Bild: Jish in Israel: In diesem Dorf befindet sich die einzige aramäische Schule im ganzen Land., Aramäischer Sprachunterricht in Israel Foto: Ariel Palmon, Wikimedia Commons (CC-BY 3.0)

Höchstens etwa eine halbe Million Menschen weltweit sprechen noch Aramäisch, also je nach Definition einen der zahlreichen Dialekte der aramäischen Sprache oder eine der aramäischen Sprachen. Das Aramäische zählt zu den ältesten noch gesprochenen Sprachen der Welt und war die Muttersprache von Jesus Christus. Die aramäische Sprache gehört wie die hebräische Sprache zum nordwestsemitischen Zweig der semitischen Sprachfamilie. Die SprecherInnen des Aramäischen sind überwiegend als Aramäer oder Assyrer bezeichnete ChristInnen und leben im Nahen Osten als Minderheiten in den Staaten Irak, Iran, Israel, Jordanien, Libanon, Syrien und der Türkei sowie zu einem großen Teil in der aramäischen Diaspora in Europa, Amerika und Australien. Das Aramäische ist eine bedrohte Sprache, bedingt durch die geographische Zerstreuung seiner wenigen SprecherInnen, die Zersplitterung in über ein Dutzend Dialekte und mehrere Alphabete sowie die schwierige Lage seiner zum allergrößten Teil nicht-muslimischen SprecherInnen in den meisten ihrer islamischen Heimatländer.

Zu den Bemühungen für das Überleben und die Wiederbelebung des Aramäischen gehört der seit 2009 stattfindende aramäische Sprachunterricht in der Schule des mehrheitlich christlich-arabischen Dorfes Jish in Israel. Das Dorf Jish hat 3000 EinwohnerInnen und liegt im Norden Israels, am Fuße des Berges Meron, nahe der Grenze zum Libanon. 55 Prozent der EinwohnerInnen von Jish sind Maroniten, Angehörige der Syrisch-Maronitischen Kirche von Antiochien, einer Katholischen Ostkirche. Das Aramäische ist die liturgische Sprache der Syrisch-Maronitischen Kirche wie auch der Syrisch-Orthodoxen Kirche, doch wird Aramäisch nur von einer Minderheit der Angehörigen dieser Kirchen auch gesprochen. Die Muttersprache der EinwohnerInnen von Jish ist bei den ChristInnen wie bei den MuslimInnen Arabisch.

Zwei Brüder für das Aramäische

Vor einigen Jahren begannen die Brüder Shady und Amir Khallul mit ihrem Engagement für die Wiederbelebung der aramäischen Sprache in Jish. Für ihre Pläne konnten sie die EinwohnerInnen von Jish rasch begeistern. Zwar gab es unter diesen anfänglich auch Befürchtungen, der Aramäischunterricht werde die AraberInnen von ihrer arabischen Identität wegführen oder die MuslimInnen für das Christentum missionieren, doch ließen sich diese Befürchtungen zerstreuen. Die aramäische Sprache wurde von den EinwohnerInnen von Jish schließlich religionsübergreifend als gemeinsames Erbe und als Teil der eigenen Kultur (an)erkannt, den sich anzueignen eine gute Sache ist.

Als das israelische Erziehungsministerium 2009 die Erlaubnis für den Aramäischunterricht in den Klassen eins und zwei erteilte, mussten von den Brüdern Khallul zunächst ein Lehrplan erstellt und entsprechende Unterrichtsmaterialien besorgt werden. Shady Khallul beschrieb 2010 in einem Zeitungsinterview: „Amir schrieb die Textbücher und ich reiste um die Welt, um Wörterbücher und Grammatikbücher zu kaufen, sodass wir diese für die Nutzung in Israel übersetzen und anpassen konnten. Ich kaufte das meiste Lehrmaterial in Schweden und die Wörterbücher in Frankreich. Die meisten aramäischen Bücher werden heutzutage im Libanon gedruckt, doch haben wir keine Möglichkeit, sie von dort hierhin zu importieren.“ Die aramäische Gemeinschaft in Schweden hat schätzungsweise bis zu 80000 Angehörige und ist besonders engagiert, die aramäische Sprache durch Medien weltweit zu fördern. So gibt es in Schweden sogar zwei aramäisch-sprachige Fernsehsender (Suroyo TV und Suryoyo-Sat), die sich auch bei den Aramäisch-Sprechenden oder -Lernenden in Israel großer Beliebtheit erfreuen.

Es gibt noch viel zu tun

Inzwischen lernen in Jish mehr als 80 Kinder der Klassen eins bis fünf Aramäisch als freiwillig gewähltes Unterrichtsfach. Das israelische Erziehungsministerium stellt Geldmittel für den Aramäischunterricht bis zur achten Klasse bereit. Doch ist die Schule von Jish bisher leider die einzige Schule in ganz Israel, in der die aramäische Sprache unterrichtet wird. Daneben existiert lediglich seit einigen Jahren eine syrisch-orthodoxe Schule im palästinensischen Dorf Beit Jala, nahe Bethlehem, welche ebenfalls das Aramäische lehrt. Bis zu einer Renaissance der aramäischen Sprache ist es in Israel und Palästina also noch ein weiter Weg. Ein Hoffnungszeichen für den Erhalt des Aramäischen als lebende Sprache sind diese beiden Sprachschulen aber allemal.

Patrick Henkelmann

 

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