1971 wurde sie als „Gesamtschule Bochum“ eröffnet und war damit die zehnte ihrer Art in NRW: Die Erich Kästner-Schule (EKS), die zugleich Vorreiter unter den Ganztagesschulen an Rhein und Ruhr war und im Jahre 1982 Regelgesamtschule wurde. Nachdem die SchülerInnenzahl in ihrer Spitzenzeit etwa 2.000 betragen hatte, ging sie bis 2006 jedoch auf rund 1.200 zurück. Die Entscheidung der Stadt Bochum, angesichts der PCB-Belastung des alten Schulgebäudes an der Markstraße für geplante 21 Millionen Euro einen Neubaukomplex neben das Altgebäude zu setzen, brachte die Wende: So wurde die neue, mit Beginn des Schuljahres 2010/11 eröffnete Schule im vergangenen Jahr u.a. mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet. Der dicke Wehrmutstropfen: der Außenbereich des Schulneubaus ist komplett kameraüberwacht. Die :bsz hat im Gespräch mit Schulleiter Walter Bald hinter die Kulissen gespäht.
Als bereits 2003 wegen der geringen Auslastung insbesondere im Oberstufenbereich die Schulschließung drohte und zeitgleich die Stelle des Schulleiters frei wurde, schlug die Stunde des damaligen Personalratsvorsitzenden in der Bezirksregierung Arnsberg. „Ich wollte Schule gestalten“, lautete die neue Devise des ehemaligen Grünen und ´68ers. Dies schien insbesondere dringend geboten, um dem hohen Anteil an SchülerInnen aus sozial benachteiligten Familien neue Perspektiven zu bieten und die EKS im Bochumer Süden wieder für ein breiteres gesellschaftliches Spektrum attraktiv zu machen. Das zumindest scheint spätestens seit der Eröffnung des Schulneubaus gelungen – bei gleichzeitiger Wahrung der multiethnischen Identität der SchülerInnenschaft: „Bei uns arbeiten Schüler aus über 40 Herkunftsländern friedlich miteinander und gestalten unter dem Leitbild einer ‚Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage’ eine Schule, die Integration täglich lebt“, unterstreicht Walter Bald. Zudem gehört „die Arbeit in Gruppen aus Schülerinnen und Schülern mit unterschiedlichen Leistungsstärken“ inzwischen „zum Alltag“ an der EKS, heißt es im Portrait der Schule anlässlich der Verleihung des Deutschen Schulpreises 2012.
Kameranetz im Außenbereich
Auch die Architektur des neuen Gebäudekomplexes wird dort ausdrücklich gelobt: „Der weitläufige Bau erinnert mit seinen schicken Sichtbetonwänden an eine moderne Hochschule“, heißt es im Kontext der Verleihung des Geldpreises von 25.000 Euro aus den Händen von Ex-Bundespräsident Roman Herzog weiter im Schulportrait. „Der neue Schulcampus ist vielgliedrig und konsequent auf das Konzept einer Teamschule ausgerichtet“, betont Schulleiter Walter Bald gegenüber der :bsz. „Das bedeutet, dass wir kleine, überschaubare Einheiten für die jeweilige Altersstufe bilden, in denen die Schüler eines Jahrgangs und ihre Klassenlehrer jeweils eigene Häuser bewohnen, zu denen auch eigene Schulhöfe gehören. Nach dem großen, eher zentral ausgerichteten alten Gebäude ist das eine gewaltige Veränderung des gesamten Schullebens“, so Walter Bald weiter. „Dadurch, dass das Kollegium, Schüler und Eltern von der Schulleitung als Experten in die Gestaltung der neuen EKS verantwortlich einbezogen wurden, wuchs bei allen Beteiligten eine spürbar starke Identifikation mit ihrer Schule“, wird in der Laudatio zur Preisverleihung betont. Was dort jedoch verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass der gesamte Außenbereich des Neubaus mit einem flächendeckenden Netz von Kameras überwacht wird. Dass dies als problematisch aufgefasst werden kann, ist dem Schulleiter durchaus bewusst: „Ich verstehe auch die Sorgen und teile sie, was eine gesamtgesellschaftliche Tendenz betrifft.“
Überwachter Besuch
„Die Kameraüberwachung im Außenbereich – selbstverständlich nicht im Innern der Schule“, wie Walter Bald betont, gehöre jedoch, „genau wie der Zaun um den Campus herum, zum Konzept einer ‚sicheren Schule‘. Wir sind nicht ungastlich, wollen aber gern wissen, wer uns besucht. Deshalb haben wir nur einen Eingang.“ Offiziell ist dieses ‚Konzept‘ vor allem auf die Einbruchsvermeidung gerichtet: „Da wir im unbewohnten Außenbereich liegen, schützen wir uns mit den Kameras vor Einbruch und Beschädigung.“ Hier stellt sich jedoch die Frage, warum eine geeignete Alarmanlagentechnik dazu nicht ausreichen sollte. Die Überwachung sei jedoch zeitlich sowie hinsichtlich der Zielgruppe limitiert: „Die Aufzeichnungen werden nach drei Tagen automatisch gelöscht“, hebt der Schulleiter hervor – und „selbstverständlich überwachen wir nicht unsere Schüler oder Lehrer.“ Dass die tagtägliche Präsenz von Kameras an einer Schule – wenn auch ‚nur‘ im Außenbereich – einen massiven Eingriff in Persönlichkeitsrechte darstellt und zudem Auswirkungen auf das alltägliche Verhalten der Betroffenen haben dürfte, fällt aus Sicht der Schulleitung offensichtlich nicht entscheidend ins Gewicht: „Mir sind keine kritischen Rückmeldungen bekannt“, so Walter Bald. „Im Gegenteil, Eltern begrüßen die Anstrengungen, den Schulbetrieb zu sichern.“ Um weitere Bedenken auszuräumen, setzt der Schulleiter hinzu: „Der Zaun, der schon etwas martialisch aussieht, schützt die Schule nach außen, für die Schüler hat er eine Fülle von Toren, die von innen geöffnet werden können.“
Bundeswehr nicht mehr willkommen
Zum nicht willkommenen Besuch an der EKS gehört laut Walter Bald inzwischen auf jeden Fall die Bundeswehr. Dies sah 2005 noch anders aus, als das Netzportal bo-alternativ anlässlich der Werbeoffensive zum 50. Bundeswehr-Jubiläum berichtete: „Es werden keine Panzer auf die Bochumer Schulhöfe rollen. (…) Während es ca. 30 SchulleiterInnen in Bochum abgelehnt hatten, das Propaganda-Angebot der Bundeswehr anzunehmen, hatten vier Schulleiter der Bundeswehr angeboten, auf dem Schulhof Werbung für das geplante Militärspektakel zu machen. Die vier Schulleiter sicherten nach Protesten zu, dass die Bundeswehr bei ihrer Werbeaktion keine Panzer einsetzt. (…) Bei der Erich Kästner-Schule kommt die Bundeswehr nicht auf den Schulhof. Sie darf allerdings auf den LehrerInnen-Parkplatz.“ Heute würde der Schulleiter nicht einmal Mini-Busse der Bundeswehr aufs Schulgelände lassen: „Ich musste lernen, dass die Bundeswehr nicht wirklich mit Schülern diskutieren will, sondern für sich werben“ – danach habe es „nie wieder Besuche der Bundeswehr an der EKS gegeben oder auch nur die Weitergabe der Werbematerialien der Bundeswehr“, versichert Walter Bald. „Ich halte eine solche Werbung für unvereinbar mit den Zielen der Schule.
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