etwa Alexander Häusler, an der FH Düsseldorf tätiger Extremismusforscher, ordnen diese jedoch als sehr zersplittert ein. Häusler zufolge würde es keine rechtsextreme Partei schaffen, das WählerInnenpotenzial auszuschöpfen, da mit NPD, Pro NRW, der „Rechten“ und vereinzelt auch den Republikanern – einer Partei, die Ende der 80er-Jahre kurzzeitig einen Höhenflug hatte und heute kaum noch eine Rolle spielt – gleich vier Parteien um die WählerInnen in NRW buhlen. Die Bilder von SS-Siggi und seinen Kumpanen gingen aber trotzdem um die Welt – Bilder, die die deutsche Demokratie längst hinter sich gelassen haben sollte.
 

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