Allgemein bekannt und ganz sicher wahr ist, dass Lügen unter Kurzbeinigkeit leiden. Der aktuelle Trend geht sogar in Richtung sofortige Durchschaubarkeit, beraubt also die Lüge – blumig formuliert – endgültig ihrer Extremitäten. Das ist nicht zuletzt (oder besser: wo sonst?) bei der Fußball-EM in Österreich und der Schweiz zu beobachten. Hier sehen wir immer wieder Spieler, die erst den Ball ins Aus befördern, um anschließend völlig unbeeindruckt von einer klar gegen sie sprechenden Sachlage wild gestikulierend zu vermitteln, dass sie einen Einwurf für die eigene Mannschaft für richtig hielten – eine äußerst kurzlebige Lüge, die auf die vage Hoffnung des Spielers beruht, mit seiner Unaufrichtigkeit für einen flüchtigen Moment die Öffentlichkeit (hier: den Schiri) zu blenden und somit einen Vorteil zu erringen.

Die Tatsache, dass das Gesagte leicht als Unwahrheit zu identifizieren ist, spielt bei vielen Lügen offenbar keine Rolle. Als Andrea Ypsilanti immer wieder mit ernster Mine versicherte, dass sie in gar keiner Form mit der Linken zusammenarbeiten werde, kannte sie die politische Konstellation in Hessen und wusste, dass sie der Lüge überführt werden würde – und doch hoffte sie, mit ihrer Unaufrichtigkeit für besagten flüchtigen Moment besagte Öffentlichkeit (hier: die WählerInnen) zu blenden und Werweißwas zu gewinnen, die Wahl oder so. Und auch der Münchhausen des 21. Jahrhunderts – kein Geringer als George Dabbeljuh Bush – wusste, dass er als Lügner überführt werden würde, als er mit seinem Massenvernichtungswaffenmärchen eine Fehlentscheidung monströsen Ausmaßes produzierte – aber eben erst später.

Die Alltäglichkeit der Lüge führt zu einer Alltäglichkeit der Lügnerinnen und Lügner. In dieser Atmosphäre leiden vor allem die Qualität der Lügen und die Kreativität ihrer Erfinder. Sind bizarre Lügengebäude (klassisches Doppelleben, schwul-heterosexuelles Doppelleben, menschlich-tierisches Doppelleben, Doktortitel erschwindelt aber täglich im OP) noch irgendwie dazu geeignet, einen gewissen Respekt zu erzeugen, ist die dumpfe Lüge à la „Mit uns wird es keine Erhöhung der Mehrwertsteuer geben“ (SPD) nur langweilig. Wer von vornherein in dem Bewusstsein lügt, ohnehin überführt zu werden, der muss sich eben keine besondere Mühe geben. Insofern spielen Andrea Ypsilanti, Kurt Beck, George Bush und der gestikulierende Fußballer in einer Liga.

haje

 

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