Als die StaatsvertreterInnen im Dezember den Pariser Klimavertrag als historische Zäsur feiern, fällt der Ölpreis auf den niedrigsten Stand seit 2009. Fast bezeichnend: Denn ExpertInnen kritisieren die unzureichenden Versprechen in dem gefeierten Vertrag. Wir sprachen mit dem Klimaethiker Klaus Steigleder vom Institut für Philosophie an der RUB.
:bsz Nach dem Pariser Klimavertrag ist das Thema wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden. Was müsste denn jetzt konkret umgesetzt werden?
Klaus Steigleder: Die Hoffnung ist, dass der Prozess nicht einfach abreißt. Es kann vielleicht erreicht werden, dass das Thema jetzt auf der Agenda bleibt. Aber wahrscheinlich müsste man anders vorgehen: Bestimmte Länder müssen sich darauf einigen, den Konsum von Produkten, die unter Ausstoß von CO2 hergestellt werden, zu besteuern. Diese Steuer müsste schrittweise angehoben werden.
Was bisher von den Staaten beschlossen wurde, reicht also nicht?
Notwendig wären Maßnahmen, die wirklich zu Veränderungen führen. Es geht darum, die Grundlagen unserer Wirtschaft – die Energiesysteme zu ändern. Das ist etwas, das sehr viel Zeit braucht, aber diese Zeit wird immer kleiner. Das hängt damit zusammen, dass Kohlendioxid sehr lange in der Atmosphäre verweilt. Deshalb gibt es ein nur begrenztes Budget der kumulativen Menge des Kohlendioxids in der Atmosphäre. Wir wissen nicht, welche Menge welchem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur entspricht.
Was wären dann die Aufgaben der Klimaethik?
Ich sehe eine Hauptaufgabe darin, deutlich zu machen, dass Klimaethik Risikoethik ist. Wir müssen die Frage beantworten, was wir riskieren dürfen – das fängt bei den Klimazielen an, etwa bei dem Zwei-Grad-Ziel. Zwei Grad darf man eigentlich nicht riskieren. Man müsste versuchen, weit darunter zu bleiben.
Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob das zwei-Grad-Ziel überhaupt noch zu schaffen ist; also was zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch möglich ist. Aber trotzdem ist es sehr wichtig, sich klar zu machen, dass dieses Ziel hoch riskant ist. Dies zu sagen und die Gründe dafür zu benennen, ist Aufgabe der Ethik.
Hier gilt es auch die Mainstream-Klimaökonomik zu kritisieren, die aufgrund von Kosten-Nutzen-Analysen, die von normativ problematischen Voraussetzungen ausgehen, die „optimale Erwärmung“ bei drei Grad oder sogar vier Grad sieht.
Aber auch die Klimaethik arbeitet doch an einem Wandel mit…
Ein weiterer Punkt ist, dass die Klimaethik Energieethik sein muss, das heißt, sie muss versuchen, sich an dem Nachdenken zu beteiligen, wie man den Übergang weg von den fossilen Brennstoffen schaffen kann. Viele Klimaethiker neigen dazu, anzunehmen, dass die Mittel – erneuerbare Energien und Energieeffizienz – schon bereitstehen. Man müsse die Mittel nur einsetzen. Aber das unterschätzt die Schwierigkeiten, im globalen Maßstab Energiesysteme zu verändern und Energiesicherheit, Überwindung von Armut und Klimaschutz miteinander zu verbinden. Auch hier gilt es, vielfältige Risiken zu sehen und mit ihnen richtig umzugehen. Es dürfte nicht die eine Lösung geben, sondern nur eine Vielfalt von Lösungswegen.
Aber reicht das aus oder was macht der Klimaethiker, wenn nicht genug getan wird?
Dann gilt es, genau dies deutlich zu machen: dass nichts oder viel zu wenig getan wird. Letztlich muss bei den Bürgern ein Bewusstsein entstehen, dass es nicht so weiter gehen kann, und davon muss ein Druck auf die Politik ausgehen. Aber die Bürger sind sich bislang der Dringlichkeit des Handlungsbedarfs nicht bewusst und fordern die notwendigen Veränderungen nicht ein. Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir uns als Bürger mit solchen Forderungen gegen unseren eigenen „way of life“ richten müssten. Wir können uns nicht einfach gegen irgendwelche anderen Leute richten, die etwas Böses getan haben oder Böses tun, sondern wir sind es selbst, die wir in einer auf fossilen Brennstoffen basierenden Ökonomie – gut – leben.
Wie kann die Ethik Einfluss auf die Politik ausüben?
Man muss Gerechtigkeitsfragen ansprechen. Es gilt zu klären, inwieweit die Industrieländer gefordert sind, tiefgreifende Veränderungen zu erreichen, einen Technologie-Transfer zu ermöglichen, Umrüstungen zu finanzieren. Zugleich gilt es im Blick zu behalten – zum Beispiel wenn wir Energien verteuern – dass das Auswirkungen auf die haben wird, die auf billige Energie angewiesen sind und sich verteuerte Energiequellen gar nicht leisten können. Hier sind Hilfsmaßnahmen dringend erforderlich.
Die Ethik hat die Aufgabe, Notwendigkeiten der Veränderung aufzuzeigen, Probleme zu benennen und bestimmte normative Perspektiven zu entwickeln. Sie muss versuchen, ein Nachdenken anzuregen, wie dies umgesetzt werden kann bzw. wie die Probleme gelöst werden können.
Mir scheint die Lage schon jetzt höchst dramatisch zu sein. Ist nicht auch aus ethischer Sicht ein sofortiges Handeln gefordert?
Ich fürchte, dass es zum Gebot der Stunde gehören könnte, ein Aktivist zu werden. Aber der Begriff des Aktivisten ist natürlich sehr weit und breit. Gut gemeint ist dabei oft nicht gut. Hier sind sehr viele Fragen zu klären. Wir sollten uns bewusst sein, dass es schon jetzt Folgen des Klimawandels gibt und dass bereits viele tausend Menschen ihr Leben oder ihre Existenzgrundlage in Folge des Klimawandels verloren haben. Viele Indikatoren zeigen, dass diese Dinge sich noch dramatisch verschlechtern können und die Lebensgrundlagen sehr vieler Menschen bedroht sind.
Ein besonderes Problem ist, dass gerade in den armen Ländern die Gefahren besonders groß sind und dort keine oder kaum Möglichkeiten bestehen, sich gegen diese Gefahren zu rüsten. Man muss versuchen, den Schaden zu vermeiden, solange das noch geht, und die Zeit dafür wird immer knapper. Wenn wir die Dinge weiter laufen lassen, werden Punkte kommen, wo dann bestimmte Entwicklungen nicht mehr reversibel sind, und das müssen wir vermeiden.
Das Interview führte :Benjamin Trilling
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