Die Ruhr-Uni Bochum hat einen neuen AStA-Vorstand: Zunächst wurde Tim Köhler (Jusos) am Abend des 14. März mit 20 Stimmen zum Vorsitzenden gewählt, während Gegenkandidat Carsten Mielke von der Satireliste B.I.E.R., der die Kandidatenbefragung zur Talkshow machte, 12 Voten erhielt. Tags darauf wurde zunächst Christian Volmering von der Liste der „Naturwissenschaftler und Ingenieure“ (NAWI) in seiner bereits im Vorjahr ausgeübten Tätigkeit als Finanzreferent bestätigt, bevor das achtköpfige Gremium komplettiert wurde. Während sich die bei den letzten Wahlen zum Studierendenparlament (StuPa) bestätigte „Koalition der Mitte“ (Dirk Loose, NAWI) zuversichtlich zeigte, die Interessen der Studierendenschaft weiterhin effektiv und kompetent vertreten zu können, sparte die Opposition nicht mit Kritik. Umstritten ist vor allem die geplante Erhöhung der Aufwandsentschädigungen für AStA-Ämter bei gleichzeitiger Senkung der ReferentInnenzahl von 38 auf 28.
Zwei volle Tage dauerte die einem Marathonhürdenlauf gleichende Wahl des neuen AStA-Vorstands sowie anderer FunktionsträgerInnen im StuPa. „Wir werden mehr Urnengänge brauchen als zur Papstwahl“, prognostizierte der wenig später zurückgetretene StuPa-Sprecher Matthias Brüggemann bereits zur Eröffnung der Sitzung am vergangenen Donnerstag. Diese konnte nach eingehender Debatte über beanstandete Formfehler bei der Einladung erst mit über einer Stunde Verspätung ordnungsgemäß durchgeführt werden.
Finanzen: Top
Finanziell stehe der AStA so gut da wie lange nicht mehr, konstatierte der scheidende AStA-Vorsitzende Dirk Loose, der wenig später neben seinem künftigen Stellvertreter Felix Pascal Joswig (Jusos) als neuer StuPa-Sprecher gewählt wurde. Dem Allgemeinen Studierendenausschuss stehen somit die Ressourcen für eine von der Grünen Hochschulgruppe (GHG) als stärkster Oppositionsliste ausdrücklich begrüßte nachhaltige Investition zur Verfügung: Bis zum September sollen die Kosten von laut Haushaltsplan 57.750 Euro für einen Vertrag mit der „nextbike GmbH“ zur Aufstellung und Nutzung von „metropolradruhr“-Rädern auf dem Campus vom AStA übernommen werden; danach sollen die Aufwendungen hierfür im Falle eines positiven Votums bei einer Urabstimmung ab dem Wintersemester auf die Studierenden übergehen. In den laufenden Verhandlungen gelte es jedoch laut Finanzreferent Christian Volmering, noch datenschutzrechtliche Bedenken über die Weitergabe von NutzerInnendaten auszuräumen.
Frauenförderung: Flop
Kritik am Umgang mit Fragen der Nachhaltigkeit äußerte jedoch die ehemalige AStA-Vorsitzende Laura Schlegel (GHG) im weiteren Verlauf der Sitzung angesichts der Pläne des sich neu formierenden AStA, das Ökologiereferat abzuschaffen. Zweifel wurden laut, ob ökologischen Themen im neuen Querschnittsreferat „Service, Mobilität und Wohnen“ weiterhin angemessen Rechnung getragen werden könne. Dem will der neue AStA mit einer Verteilung der bisherigen Ökologiereferatsaufgaben auf das Service- wie auch das Hochschulpolitik-Referat beikommen.
Einer der Hauptkritikpunkte ist zudem die ausschließliche Wahl von Männern in die höchsten Ämter des AStA sowie des StuPa. So konstatierte die Liste B.I.E.R.: „Auch wenn die AStA-Koalition keine einzige Frau für einen der führenden Posten vorgeschlagen hat, sieht keiner […] ein strukturelles Problem in der AStA-Koalition mit der Einbindung von Frauen in die Hochschulpolitik.“ Selbst die drei Studentinnen der Koalition, die sich am zweiten Sitzungstag um weitere Vorstandsposten bewarben, sehen dies unproblematisch. Wenn sich keine fähige Interessentin finde, dann besetze man die Stelle eben mit kompetenten Männern, hieß es da.
Polit-Talkshow
Die dreieinhalbstündige(!) Befragung der beiden Kandidaten zum AStA-Vorsitz schließlich machte der Sozialwissenschaftsstudent Carsten Mielke zur hochschulpolitischen Talkshow, als er einen erfrischenden Mix aus satirischen und seriösen Positionen präsentierte. So durfte neben der Forderung basisdemokratischer Strukturen in der AStA-Arbeit sowie der Ablehnung einer Erhöhung der Aufwandsentschädigungen hierfür auch die von der Liste B.I.E.R. in den letzten Uni-Wahlkampf hineingetragene Leitidee des Baus einer Campusbrauerei nicht fehlen. Wichtig ist Carsten Mielke, der früher für die diesmal nicht zur Wahl angetretene Linke Liste kandidierte, „mehr Demokratie“ in der Hochschulpolitik, was auf dem Campus unter anderem durch eine Stärkung der Fachschaften erreicht werden soll.
Weitgehend einig war sich der Verdi-Gewerkschafter mit dem schließlich mehrheitsfähigen Kandidaten der Juso-Hochschulgruppe, Tim Köhler, jedoch in der Ablehnung der kostenträchtigen Bewerbung der Ruhr-Uni Bochum zum bundesweiten Exzellenzwettbewerb: Die RUB habe bei dieser kostspieligen „Zockerei“, welche die aktuelle Verschuldung der Uni mit 9,7 Millionen Euro mitbedingte, „hoch gepokert und hoch verloren“, resümierte Köhler. Mit der Univerwaltung will der künftige AStA-Vorsitzende bezüglich der geplanten Campus-Umgestaltung, die sich derzeit als „unfinanzierbar“ darstellt, verstärkt den Dialog suchen. Das Kulturcafé, das sich im nach derzeitigem Planungsstand abrissbedrohten Gebäudekomplex aus Musischem Zentrum und Studierendenhaus befindet, will er unter allen Umständen erhalten.
Was die studentische Hochschulpolitik betrifft, legt Tim Köhler, der seit 2008 SPD-Mitglied ist, besonderen Wert auf transparente Richtlinien bei der Initiativenförderung, die Abschaffung der Latinumspflicht sowie die aktuelle „Tarif-Ini“ zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen studentischer Hilfskräfte. Zudem betont Tim Köhler die Notwendigkeit, am allgemeinpolitischen Mandat der Verfassten Studierendenschaft festzuhalten, eine Viertelparität in Uni-Gremien anzustreben und die noch zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition in NRW eingeführten Hochschulräte abzuschaffen – auch wenn die rot-grüne Landesregierung dieses sozialdemokratische Wahlversprechen bei der bevorstehenden Hochschulgesetz-Novelle möglicherweise nicht einlösen wird. „Da kann man nur den Kopf schütteln“, kommentiert Tim Köhler.
Haushaltshängepartie
Auch durch eine Fortsetzung der StuPa-Sitzung am Freitag gelang es nicht, mehr als insgesamt elf der 18(!) Tagesordnungspunkte zu behandeln, sodass unter anderem der TOP „Organisatorisches zum Campusfest“ sowie die zweite und dritte Lesung des Haushalts der Studierendenschaft um eine Woche vertagt werden musste. Einstimmig angenommen wurde immerhin der FSVK-Antrag auf Übersendung parlamentsrelevanter Daten an die FSVK – wenn auch eine eventuelle Bewilligung einer dritten FSVK-SprecherInnenstelle immer noch in der Schwebe ist.
Am zweiten Tag schuf das StuPa den AStA-Vorstand
Auch die fünf KandidatInnen, die sich zur Wahl zum AStA-Vorstand aufgestellt haben, mussten eine mehrstündige Befragung über sich ergehen lassen – namentlich waren das Sebastian Marquardt (NAWI), Nergiz Yilmaz (IL), Andreas von Canstein (GEWI), Kathrin Jewanski (Jusos), Matthias Brüggemann (GEWI) und Nur Demir (IL). Der Antrag der Opposition, die KandidatInnen einzeln aufzurufen und zu befragen, wurde von der Mehrheit der ParlamentarierInnen abgelehnt. Begründung für die Ablehnung war, dass man „ja fertig werden“ wolle. Die Begründung für den Antrag, jedeR KandidatIn solle möglichst unabhängig von den MitbewerberInnen auf die Fragen des Parlaments eingehen können, war nicht unberechtigt: Während die fünf Studierenden vor dem Plenum saßen, hörte man sehr oft Sätze wie „Ich schließe mich meiner Vorrednerin/ meinem Vorredner an“ oder „Dem ist nicht hinzuzufügen“.
Insgesamt war es eine sehr lange Fragerunde, die letztlich wohl eher der Informationsgewinnung über die Personen diente und nur wenig Einfluss auf die Wahl hatte. Am Ende wurden alle Sechs mit 18 bis 24 Stimmen in den Vorstand gewählt.
Einigkeit herrschte unter den Vorstandsmitgliedern in spe etwa beim Thema der umstrittenen Erhöhung der erst im Jahr zuvor gesenkten Aufwandsentschädigung für AStA-ReferentInnen und -Vorstandsmitglieder. Die Erhöhung, so hieß es unisono, orientiere sich am Bafög-Höchstsatz und sei eine angemessene Korrektur.
AStA vs. FSVK – Runde 2?
Kritisch wurde weiter nachgefragt bei einem Thema, das im vergangenen AStA-Jahr für heikle Situationen gesorgt hatte: Die Fragen nach dem Verhältnis zwischen AStA und FachschaftsvertreterInnenkonferenz (FSVK) waren also durchaus berechtigt.
Immer wieder wurde dem AStA im vergangenen Semester vorgeworfen, die Arbeit der FSVK zu blockieren und sogar die Kompetenzen dieses Gremiums beschneiden zu wollen. Die Antworten auf diese Fragen waren deeskalierend: Fast alle Befragten waren oder sind in Fachschaftsräten aktiv und beteuerten, was für ein wichtiges Gremium die FSVK sei. Sebastian Marquardt bedauerte, dass es in letzter Zeit kein „geschlossenes studentisches Auftreten“ gegeben habe, um studentische Interessen gegenüber dem Rektorat zu vertreten. Auch Matthias Brüggemann räumte ein, dass es „Reibereien“ zwischen AStA und FSVK gegeben habe, eine „Torpedierung oder Blockade“ der FSVK habe es vonseiten des AStA aber nicht gegeben. Sebastian Marquardt deutete allerdings an, die FSVK müsse „ihre Strukturen überdenken“ und „sich ihrer Kompetenzen bewusst werden“.
In einer E-Mail, die die FSVK-SprecherInnen am 11. März über den FSVK-Verteiler verschickt haben, hieß es, dass die AStA-Listen angekündigt hätten, die Kompetenzen der FSVK einzuschränken und aufs Referat für Hochschulpolitik zu verlagern. Darüber hinaus sollten Anträge von FSRs direkt über den Finanzreferenten des AStA statt wie bisher über die FSVK laufen. Die Zahl der FSVK-SprecherInnen-Stellen sollt nicht, wie von den FSR-VertreterInnen gewünscht, auf drei erhöht, sondern auf 1,25 Stellen reduziert werden. Der neue AStA-Vorsitzende sagte der :bsz, dass all dies nicht stimme. Lediglich, dass die Finanzanträge direkt über den AStA laufen sollen, ist ernsthaft im Gespräch. Die Finanzanträge der FSVK werden am kommenden Mittwoch mit den anderen Haushaltsangelegenheiten besprochen.
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Realsatire
Eine über zwei volle Tage gehende und immernoch nicht beendete SP-Sitzung demonstriert, in welche bedenkliche Richtung sich die Hochschulpolitik entwickelt hat: Das SP ist doch weitestgehend eine Schaubühne für alberne Streitereien um Kleinigkeiten, für unsinnige ideologische Grabenkämpfe und für überflüssige Querelen zwischen verschiedenen sich gegenseitig blockierenden Gremien fernab der Studierenden. Ziemlich wunderlich, dass es offensichtlich so einige Studierende gibt, die so dermaßen viel Freizeit haben, dass sie sich in tagelangen Sitzungen um nichts streiten …
Cooler Artikel
Der ergänzt unsere Berichterstattung ja wirklich gut =)
Aber an einem Punkt haben wir einen Einwand: „Insgesamt war es eine sehr lange Fragerunde, die letztlich wohl eher der Informationsgewinnung über die Personen diente und nur wenig Einfluss auf die Wahl hatte“ Gerade beim AStA-Vorstand gingen die Ergebnisse weit auseinander. Eine Person bekam gerade mal die 18 notwendigen, also eine weniger als die Koalition Stimmen im Parlament hat, während ein anderer sogar viele Oppositionsstimmen bekam. Das zeigt eher ziemlich eindeutig, dass die Befragung, auch wenn sie lange dauerte, zum Informationsgewinn über die Kompetezen der Kandidat_innen beigetragen hat.
Aber das ist wohl genau so interpretationssache wie die Auslegung der GO oder der Satzung.