Bild: Klar strukturiert: Ein Code folgt dem Prinzip der Logik. , Algorithmen: Imense Möglichkeiten oder Anfang vom Ende? Bild: asch

Kommentar. Jede Suche im Netz, jede Statusmeldung bei Facebook wird gespeichert. Diskussionen über Algorithmen, künstliche Intelligenzen und ihre Folgen finden aber nur in Science-Fiction-Foren statt.

Algorithmen bestimmen unser Leben. Welche Suchergebnisse sehen wir bei Google und anderen Suchmaschinen zuerst? Welche Seiten werden uns bei Facebook vorgeschlagen? Künstliche Intelligenzen (KI) und Algorithmen fangen an, unsere Autos zu steuern, tätigen 70 Prozent des Aktienhandels am Finanzmarkt und entscheiden über unsere Kreditwürdigkeit. Im Radio berechnen Algorithmen den idealen Musikmix für müde Menschen morgens und die Feierabendlaune am Abend. In Los Angeles sagt ein Algorithmus veraus, in welchen Bezirken es wahrscheinlich zu einem Verbrechen kommt, damit die Polizei dort stärker patrouilliert.  

Können Nullen und Einsen diskriminieren?

ForscherInnen der Carnegie Mellon University fanden 2015 heraus, dass Googles Werbealgorithmen Frauen Werbung für Jobs mit niedrigeren Gehältern anzeigen als Männern. Anna Lauren Hoffmann ist Forscherin der School of Information der University of California, Berkeley, und sagt, dass Algorithmen per Definition diskriminierend seien, da sie Unterscheidungen aufgrund von Regelsätzen vornehmen. Sie müssen verallgemeinern. Aber nicht nur diskriminierende Algorithmen können in einer Welt, die mehr und mehr durch ebenjene bestimmt wird, zum Problem werden. Schätzungen zufolge werden Algorithmen in den kommenden 10 bis 20 Jahren wohl die Hälfte der heutigen Jobs verdrängen.

Dystopie oder Utopie?

Algorithmen, KI und Deep-Learning-Verfahren werden unsere Art, zu leben, unsere Gesellschaft und unser Bild der Welt verändern. Wir müssen endlich anfangen, darüber zu diskutieren, wie wir in Zukunft leben wollen. Die Entwicklung von KI geht rasant voran und wird nicht stoppen, weil wir nicht darüber nachgedacht haben, wie wir mit den Veränderungen umgehen wollen. Ungefähr alle zwei Jahre hat sich die Rechenleistung von Computerchips verdoppelt. Es ist so, als würden wir wissen, dass in 10 bis 20 Jahren Aliens auf der Erde landen werden, aber niemand darüber spricht, was wir dann tun werden. Die Gesellschaft braucht einen Diskurs.  Eine Studie von 2013 ergab ein Ranking von Berufen, die leicht von Computern übernommen werden können. Mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 Prozent rangieren dort Jobs wie BäckerIn, DachdeckerIn, VerkäuferIn, MetallarbeiterIn oder BuchhalterIn ganz oben. Was tun wir mit den Betroffenen? Wie können wir verhindern, dass Algorithmen Menschen diskriminieren? Wie können wir verhindern, dass verschiedene Realitäten konstruiert werden, die unüberwindbare Differenzen nach sich ziehen? Wie können wir verhindern, dass HackerInnen Algorithmen manipulieren? Wie gehen wir mit KI um, wenn sie ein Bewusstsein entwickelt? Wir müssen endlich anfangen, über unsere Zukunft zu verhandeln und Lösungen zu entwickeln, bevor Probleme auftreten.  Künstliche Intelligenzen, Algorithmen und Deep-Learning-Verfahren haben das Potential, die Menschheit in eine Utopie oder eine Dystopie zu führen. Sie ermöglichen große Chancen, aber bergen auch beträchtliche Risiken. Diese Verantwortung muss die Gesellschaft endlich realisieren und übernehmen, sonst erledigt das der Homo oeconomicus der großen Internetkonzerne. Und deren Entscheidungen gefallen uns vielleicht nicht. 

:Andreas Schneider

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