Content Note: In diesem Artikel geht es um Mord. 

Ein Waffenfanatiker, sein Freund und ein Fahrer – wen erklärt das Publikum des Mordes für schuldig? :bsz-Redakteurin levi war am 17.Oktober bei der Veranstaltung „Alexander Stevens & Constantin Schreiber – Angeklagt – Schuldig oder nicht?“ für Euch mittendrin.
Das Publikum schreckt auf – der Angeklagte soll was getan haben? Das Bild, das sich in diesem Moment in meinem Kopf zusammensetzt, sollte mir auch später nicht mehr aus dem Sinn gehen. Mir wird sofort klar: Dieser Mensch ist zu wahrem Grauen fähig. Doch erst mal von Anfang an.

„Guten Abend, meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur Tagesschau.“ So hat Constantin Schreiber das Publikum im Bochumer Ruhr Congress am 17. Oktober nicht begrüßt. Kein Wunder – redet der Tagesschausprecher normalerweise sachlich und unvoreingenommen über Ereignisse aus aller Welt, sollte es heute vor allem um Wertungen gehen. Haben die Angeklagten im Kontext eines wahren Verbrechens besagte Straftat wirklich begangen? Um diese Frage zu beantworten, sind auf der Bühne zwei Rednerpulte gegenüber voneinander aufgestellt. Von hier aus sollen die beiden Gastgeber, beide Juristen, die Verhandlung führen. Dabei geht es um die Meinung Schreibers und seines Gegenredners, dem Anwalt Dr. Alexander Stevens, aber auch um die der Besucher:innen.

Obwohl das Internet ja für uns alle „Neuland“ ist (zwinker zwinker), haben zum Glück über 600 Leute in Echtzeit an den Abstimmungen teilnehmen können. Geschwind mit einem Griff in die Jackentasche war die Smartphone-Kamera geöffnet und der QR-Code an der großen Leinwand abgescannt. Schnurstracks wurde man zu einer Webseite weitergeleitet, über die man sein Urteil wählen konnte. Anschließend wurden die Ergebnisse in Säulendiagrammen veranschaulicht und an die Leinwand gestrahlt. Aber erst mal halblang, an diesem Punkt in der Show sind wir noch gar nicht.

An diesem Abend sollte es um einen Fall gehen, der für seine Klärung durchaus die grauen Zellen beanspruchte.
Folgendes Szenario: Eine Familie wird von der Polizei ermordet aufgefunden, nachdem man in der Nachbarschaft Schüsse vernommen hatte. Die Ermittler:innen finden den Sohn Victor mit einer Kugel im Kopf in seinem Bett auf – mit einer Pistole in der Hand. Als sie auch die Eltern, im Schlafzimmer erschossen, entdecken, sieht alles nach einem erweiterten Suizid aus. Auch auf den Familienhund wurde geschossen. Er sollte der einzige Überlebende dieses Massakers bleiben.
Die Autopsie Victors bestätigt im Anschluss: Es scheint Suizid gewesen zu sein. Der Einschusswinkel im Kopf ist charakteristisch, die Sache scheint klar.
Doch dann kommt alles anders: Ein Freund von Victor, Max, legt aus dem Nichts ein Geständnis ab. Er soll der wahre Täter sein. Und dann zeigt er den Beamt:innen Handyvideos, auf denen er durchs Haus der Opfer, kurz nach deren Ermordung, wie ein triumphierendes Raubtier streift.
Besonders perfide: Zu den Personen im Schlafzimmer sagt der angebliche Täter gelassen: „Schlaft mal schön weiter.“ Dabei ist die eine Person tot, und die andere kämpft offenbar noch um ihr Leben.

Doch es wird noch nervenaufreibender, denn da ist auch noch der Kumpel Samuel, der Max in der Nacht zum Tatort fuhr. War er in die Mordpläne seines Freundes eingeweiht? All das muss nun anhand von Indizien geklärt werden. Und diese prüfen Schreiber und Stevens akribisch mit dem Publikum.

Schreiber schließt von Beginn an einen Suizid aus, und er plädiert auch dafür, dass sich der Fahrer Samuel als Mitwisser mitschuldig gemacht hat. Stevens hingegen argumentiert erst für einen Suizid Victors und verweist auf Max’ starken Wunsch nach Aufmerksamkeit. Das Publikum stimmt zunächst mit ihm überein. Als jedoch alles auf Max als Täter hindeutet, verteidigt er dann auch Samuel, der nichts von einem Mordplan seines Kumpels gewusst haben soll. Besonders spannend: Stevens hat Samuel im echten Leben wirklich vor Gericht verteidigt.

Nach den Abschlussplädoyers und einer Rekapitulation der schwerwiegendsten Indizien entscheidet das Publikum nun zugunsten Schreibers mehrheitlich: Samuel ist mitschuldig, er muss in den mörderischen Planeingeweiht gewesen sein.

Der Abend geht gegen halb elf mit einer Show zu Ende, die nicht einfach sensationell sein will, sondern auch das Denkvermögen der Zuschauenden beansprucht. Die exklusiven Fotos und nachgestellten Videoaufnahmen haben mir das Verbrechen bestmöglich nahebringen können. Noch nie habe ich einen Kriminalfall so sehr glauben können, war er doch eigentlich unfassbar. Besonders spannend: Das Motiv des Täters bleibt unklar. Auch dies lässt meine Gedanken noch lange bei dem Fall bleiben.
Mit Constantin Schreiber und Alexander Stevens als sympathische Gastgeber wurde das Grauen des Falles gerade so erträglich — diese Show war nichts für schwache Nerven.

Deutlich wurde an diesem Abend auch, dass dieselben Indizien von verschiedenen Menschen unterschiedlich interpretiert werden. Zu welchem Urteil ein richtiges Gericht in dem Fall kam, halte ich aus Spannungsgründen für Euch noch geheim.
Wenn Ihr Euch nun selbst eine Meinung zu diesem brutalen Fall bilden wollt, könnt Ihr noch in folgende Städte reisen, um dort selbst aktiv Teil der Show zu werden: https://www.eventim.de/artist/alexander-stevens-constantin-schreiber/?srsltid=AfmBOoqy-ggC1chr1fIk0h_qPN5qL3ejo8beA2o7kAZcuv9EN_spPyHS

:Levinia Holtz