Eine kurze Unterbrechung ist notwendig, zum Verschnaufen. Macbeth ist hier ein Burn-out-Tyrann. Da braucht‘s erstmal eine Zigarettenpause. Direkt vor der ersten Reihe wird sich hingehockt, ein paar Schlucke aus der Wasserflasche, langsame Zigarettenzüge, bevor es mit einem fetten Monolog weitergeht. Mit dem blauen Dunst werden die shakespeare‘schen Blankverse in den Bühnenraum entlassen. Macbeths Untergang steht bevor, ist ihm längst in die Glieder gefahren.
Im Rahmen des Projekts „Blutige Anfänger“, in dem StudentInnen der Folkwang-Hochschule die Möglichkeit erhalten, unter Realbedingungen in einem Theater zu inszenieren, feierte am Samstag „Macbeth“ Premiere. Nina de la Parras Inszenierung am Rottstr.-5-Theater reduziert den Shakespeare-Klassiker aufs Wesentliche: Bernhard Glose (Macbeth) und Karin Moog (Lady Macbeth) geben das Intrigenpaar, das zwischen diabolischer Heuchelei und dem Wahnsinn Machtgieriger oszilliert. Macduff, ein Bote, die Hexe, sowie Duncan werden allesamt von Jörg Schulze-Neuhoff verkörpert. Das restliche Personenregister Shakespeares ist nicht notwendig, um die Kabale zu schildern. Dunkle Erde, an den Ecken kantige Lautsprecher, dahinter eine karge blaue Wand – de la Parra nutzt den begrenzten Raum der Schauspielbühne, um das Intrigenspiel zu entkernen und die bekannten Themen des Stücks abzuhandeln: menschliches Machtstreben, Schuld und Sühne, Männlichkeit. Schulze-Neuhoffs Hexe spuckt nüchtern die Prophetie aus, die Machtmöglichkeiten, die Macbeth offenstehen. Der ist perplex wie machthungrig zugleich. Aber die Machtgier drängt die beiden trotz aller Unsicherheit zur Tat, der Ermordung Duncans – das ist der bekannte Shakespeare-Stoff. Hier erscheint die Ermordung Duncans absurd, angereichert mit schwarzem Humor, wenn er im wahrsten Sinne des Wortes das Maul gestopft kriegt.
Entmannte Machtgier?
Der Stoff ist allseitig bekannt, die Inszenierung daher auf den Schlagabtausch zwischen Macbeth und Lady Macbeth fokussiert. Dazu gehören die Vorwürfe der Lady Macbeth gegen ihren Mann, dass es ihm ob seines fehlenden Mutes an Männlichkeit mangele. Ist das jetzt Gender-Thematik? Gar ein aktueller Bezug? Die Inszenierung gibt keine Hinweise darauf. Zuweilen wartet man auf einen mutigen, kritischen Schwung, aber der bleibt aus. Nina de la Parra gelingt es aber, in ihrer soliden Inszenierung das Stück auf die Machtgier des IntrigantInnenpaares zu skelettieren, als beklemmende Schau auf menschliche Machtverstrickungen – eine Vorlage für intensives Schauspiel.
Bernhard Glose glänzt als wahnsinniger Tyrann
Das ist auch die Rettung des Abends: Berhard Gloses Macbeth. Mit schlichter Lederjacke und zerfahrenem Haar mimt er einen Schelm, der nach der Hexenprophezeiung überfordert die Machtmöglichkeiten kalkuliert und angetrieben von seiner Gattin, eher in den Königsmord hineinstolpert: „Ich hab‘s getan“, gibt er nach der Ermordung Duncans bubenhaft seiner Frau zu verstehen. Der Wahnsinn des Tyrannen wird überzeugend durchdekliniert: Wenn er versucht, Banquo, der seiner Intrige zum Opfer gefallen ist und ihm nun als Imagination anheimfällt, hektisch mit bloßen Händen einzubuddeln, dann wird das paranoide Schuldbewusstsein Macbeths absurd auf der Bühne entfacht. Der gelungene Putsch wird mit falschem, kreischendem Mitgefühl kaschiert. Die Macht, in der sich beide wähnen, definiert sich nur durch die Angst, sie zu verlieren. Das ist der Balanceakt, den alle machtgierigen Hasardeure wagen. Gleichzeitig sind sie nichts als Harlekins. Karnevalesk wird Macbeth eine Gartenzwerg-Mütze aufs Haupt gesetzt. Auch das ist das Stigma der Mächtigen. Harlekins sind sie eigentlich alle, diese Mächtigen, wenn sie, die absolute Macht verkörpernd, regelmäßig wegen Sex- oder Steueraffären in aller Öffentlichkeit entlarvt werden. Auch der Königsmord wird schließlich gefeiert, laute Party-Musik dröhnt aus den Boxen; mit schwingt die Peripetie, der Untergang, der Wahn. Ist das ein Verweis auf die Selbstgefälligkeit wie Vergeblichkeit des Treibens der Mächtigen? Gar Korruptionskritik? Das sind Themen, auf die eine Macbeth-Inszenierung eingehen könnte. Erahnen kann man das – mit viel Mühe, da die Inszenierung hier zu sehr darauf beschränkt ist, den Stoff solide umzusetzen.
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Hintergrund: „Blutige Anfänger 1“: Zusammen mit Studierenden des Fachs Schauspielregie der Folkwang Universität der Künste initiiert das Rottstr5-Theater das Projekt „Blutige Anfänger“, in dem Studierende die Möglichkeit erhalten sollen, an freien Theaterbühnen Praxiserfahrung unter Realbedingungen zu sammeln.
Wann? Sonntag, 23. Februar, 19.30 Uhr
Wo? Rottstr.-5-Theater, Rottstr. 5, BochumWieviel? Eintritt 13 Euro (inkl. Programmheft und ein Freigetränk), 7 Euro für SchülerInnen, StudentInnen, Arbeitslose (inkl. Programmheft)
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