Bild: Auf der Suche nach der verlorenen Lust: Lars vor Triers „Nymphomaniac 2“ Quelle: Concorde Filmverleih GmbH

Womit schon der Psychoanalytiker Jaques Lacan irritierte, gilt auch für Lars von Triers über vierstündiges Sex-Epos: „Die Frau existiert nicht“. Denn oft wurde dem Dänen vorgeworfen, dass seine Inszenierungen sexistisch seien. Die Quasi-Personifizierung der Depression durch Kirsten Dunst in „Melancholia“, aber auch die verzichtbaren Verstümmelungs-Szenen im „Antichrist“ sprechen dafür. Völlig von der Hand zu weisen ist dieser Vorwurf auch nicht in seinem jüngsten Streifen. Ja, Frauen als Opfer zu inszenieren, ist von Triers Lieblingsdisziplin. Eine Tour-de-Force aus Gewalt und Perversionen mit bildungsbürgerlichem Überbau ist das, was er da präsentiert.

Die Handlung beginnt da, wo „Volume 1“ mit einem Cliffhanger endete: Joes (Charlotte Gainsbourg) Verlust ihrer Lust. Davon berichtet sie dem zölibatären Beichtvater Seligman (Stellan Skarsgård), der für alle ihrer Sex-Eskapaden eine kultur- oder (bestenfalls) bibelgeschichtliche Fußnote parat hat. Joe schildert Seligman von der Ausgrenzung, die sie wegen ihrer Sexsucht erfährt und vor allem davon, wie sie ihre Lust verlor und versucht, sie wiederzuerlangen: Etwa durch Polygamie oder demütigende Gewalt bei einem sadomasochistischen Psycho (Jamie Bell).

Der Film bleibt dabei in dem Rückblenden-Schema, das sich aus Joes Dialog mit Seligman ergibt.  Der asexuelle Intellektuellen-Pfaffe packt alle Refernezen aus, welche die Bibel hergibt – bis Joe beklagt: „Sie nehmen mich nicht ernst.“ Nicht selten ergeht es dem Zuschauer ebenso. Immerhin präsentiert von Trier damit trotz mancher Zumutungen einen witzigen und selbstironischen Film, wie schon lange nicht mehr. „Nmyphomaniac Vol. 2“ ist ein  zitierfreudiger und ausschweifender Film-Essay. Selbstgefällig zitiert er seinen „Antichrist“: natürlich die provokante Anfangsszene: Das Kind, das in einer Parallelmontage zum elterlichen Koitus während des Orgasmus aus der Höhe stürzt. Dass das provokanterweise so etwas wie eine Verletzung der Mutterpflicht evoziert, wird auch hier tangiert, aber Seligman weiß philosophischen Rat: Gegen eine männliche Gesellschaft habe sie Widerstand geleistet. Für Joes Labyrinth des Begehrens fährt Seligman schwerstes intellektuelles Geschütz auf: Zenons Paradoxon etwa. Natürlich steht die Schildkröte für den Orgasmus. Oder ist, mit Lacan gesprochen, das objet petit a. Und der sonst so platonische Samariter Seligman treibt in seiner so warmen Studierstube die Erkenntnis der lacanschen Psychoanalyse mit vollem Körpereinsatz bis zum bitteren Ende – immerhin ein Filmschluss, der einen verstört wie schon lange nicht mehr zurücklässt. Lacan hat Recht!

Weitere Informationen findet Ihr im Internet unter: www.nymphomaniacthemovie.com

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