„10 Konsolen, die Du wahrscheinlich in Deinem Leben noch nie gespielt hast“ – so lautete der Name der Ausstellung, die vergangenen Samstag im Falkenheim in der Bochumer Akademiestraße zu sehen war. Sie war Teil der 10. Retrobörse im Ruhrgebiet, auf der SpielerInnen und SammlerInnen vielleicht auch diese exotischen Geräte aus der Ausstellung kaufen, ganz bestimmt aber Tausende von Spielen, Computern, Konsolen der letzten vier Jahrzehnte finden konnten.
Video- und Computerspiele sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Lara Croft zierte zu ihren Glanzzeiten vor einigen Jahren die Titelseiten von Lifestyle-Magazinen. Heute schießt sich der Master Chief für „Halo“ durch die Werbepausen im Fernsehen. Dabei sind diese modernen digitalen HeldInnen längst nicht die ersten, die in den Massenmedien Berühmtheit erlangten. Der japanische Spielekonsolenhersteller Nintendo nutzt den Klempner Mario Mario, besser bekannt als Super Mario, aus der meistverkauften Videospielserie überhaupt spätestens seit 1983 als Maskottchen. 2011 feierte der ebenfalls berühmte Igel Sonic von Nintendos Konkurrenten Sega seinen zwanzigsten Geburtstag. Bereits 32 Jahre alt ist der medikamentenabhängige Pac-Man, der nicht nur SpielerInnen, sondern schon seit Jahrzehnten auch ihren Eltern bekannt ist. Heute sind diese SpielerInnen selbst zu Eltern geworden – und lieben die alten Spiele immer noch.
Früher war alles besser – nur die Grafik nicht
Einer von diesen Spielern, deren Liebe für die Spiele seiner Jugend nicht erloschen ist, ist Jens Brinkmann aus Bochum. Seine Leidenschaft geht über das bloße Spielen hinaus: Seit Jahren sammelt er alte Konsolen und Computer und entsprechende Spiele. Brinkmann, dessen Eltern gegen Videospiele waren und der sich deshalb erst vom Zivigehalt einen Supernintendo gekauft hat, befasst sich auch theoretisch mit der Videospielkultur. Weil er damit nicht allein ist, organisiert er zusammen mit Michael Braun und Jens Klöpfel für eine internationale Szene von Retrofans die Retrobörse, die seit 2005 im Ruhrgebiet stattfindet.Hatte die erste Börse noch kaum hundert BesucherInnen, liegt die Zahl heute hoch im dreistelligen Bereich. Gäste und AusstellerInnen kommen teilweise aus dem Ausland, viele kommen aus den Niederlanden und Belgien, aber auch AmerikanerInnen und JapanerInnen kann man antreffen. Die Atmosphäre ist trotz der vielen Menschen angenehm. Zwar ist es teilweise recht eng, aber die Menschen sind nett. Viele kennen sich, es gibt eine aktive Retroszene, die im Internet und über Zeitschriften wie „Retro“ oder „Return“ vernetzt ist.Damit das auch so bleibt, trotz der Enge, die manchmal im Falkenheim herrscht, soll die Börse nicht größer werden, sagt Jens Brinkmann, „die Börse soll ein Szenetreff bleiben und kein Händlertreffen werden.“ An dieser Stelle findet auch der kulturelle Aspekt der Telespiele, wie es früher hieß, seinen Ansatzpunkt.
Gesellschaftliche Relevanz und geschichtliche Bedeutung
Die diesjährige die Börse begleitende Ausstellung „10 Konsolen, die Du wahrscheinlich in Deinem Leben noch nie gespielt hast“ sprach wohl vor allem SammlerInnen an. Es gab den Bandai Playdia zu sehen, die erste Konsole mit standardmäßigem Infrarotcontroller und deren Software zwei Schwerpunkte hatte: Kinder- und Lernspiele sowie Hentais (Zeichentrickpornos). Daneben der misslungene Versuch des Elektronikkonzerns Toshiba, auf dem Spielemarkt Fuß zu fassen.
Die letzten Ausstellungen aber waren eher motivgeschichtlich angelegt: „Feuerwehr im Videospiel“ beispielsweise hieß es auf einer der letzten Börsen. Wer sich heute über die mediale Rezeption eines Themas Gedanken macht, darf das digitale, interaktive Medium nicht vergessen. Ihre privaten Archive und Sammlungen für die Forschung und die Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist Ziel der „Initiative Videospielearchiv“, die ein solches Archiv oder Museum eröffnen will. Ihre sieben Mitglieder sind VeranstalterInnen und HelferInnen der Retrobörsen im Ruhrgebiet. Mit ihrem Fachwissen sowie einer Sammlung an Fachliteratur und natürlich an Spielen und Computern soll mit einem solchen Archiv oder Museum der Bedeutung der Videospiele Rechnung getragen werden. „Videospiele sind der Technologietreiber in einer digitalisierten Welt“, nennt Jens Brinkmann nur einen Aspekt.Darüber hinaus sind und waren Spiele immer Ausdruck und Quelle von Inspiration. Nicht umsonst hat der Deutsche Kulturrat Videospiele 2008 als Kulturgut anerkannt. Inspirierend sind sie zum Beispiel für Low Bit Revolte, einem Wuppertaler Musiker, der am Samstag vor dem Eingang des Falkenheims den BörsenbesucherInnen ein auf dem Gameboy gespieltes Chipmusikkonzert lieferte.
Weil die Räumlichkeiten in Oberhausen dies eher zulassen, hat die dortige Retrobörse auch ein umfangreicheres kulturelles Programm mit Filmvorführungen und Party. In Oberhausen findet auch die nächste Retrobörse im Mai nächsten Jahres statt, die über Kultur hinaus natürlich auch wieder den Kauf von 8- und 16-Bit-Datenträgern erlaubt.
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