Was, wenn die ganze Welt Deinen Tod will und Dir keinen Atemzug gönnt? Vor dieser scheinbar ausweglosen Situation steht die Protagonistin Mara im Science-Fiction-Roman „Kernstaub“ von Marie Graßhoff, der auf der Leipziger Buchmesse mit dem Indie-Autor-Preis ausgezeichnet worden ist.
Am Anfang des Romans erscheint das Leben von Hauptfigur Mara ziemlich öde: Im Jahr 2010 lebt die reiche 19-Jährige in einer Villa und fragt sich, warum ihr Nachbar Juan sie hasst. Eine fast heile Welt – wenn Maras Zeitalter nicht nur ein bloßes Abbild des Zeitstroms wäre, das sich von diesem abgespalten hat.
Inzwischen ist die eigentliche Zeitrechnung im Jahr 2638 angekommen, zwei weitere Weltkriege haben den Großteil der Bevölkerung dahingerafft. Die Welt ist mit atomarer Strahlung überzogen. Als Mara beinahe ermordet wird, holt sie in letzter Sekunde ein unbekannter Retter in diese Zukunft. Dort begreift sie, dass alle Seelen seit Milliarden von Zyklen aus Tod und Wiedergeburt versuchen, den Kern der Welt zu erreichen. Doch ihr bleibt als einziger Seele dieses Ziel verwehrt, denn sie ist ein Schmutzpartikel, das den Tod des ganzen Systems verursachen könnte.
Unzählige Lebensgeschichten
Die Autorin schafft in „Kernstaub“ ein komplexes System aus Zeitsphären, in dem sich die LeserInnen erst einmal zurechtfinden müssen, bevor sie verstehen können, wie geschickt sie einzelne Handlungsepisoden aus Maras früheren Leben miteinander verbindet. So zeichnet sie ein vielschichtiges Bild der anfangs noch blassen Hauptfigur.
Maras Kampf um bloße Existenz wirft philosophische Fragen auf: Ist es egoistisch, weiterleben zu wollen, wenn dadurch die ganze Welt vernichtet wird? Durch den bildhaften Schreibstil der Autorin erscheint dieser Kampf umso plastischer. Gelegentlich droht die Handlung unter zu vielen Gedankenspielen ins Stocken zu geraten, an Spannung mangelt es dank zahlreicher Konflikte trotzdem nicht – LeserInnen dürfen sich also auf den nächsten Band der Reihe freuen, der im August erscheinen soll.
:Birthe Kolb
Marie Graßhoff:
„Kernstaub“
Selbstverlag
19,90€ als Taschenbuch/2,99€ als E-Book
824 Seiten
0 comments