Hamburg, Freitagabend, 25.01.2013: Zehn Aktivistinnen der militant-feministischen Frauenorganisation Femen zogen mit Fackeln durch die Herbertstraße, eine traditionsreiche Bordellstraße in St. Pauli, nahe der Reeperbahn. Trotz Minusgraden demonstrierten die Frauen mit nacktem Oberkörper. Der für Femen charakteristische, barbusige Protest richtete sich in Hamburg zum wiederholten Male gegen die Prostitution und deren Legalität. Femen fordert die Ächtung und ein generelles Verbot der Prostitution sowie die Bestrafung der Freier. Die Femen-Aktivistinnen hielten Schilder hoch mit Parolen wie „Frau ist keine Ware“, „Sexindustrie ist Faschismus“ oder „10 Jahre legale Sklaverei“. Letzteres bezieht sich auf das 2002 inkraftgetretene Prostitutionsgesetz (ProstG), welches die rechtliche Stellung von Prostitution/Sexarbeit als Dienstleistung regelt.
An die Tore der Herbertstraße sprühten die Aktivistinnen die KZ-Toraufschrift „Arbeit macht frei“. Bereits im Juli 2012 hatte Femen mit NS-Symbolik auf der Hamburger Reeperbahn auf provokante und äußerst geschmacklose Weise gegen die Prostitution demonstriert. Irina Khanova, die Gründerin der deutschen Femen-Gruppe, erklärte dazu in einem Interview in der Hamburger Morgenpost (vom 28.01.2013), Prostitution traumatisiere Frauen und zerstöre ihre Seelen, ähnlich wie in den KZs Menschen zerstört worden seien. Während solche Nazi-Vergleiche bei gesellschaftlichen Diskussionen über die Prostitution allgemein unüblich sind, ist die Forderung nach der Ächtung und dem Verbot der Prostitution dagegen ausgerechnet bei FeministInnen leider weit verbreitet. In Deutschland werden hier vor allem Alice Schwarzer und ihre Zeitschrift Emma öffentlich wahrgenommen, welche unentwegt das Prostitutionsgesetz anprangern und Schweden bei der Bekämpfung der Prostitution als Vorbild sehen. Sexpositive FeministInnen befürworten im Gegensatz dazu die Legalität und Anerkennung der Prostitution.
Kriminalisierung in Westeuropa
In Schweden trat 1999 ein mit einer Mehrheit von SozialdemokratInnen, Grünen und Linken verabschiedetes Prostitutionsverbot in Kraft, welches den „Kauf von sexuellen Diensten“ unter Strafe stellt, während das Anbieten derselben straffrei bleibt. Schweden machen sich sogar dann strafbar, wenn sie die sexuellen Dienstleistungen im Ausland kaufen. Zunächst betrug die mögliche Höchststrafe für Freier sechs Monate Gefängnis, seit dem 1. Juli 2011 beträgt sie ein Jahr. Die Bilanz dieser Kriminalisierung wird von den BefürworterInnen als Erfolg betrachtet, da die Zahl der Prostituierten in Schweden seit 1999 stark abgenommen hat und insbesondere der Frauenhandel in Folge des Prostitutionsverbots deutlich zurückgegangen ist. Für die dort weiterhin der Sexarbeit nachgehenden Frauen ist das Leben jedoch weit härter und gefährlicher geworden. Die Prostituierten wurden aus dem öffentlichen Raum verdrängt und haben durch das Ausbleiben der Kunden kaum noch die Möglichkeit, Freier oder von diesen verlangte Sexualpraktiken abzulehnen.
Das „schwedische Modell“ ist von anderen Ländern nachgeahmt worden. Seit 2009 werden auch in Norwegen und Island die Freier von Prostituierten bestraft. In Frankreich beschloss die Nationalversammlung am 6. Dezember 2011 eine (nicht bindende) Resolution zur Abschaffung der Prostitution, bei der ebenfalls die Bestrafung der Freier als Schlüssel betrachtet wird. Allerdings ist die Kriminalisierung der Prostitution in Frankreich heftig umstritten und die Mehrheit der FranzösInnen ist dagegen (im Gegensatz zu der Mehrheit der SchwedInnen). Die Prostituiertenorganisation STRASS hatte anlässlich der Abstimmung über die Resolution mit Parolen wie „Sexarbeit ist Arbeit“ oder „Prostitution – keine Repression – keine Bestrafung – Rechte!“ gegen dieselbe demonstriert. Die Resolution hatte die Organisation in einem Brief an die Abgeordneten der Nationalversammlung als Bedrohung von „Gesundheit, Sicherheit und Existenzgrundlage“ der Prostituierten bezeichnet. Am 7. Juli 2012 demonstrierte STRASS in Paris erneut gegen die geplante Abschaffung ihres Gewerbes. Morgane Merteuil, die Generalsekretärin von STRASS, erklärte, dass nicht der Kaufakt der Freier, sondern die Bevormundung durch „patriarchalische Feministinnen“ den Prostituierten Gewalt antue.
Verschärfung des Prostitutionsgesetzes
In Deutschland droht aktuell glücklicherweise kein Verbot der Sexarbeit. Allerdings ist seit Ende letzten Jahres die Debatte um eine Verschärfung des Prostitutionsgesetzes wieder aufgeflammt. Auf Initiative von CDU/CSU-PolitikerInnen soll noch in dieser Legislaturperiode eine solche Verschärfung beschlossen werden, welche für die Prostituierten in jedem Fall eine Zunahme der Überwachung, Repression und Bevormundung bedeuten würde. Die :bsz wird sich in der nächsten Ausgabe näher mit dieser Debatte beschäftigen.
Patrick Henkelmann
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