Beton im Sommerlicht

 

Wer sein Studium an der Ruhr-Uni zum Wintersemester begonnen hat (oder besser: beginnen musste), hat den Betonklotz in seiner tristesten Form erlebt. Schnöde Architektur im verregneten Ruhrgebiet – da sind Depressionen zum Studienstart geradezu vorprogrammiert. Bei so viel Tristesse weckt den geistesabwesenden Studi selbst das Klappern der Bodenplatten nicht aus dem Winterschlaf. Aber Moment! Der Sommer ist doch da und entlockt dem Koloss aus Glas und Beton ungeahnte Schönheit. Die partiell noch vorhandenen Grünflächen treten in einen lebendigen Kontrast zum Grau der Gebäude. Das prächtige Farbenfeuerwerk soll gar inspirierend auf die Lernleistungen wirken – betoniertes LSD sozusagen. Doch bei aller Ironie: Die Uni wirkt augrund ihrer Glasfronten bei gutem Wetter gleich viel freundlicher, und noch gibt es einige schöne Grünflächen zu entdecken. Wer der Ruhr-Uni bei gutem Wetter eine Chance geben möchte und nach schönen Orten Ausschau hält, der wird sie auch finden. Das AKAFÖ will uns zudem eine Strandbar auf dem Campus spendieren (siehe Seite 1), um das Verweilen an der Universität zu einem karibischen Erlebnis werden zu lassen.

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Griechisch für Anfänger

In letzter Zeit scheint in den Debatten zur Bildungspolitik der alte Terminus „Humboldt’sches Bildungsideal” seltener aufzutauchen. Das bietet Gelegenheit, den alten Klassiker emotionsfrei näher unter die Lupe zu nehmen, um als der obercoole Checker mit Peil schlechthin auftrumpfen zu können, sollte er wieder einmal Mode werden.

Zunächst darf man den Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt (1767-1835) nicht mit seinem Bruder Alexander (1769-1859) verwechseln. Letzterer war brillanter Naturwissenschaftler mit Hummeln im Hintern, weshalb er mit den neusten Methoden seiner Zeit Südamerika sowie Zentralasien mit einer interdisziplinären Gründlichkeit erforschte, die ihm Weltruhm einbrachte.

Seine historische Rolle spielt Wilhelm während einer sehr kurzen Periode: 16 Monate lang ist er 1809-1810 im Staate Preußen „geheimer Staatsrat und Direktor der Sektion des Kultus und öffentlichen Unterrichts im Ministerium des Innern”. Dass er in dieser Zeit das preußische und damit mittelbar das deutsche Bildungswesen mit atemberaubender Geschwindigkeit grundlegend und auf lange Zeit prägend reformieren kann, hat seine Ursache im Zusammenbruch des alten, konservativen Preußen nach der Herausforderung durch Napoleon, der den Widerstand der Reaktionäre gegen die Stein- und Hardenbergschen Reformen vorübergehend brach.

Wir übersetzen Humboldts Positionen in die heutige Zeit: Er wehrt sich gegen die Vorstellung, Bildung sei (nur) Erwerb von Berufsqualifikationen. Er glaubt, jeder Mensch bräuchte ein Grundgerüst an Kenntnissen zur „Bildung der Gesinnungen und des Charakters”, um eine souverän-selbstbestimmte Persönlichkeit im Gemeinwesen sein zu können. Spezialkenntnisse für einen speziellen Job – das kommt nebenbei und hat im allgemeinen Schulunterricht nichts zu suchen.

Schule (das Gymnasium) hat die Funktion, auf die Universität vorzubereiten, wo der Studierende zunächst allgemeine wissenschaftliche Methodik charakterprägend(!) verinnerlicht, um sich dann – ohne die interdisziplinäre Perspektive aus dem Auge zu verlieren – einem Spezialgebiet zuwenden zu können. Forschung soll betrieben werden sowohl durch Angeleitete (Studierende) wie auch durch Anleitende (ProfessorInnen), die ihre eigenen Forschungsergebnisse lehren, weshalb die Einheit von Forschung und Lehre unverzichtbar ist.

In der Schule setzt Humboldt diese Politik um durch Schaffung des humanistischen Gymnasiums, das er bis ins Detail reglementiert (das Schuljahr ist bspw. seine Erfindung). Musteruniversität wird die 1810 gegründete Universität Berlin (heute: Humboldt-Uni).

Bei der Bestimmung der konkreten Bildungsinhalte ist Humboldt Kind seiner Zeit: als Vertreter der deutschen Klassik – er war eng mit Schiller und Goethe befreundet – glaubt er, im antiken Griechenland habe man die Idealvorstellung des souverän-selbstbestimmten Bürgers realisiert. Das Resultat ist die Fixierung des Gymnasiums auf die Antike, namentlich auf das Altgriechische, weshalb die Vermittlung von Inhalten zum Verständnis der modernen Zeit zu kurz kommt.

Michael Jack

Fortbewegung an 2 Stöcken
„Ich geh jetzt walken!“

Viel Zeit im Wartezimmer, lange Fahrten im Auto mit den Großeltern, ein im Vollrausch abgeschlossener Vertrag mit dem Lesezirkel – es sind Gelegenheiten wie diese, die einen unter Umständen dazu verleiten, einen Blick in eines der zahlreichen Organe des modernen Gesellschaftsterrorismus zu werfen: Frauen- und Männerzeitschriften.

Hat man sich einmal der Faszination dieser Lektüre hingegeben, kommt man nicht umhin, auf den dort immer wieder in den bizarrsten Formen propagierten Gesundheitswahn aufmerksam zu werden. In Männerzeitschriften leitet sich aus diesem Trend eine einfache Formel ab: Je fitter, desto mehr Sex mit möglichst wechselnden, ebenfalls fitten Partnerinnen, je mehr Sex, desto mehr Anerkennung von den männlichen Kollegen am (hoch bezahlten) Arbeitsplatz, je mehr männliche Anerkennung, desto besser.

Ähnlich zentral ist die Rolle von Gesundheit und Fitness in Frauenzeitschriften. Beinahe alle Themen kreisen bei genauerem Hinsehen um den Körper: die neueste Mode (nur tragbar von fitten Frauen), der sexuelle Erfolg (nur fitte Frauen können sich nackig machen, ohne dabei vor Scham gegenüber dem fitten Partner im Erdboden zu versinken) und die richtige Ernährung (um fit und erfolgreich zu bleiben). Der Schlüssel zur heilsbringenden Fitness ist – das liegt nahe – sportliche Ertüchtigung. Weil Sport aber nun mal nicht jederfraus Sache ist, hat sich das westliche Planungsbüro des modernen Gesellschaftsterrors eine Ersatzhandlung ausgedacht, die allgemein als Nordic Walking bekannt ist. Die Ausübung dieser Ersatzhandlung bietet auch völlig unsportlichen Menschen die Gelegenheit, sich als Teil einer fitten und damit auf der ganzen Linie erfolgreichen Gruppe zu fühlen. Gehen kann schließlich fast jeder, und unter dem Synonym „Nordic Walking“ klingt das Ganze gleich richtig sportlich. Nicht zuletzt verdanken wir diesem Trend Sätze wie „Ich gehe jetzt walken“. Aber bitte: professionelle Stöcke, einen atmungsaktiven Trainingsanzug und Spezialschuhe kaufen und einen Kurs belegen! Nordic Walking steckt voller Tücken, und unsachgemäßes Gehen könnte große Schäden anrichten! Wie die meisten gesellschaftsterroristischen Erfindungen hat auch das Walking so einen nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Nutzen, jedenfalls für alle Firmen, die klug genug sind, in irgendeiner Form auf den Fitness-Zug aufzuspringen.

Dass Nordic Walking noch nicht das Ende der Fahnenstange der Phantasiesportarten ist, bewies das renommierte gesellschaftsterroristische Propagandaorgan freundin schon vor einiger Zeit mit einem denkwürdigen Sammelsurium an Fitness-Tipps. Darunter befand sich auch der allerletzte Schrei für trendbewusste Fitness-Jüngerinnen: Das Masai-Walking. Die unschlagbaren Vorteile dieses Trainings werden von der freundin mit ebenso einfachen wie einleuchtenden Worten folgendermaßen erläutert: „Die Mitglieder des afrikanischen Masai-Stammes kennen weder Cellulite noch Rückenprobleme.“ Na, wenn das SO ist! Keine Cellulite, was für ein gesegnetes Volk! Der Grund für diesen unfairen Fitness-Vorteil der Masai ist übrigens laut freundin, dass sie immer barfuß laufen. Weil man das natürlich keiner frisch pedikürten Europäerin zumuten kann, empfiehlt die Zeitschrift ihren Leserinnen den Kauf eines speziellen Schuhs mit „Masai Barfuß Technologie“ (MBT), der das Barfußgehen für nur 200 Euro imitiert. Und das ist doch wirklich kein Preis für echtes Masai-Feeling.

In diesem Zusammenhang sollte man indes auch darauf hinweisen, dass die Einwohner der Sahelzone weder Fettleibigkeit noch Cholesterinprobleme kennen. Liebe freundin, es wird Zeit für die Sahel-Diät! Tausenden von unfitten Frauen könnte so geholfen werden, endlich den sexuellen und beruflichen Erfolg zu erlangen, den sie sich schon so lange wünschen! Beste Freundinnen könnten sich dann im hippen Büro dazu verabreden, gemeinsam das Barfußgehen zu imitieren, um anschließend bei einem kleinen Glas Dreckwasser und zehn Gramm Hirse konsequent an der Optimierung ihrer Fitness und des Frauseins an und für sich zu arbeiten. Gut Sport!
haje

Bulette versus
Eisbärkind

Wie eigentlich alles (zum Beispiel: Essen, Menschen, Politik, Wetter, das Leben im Allgemeinen) war auch das Fernsehen früher viel besser. Schuld am fortschreitenden Verfall des Fernsehens ist nicht zuletzt die stete Zunahme von so genannten Infotainment-Sendungen. Speerspitzen der modernen Wissensgesellschaft, wie beispielsweise das beliebte Format „Galileo“, beweisen uns täglich die geradezu wahnwitzigen Ausdehnungsmöglichkeiten des Themas Nahrung („Wie wird eigentlich Eiersalat gemacht?“) und die redaktionelle Fähigkeit, selbst die unwahrscheinlichsten Anlässe für das Zeigen von entblößten oder zumindest wenig verhüllten weiblichen Brüsten auszuweiden. Untereinander schieben sich die verschiedenen einschlägigen Sendungen die immer gleichen Themen und Berichte zu, um sie unter einem anderen, superlativgeschwängerten Namen zum zehnten Mal zu senden.
Nur das öffentlich-rechtliche Fernsehen entzieht sich dieser medialen Müllverwertung – zum Beispiel, indem hier auf das gute alte Mittel der ausführlichen Live-Berichterstattung zurückgegriffen wird. So widmete die ARD erst kürzlich eine erklecklich lange Zeit im Programm dem ersten Freigang des Eisbärenjungen der Saison („Flocke“) – ein beeindruckendes Zeugnis journalistischen Handwerks. Ein brisantes Experteninterview musste mit heftigem Gestikulieren und einem vor Aufregung etwas verwackelten Schnitt unterbrochen werden, um dem unbedingten Meldungscharakter eines ersten Schwimmversuches des armen Tieres Rechnung zu tragen. Die sich überschlagende Stimme des Reporters und die generelle Aura der Sensation gemahnten an vergangene legendäre ARD-Liveberichte, etwa zum Sturz Saddams oder der letzten Papst-Wahl.
Während wir einerseits erfreut feststellen können, dass die ARD nach wie vor nicht an der Suche nach der größten Bulette und dem besten BH teilnimmt, müssen wir andererseits eingestehen: Die schamlose Ausnutzung der Gefühle von harmoniebedürftigen Rentnerinnen und Rentner mittels immer neuer Tierkinder ist auch nicht besser – nur noch langweiliger.
haje

In der letzten Ausgabe stellten wir Euch auf unserer Themenseite den Konflikt in Tibet und die damit verbundene Diskussion über einen Boykott der Olympischen Spiele in China dar. Während es letzte Woche noch den Anschein hatte, als würde sich die chinesische Regierung nicht von den Protesten beeindrucken lassen, kam es nun zu einem überraschenden Kurswechsel. Nach beharrlichem Drängen des Dalai Lama und zahlreicher westlicher Regierungen, ist Peking schließlich zu Gesprächen mit Vertretern des Dalai Lama bereit.
jk