Der 14. November wurde von den Vereinten Nationen (UN) als Welt-Diabetes-Tag ausgewählt, um über eine der am häufigsten auftretenden Erkrankungen aufzuklären. Wir haben mit dem Diabetologen Dr. med. Wolfried Meier und der Internistin Dr. med. Kirsten Kampmann des Katholischen Universitätsklinikums der Ruhr-Universität (UK RUB) gesprochen.
:bsz Was bedeutet Diabetes eigentlich?
Dr. Kirsten Kampmann: „Diabetes Mellitus“ bedeutet „Zuckersüßer Durchfluss“. Es handelt sich dabei um eine Erhöhung des Zuckers im Urin. Verursacht wird diese durch einen erhöhten Blutzucker, der durch einen absoluten oder einen relativen Mangel an Insulin beziehungsweise eine Insulinresistenz entstehen kann. Insulin erfüllt die Funktion eines Schlüssels, der die Zellen öffnet, um den benötigten Zucker aufzunehmen.
Wieso ist Diabetes nicht zu vernachlässigen?
Dr. Wolfried Meier: Die Schäden, die im Laufe unbestimmter Zeit auftreten, können erheblich sein, weil sehr viele Organe vom Insulinmangel betroffen sind. Zum Beispiel können Patienten erblinden oder vom diabetischen Fuß betroffen sein. Es kann sogar passieren, dass den Patienten eine Schädigung des Fußes zuerst nicht auffällt.
Dr. K. Kampmann: Die meisten Amputationen, Erblindungen, Dialysen entstehen durch Diabetes. Eine gute Einstellung zögert diese Schäden von beispielsweise Herz, Nieren, Augen und Gefäßen hinaus oder sorgt dafür, dass diese im besten Fall gar nicht auftreten. Diabetes kann allerdings auch zu akuten Komplikationen führen, wie z. B. einer Übersäuerung des Körpers, welche dann lebensbedrohlich sind. Daher muss man den Diabetes behandeln: sowohl in der akuten Situation als auch dauerhaft, um die Schäden zu verhindern.
Gibt es unterschiedliche Arten von Diabetes?
Dr. K. Kampmann: Es werden vier Typen von Diabetes unterschieden: Der Typ-1-Diabetes wird häufig als „jugendlicher Diabetes“ bezeichnet, was so nicht stimmt, da er auch in höheren Lebensjahren auftreten kann. Es ist ein Diabetes, der durch Autoimmunprozesse hervorgerufen wird und gekennzeichnet ist vom vollständigen Insulinmangel. Die Zellen der Bauchspeicheldrüse, die Insulin produzieren, gehen durch diese Autoimmunprozesse zugrunde. Der Auslöser ist im Detail noch nicht bekannt, allerdings gibt es viele Theorien, wodurch diese Reaktion entsteht. Den Typ-2-Diabetes kennt man als „Altersdiabetes“ und auch das stimmt so nicht mehr. Bei dieser Ausprägung handelt es sich um die Kombination eines Insulinmangels und einer Insulinresistenz. Unter diesen Diabetikern gibt es viele mit Übergewicht, allerdings lässt sich von einer Adipositas nicht auf einen Diabetes schließen. In der Summe aller Übergewichtigen sind nur circa zehn Prozent von diesen Diabetiker.
Dr. W. Meier: Der Schuldbegriff ist bei Diabetes völlig falsch. Typ-2-Diabetes ist sehr häufig genetisch bedingt.
Dr. K. Kampmann: Als eine Art Überschrift könnte man den Typ-3 bezeichnen, da er viele Typen zusammenfasst. Diese Bezeichnung wird dann verwendet, wenn zum Beispiel die Bauchspeicheldrüse entfernt werden musste, wenn der Diabetes durch eine Hormonumstellung oder Medikamente verursacht wurde; also diejenigen Arten, die nicht in die anderen Kategorien fallen. Der Diabetes, welcher während einer Schwangerschaft diagnostiziert wird, gilt als Typ-4-Diabetes und verschwindet meist (es gibt Ausnahmen) nach der Geburt. Im Laufe des Lebens tritt dieser häufig wieder als Typ-2 Diabetes auf.
Was können Betroffene wirksam gegen ihre Diabeteserkrankung unternehmen?
Dr. W. Meier: Zum Arzt gehen. Es fängt damit an, dass man den Blutzucker kontrollieren lässt, wenn jemand in der Vorgeschichte der Familie Diabetes hatte.
Dr. K. Kampmann: Auf ausreichend Bewegung und Ernährung achten, sich durchchecken und die Therapie anpassen lassen, damit immer die beste Blutzuckereinstellung erreicht werden kann. Es ist menschlich und verständlich, dass man auch mal keine Lust mehr darauf hat, aber das ist es, was tunlichst vermieden werden sollte. Ein Normalgewicht bietet die bessere Basis und hat viele weitere Vorteile.
Was ist Ihnen persönlich wichtig, wenn es um Diabetes geht?
Dr. W. Meier: Man muss sich in das persönliche Leben eines jeden hineinfinden. Als was jemand arbeitet und was dieser außerhalb der Arbeitszeit macht ist wichtig. Darauf wird die Therapie abgestimmt. Es ist nicht mehr so, dass den Patienten das Leben und die Ernährung vorgegeben werden. Heutzutage richten wir uns mehr nach ihnen.
Vielen Dank für das Gespräch!
:Alexander Schneider
Infobox:
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347 Millionen Menschen weltweit haben Diabetes.
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Die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung von Typ-2 DiabetikerInnen liegt bei 50-90 Prozent, während die von Typ-1-DiabetikerInnen bei 3 bis 5 Prozent liegt.
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Die Insulin produzierenden Zellen werden auch "Langhansschen Inseln" oder "Inselzellen" genannt und der Begriff Insulin bedeutet "von den Inseln kommend".
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Diabetes ist nicht ansteckend