Repression. Der Verband der Studierenden Kurdistans (YXK) will mit einer Kampagne gegen das ausgeweitete Symbolverbot der Bundesregierung vorgehen. Hintergrund des Konflikts ist das im April anstehende Referendum in der Türkei, über das auch in Deutschland lebende TürkInnen abstimmen dürfen.
Die Kameras der Polizei sind an diesem Nachmittag, den 18. März, in Frankfurt auf die rund 30.000 friedlichen TeilnehmerInnen der Demo gerichtet. Der Grund: Unter den vielen Fahnen und Transparenten befinden sich auch verbotene Symbole der PKK oder dieser nahestehender Organisationen wie etwa das Porträt des PKK-Anführers Abdullah Öcalan. Die BeamtInnen fordern die KurdInnen auf, die verbotenen Fahnen einzupacken. Doch die zehntausenden DemonstrantInnen, die dem Protestaufruf unter dem Motto „Nein zur Diktatur – Ja zu Demokratie und Freiheit“ folgten, ignorieren die Aufforderung. Um eine Eskalation zu vermeiden, greift die Polizei nicht ein. Stattdessen machen die Einsatzkräfte Videoaufnahmen und kündigen strafrechtliche Ermittlungen an.
Auch gegen den Verband der Studierenden aus Kurdistan wird direkt vorgegangen. So beschlagnahmte die Polizei während der Newrozfeier am 25. März in Hannover an einem Info-Tisch YXK-Fahnen und nahm die Personalien der Mitglieder auf. „Es wird womöglich ein Strafverfahren wegen des Tragens verbotener Symbole eingeleitet“, befürchtet ein Mitglied von YXK, das namentlich nicht erwähnt werden will, im Gespräch mit der :bsz.
Seit dem 2. März hat die Bundesregierung das seit 1993 geltende Verbot der als Terrororganisation eingestuften kurdischen Arbeiterpartei (PKK) verschärft. Von der Ausweitung des Verbots sind 20 bis 30 kurdische Organisationen betroffen, denen „PKK-Nähe“ vorgeworfen wird. Darunter sind neben den YXK-Fahnen Symbole der Partei der Demokratischen Union (PYD) in Syrien sowie der Volks- und Frauenverteidungseinheiten YPG und YPJ, die in Syrien und Irak den Islamischen Staat bekämpfen und dabei sogar von den USA unterstützt werden.
Zuverlässiger Bündnispartner BRD
Die AKP-Regierung in der Türkei geht seit der Beendigung der Waffenruhe im Sommer 2015 sowohl innen- wie außenpolitisch mit aller Härte gegen die kurdische Befreiungsbewegung vor. Trotz diplomatischer Probleme kann sich Erdoğan dabei auf den wirtschaftlichen wie politischen Bündnispartner Deutschland verlassen. So beliefert die Bundesregierung, die noch im letzten Sommer mit dem „Türkei-Deal“ die Situation vieler Geflüchteter in Europa verschärfte, Ankara nicht nur mit Waffen, sondern geht auch hierzulande juristisch gegen Oppositionelle der nationalistischen AKP-Regierung vor. „Dass Studierenden- und Jugendverbände nun auch kriminalisiert werden, ist höchst beunruhigend“, kritisieren die VertreterInnen der YXK.
Zusammen mit anderen kurdischen Organisationen wollen sie sich nun dagegen wehren: „Wir versuchen, im Namen aller kurdischen Strukturen juristisch dagegen vorzugehen“, heißt es vom Vorstand der Studierenden Kurdistans auf Anfrage der :bsz. „Als YXK haben wir uns überlegt, eine Kampagne zu starten, um gemeinsam medialen Druck gegen diese Entscheidung auszudrücken.“
Besonders beklagen sie auch die Heuchelei der Bundesregierung: „Es ist sehr fragwürdig, dass die Fahnen derer verboten werden, die gegen den IS kämpfen.“ Nun soll es Info-Tische, Podiumsdiskussionen oder Demos gegen die Repression geben. Auch eine Veranstaltung an der RUB sei demnächst in Kooperation mit der Linken Liste (LiLi) geplant.
Polarisierung durch Referendum
Der Grund für den aktuell zunehmenden Konflikt ist auch das von Erdoğan initiierte Referendum für eine Verfassungsreform am 16. April. Der türkische Staatschef strebt damit ein Präsidialsystem an, das ihm massive Machtbefugnisse zusichern würde. Mitabstimmen dürfen auch rund 1,4 Millionen TürkInnen in Deutschland. Doch gerade das sorgt für eine Polarisierung: „Das spaltet die türkische Community. Und das geht bis in die Familien“, heißt es im Gespräch mit YXK, deren Kampagne sich vor allem auch gegen das angestrebte Präsidialsystem richtet.
Kritik an die verschärfte Verbotspraxis von Innenminister de Maizière wird auch in der Politik lauter. „Es ist skandalös, dass die Bundesregierung jetzt auch noch Erdogan bei seinem Krieg gegen die Kurden unterstützt“, sagt die Bochumer Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke Sevim Dağdelen. „Mit dem Kennzeichenverbot gegen die syrisch-kurdische Organisation PYD, die sich dem barbarischen IS entgegenstellt, beweist die Bundesregierung mit ihrer hässlichen Geopolitik eine ungeheuerliche Willfährigkeit gegenüber Erdoğan. Die Bundesregierung ist gefordert, diesen Angriff auf Demokratie und Menschenrechte sofort zu beenden.“
:Benjamin Trilling
YXK: Der Verband der Studierenden aus Kurdistan e. V. (Yekîtiya Xwendekarên Kurdistan) ist der Dachverband der kurdischen StudentInnen in Europa. Ziel des 1991 in Bochum gegründeten Vereins sei der aktive Einsatz für eine demokratische Gesellschaft. Der Schwerpunkt der Vereinsarbeit liegt auf der Sensibilisierung für die Situation der KurdInnen in der Türkei, aber auch für die Kultur und die kurdische Identität. Bis heute sind StudentInnen aus unter anderem Deutschland, Dänemark, Großbritannien und Schweden Teil von YXK.
PKK: Die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê) ist eine kurdische Untergrundorganisation, deren Ziel seit 1984 die Etablierung eines souveränen kurdischen Staates oder eines autonomen Gebietes innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen ist. Militante Mittel wie Anschläge sollen dabei dazu dienen, dieses Ziel durchzubringen. In mehreren Ländern wird die PKK aufgrund dessen als Terrororganisation eingestuft, unter anderem in der EU und den USA.
:lor
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