Kommentar. Vor 50 Jahren wurde nicht nur Benno Ohnesorg erschossen, sondern auch das Studierendenparlament an der RUB konstituiert. So ist der Rückblick auf „68“ auch ein Gedenktag an die Errungenschaft der organisierten Studierendenschaft.
Was geht die Studierendenschaft von Heute ein Studierender an, den vor 50er Jahren ein Polizist erschoss? Auch wenn die daraus entstehende „68er-Bewegung“ die bestehenden Verhältnisse der Bundesrepublik in Frage stellte, ist das doch aus und vorbei. Kurzum: Stoff für Geschichten und Erinnerungen der Teilnehmenden, die sich anerkennend auf die Schulter klopfen. Doch das Gegenteil ist richtig: Es lohnt sich auch für jetzige Studierende und Studierdenvertreter-
Innen der Ereignisse zu gedenken, um sich klar zu machen, dass die Gesellschaft sich nicht von allein verändert, sondern durch Einspruch und Widerspruch verändert werden muss und, dass die Freiheiten, die sie jetzt als gegeben hinnehmen, nicht vom Himmel gefallen sind.
Unter den Talaren, der Muff von 1.000 Jahren
ProfessorInnen als Eure Magnifizenz (Großartigkeit) ansprechen zu müssen, sie in Talaren über den Campus schreiten zu sehen, was Studierende zu dem Spruch „Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren“ inspirierte; das gibt es heute nicht mehr. Die 68er veränderten auch die Umgangsformen und die Kleidung. Mitstudierende zu Siezen oder im Anzug, Kostüm oder Hosenanzug zur Uni zu gehen; all dies sind Traditionen, mit denen die 68er Schluss gemacht haben. Diese Veränderungen setzten sie auch gegen den Widerstand der Mehrheit der Gesellschaft, die sie entweder als „Zootiere“ (Herbert Wehner) oder „Besoffene“ (Ernst Lemmer) abstempelte durch. Auch das kritische Denken an den Universitäten haben sie durch Teach-Ins und Lesekreise befördert und damit das Wissensmonopol der Lehrenden in Frage gestellt. Die selbstverwaltete Studierendenschaft, etwa in Form des Studierendenparlaments an der RUB, das im Juli 1967 erstmals gewählt wurde, ist eine Errungenschaft dieser Generation.
Einige dieser erkämpften Freiheiten stehen heute zur Disposition, zum Beispiel wenn Wirtschaftsunternehmen durch Drittmittelforschung immer mehr Einfluss an den Universitäten gewinnen, wenn kleine Studiengänge abgewickelt werden oder wenn die FDP die Wiedereinführung von Studiengebühren fordert. Zudem scheint der engstirnige Dogmatismus von Links und Rechts, von IslamistInnen und evangelikalen ChristInnen wieder auf dem Vormarsch, der die Menschen in Schubladen stecken will. Deswegen ist auch im Hier und Jetzt wichtig, Einspruch zu erheben, Nein zu sagen, die Lage kritisch zu betrachten und auf die Straße zu gehen.
Die Freiheit immer wieder neu erstreiten
Heute werden in der Bundesrepublik keine Studierenden mehr erschossen und autokratische HerrscherInnen werden zwar empfangen, aber nicht mehr von der Boulevardpresse in die höchsten Sphären des Himmels hochgejubelt. Studierende, zusammen mit der Frauen- und Homosexuellenbewegung, haben sich Rechte und Freiräume erkämpft. All diese Rechte und Freiheiten fußen auf dem Willen derjenigen, die sich nicht mit dem Ist-Zustand zufriedengeben wollten und kritisch ihre Lebensumstände hinterfragten. Der 2. Juni 1967 und die damaligen Ereignisse gemahnen gegenwärtige Studierende und ihre VertreterInnen an die Fragilität von Freiheit, die nicht geschenkt, sondern erstritten wird.
Gastautor :Jan Freytag
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