Im April diesen Jahres wurde Südafrika erschüttert von den zum Teil tödlichen fremdenfeindlichen Ausschreitungen in der Hafenstadt Durban und in Johannesburg. Mehr als 5.000 der betroffenen MigrantInnen aus ostafrikanischen Ländern flüchteten in sporadisch errichtete Camps oder kehrten verängstigt in ihre Herkunftsländer zurück. Schnell kamen Erinnerungen an die Unruhen in Johannesburg im Jahr 2008 hoch: damals jagten wütende Menschenmassen MigrantInnen durch die Straßen und zündeten sie zum Teil bei lebendigem Leib an – 62 Menschen starben.
In der deutschen Presse war das Medienecho auf die Ereignisse nicht sehr groß. Um so größer war die Entrüstung bei den Nachbarländern Südafrikas: In Zimbabwe riefen DemonstrantInnen zu einem Boykott südafrikanischer Waren auf, der Informationsminister des Landes Jonathan Moyo warnte vor einem „Völkermord“. In Mosambik schloss eine Erdgasanlage, da die Arbeiter nicht mit südafrikanischen Ingenieuren zusammenarbeiten wollten. Dass die Ausschreitungen die Beziehungen zu den Nachbarn Südafrikas negativ beeinflussen werden, wurde schnell klar. Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen?
Migration ist die Realität
Politik und Medien verwiesen stets auf die Verantwortung des Zulu-Königs Goodwill Zwelithini. Der Repräsentant der Bevölkerungsgruppe der Zulu habe MigrantInnen aufgefordert, ihre Koffer zu packen und Südafrika zu verlassen. Doch Dr. Andreas Eckl, Afrikanist und Forschender am Zentrum für Mittelmeerstudien der Ruhr-Universität erklärt, dass die Gründe für die Ausschreitungen tiefer zu suchen sind.
Die Region in Zentralafrika sei in den letzten Jahren zunehmend destabilisiert worden, und dieser Umstand schaffe Fluchtursachen: „Krieg, Hunger, Ausbeutung – die Menschen, die nichts zu verlieren haben, versuchen, ein besseres Leben aufzubauen. Und das versuchen sie natürlich dort, wo bessere wirtschaftliche Strukturen existieren. Für Nordafrika ist das Europa, für das südliche Afrika ist es Südafrika“, erklärt Eckl.
Der Ausbruch der Gewalt im April kam nicht urplötzlich, denn das Potenzial zur Fremdenfeindlichkeit besitzt jede Gesellschaft. Eckl verweist auf die Bedeutung des Nationalismus: „Südafrika besteht, wie viele andere afrikanische Staaten, aus einer Vielzahl von Ethnien. Diese wurden durch den Druck der Apartheid zusammengehalten. Nach der Unabhängigkeit versuchte man die Unterschiede zwischen den Menschen über den Nationalismus zu kaschieren. Nationalismus wirkt sich intern positiv aus, impliziert aber auch, dass eine Abgrenzung nach außen stattfindet.“
Nun gibt es Nationalismus auch in anderen afrikanischen Staaten, jedoch gehen diese anders mit Migration um. „In Namibia hat man angolanische Flüchtlinge in den Staat integriert“, betont Eckl. „In Südafrika könnten es aber die hohen Zahlen an MigrantInnen sein, die sie als Gruppe wahrnehmbar und für Missstände angreifbar machen, die ihren Ursprung eigentlich woanders haben. Das ist überall gleich, die Migranten sind immer die Schwächeren.“
Eckl fordert daher eine Politik, die Migration als Teil der eigenen Gesellschaft akzeptiert und versucht, sie zu steuern und in die richtigen Wege zu leiten. „Migration wird es immer geben, solange die Gründe für Flucht nicht beseitigt werden.“ Und an dieser Stelle kommt unsere Verantwortung ins Spiel: „Es ist nicht mehr ‚Die‘ und ‚Wir‘, es ist eine Frage des Wohlstands in einer globalisierten Welt, und reiche Menschen tragen einen Teil dieser Verantwortung.“
:Gastautorin Irene Allerborn (23)
studiert Kultur und Person an der RUB
:bszinfo: Xenophobie in Südafrika
Der Begriff Xenophobie bedeutet „Fremdenfeindlichkeit“, also eine ablehnende Haltung gegenüber andersartigen Personen. Dazu zählt AusländerInnenfeindlichkeit, aber auch die Ablehnung von Personen anderer Glaubensrichtungen beziehungsweise aus anderen sozialen Schichten. Dabei setzt sich das Wort aus dem griechischen Begriff „xenos“ (Fremder; Gast) und „phobos“ (Angst) zusammen.
Durban als Epizentrum
Im konkreten Fall von Südafrika kam es im April diesen Jahres zu schweren Ausschreitungen, die in der Hafenstadt Durban ihren Ursprung hatten und sich bis nach Johannesburg ausweiteten. Acht Menschen kamen dabei ums Leben. Dabei richtete sich der Hass der Zivilbevölkerung gegen MigrantInnen aus verschiedenen vorwiegend ostafrikanischen Ländern, die ihnen – so lautet der Vorwurf – Arbeitsplätze wegnehmen würden. Geschäfte wurden geplündert und angezündet. Die Ausschreitungen führten dazu, dass die afrikanischen MigrantInnen aus Angst vor der eskalierenden Gewalt das Land verließen und in die benachbarten Länder Zimbabwe und Botswana flüchteten. Um die Gewalt in dem Gebiet zu stoppen, rief Südafrikas Regierung die „Operation Fiela“ (Sesotho: „Ordnung schaffen“) auf – mithilfe des massiven Einsatzes des Militärs. Südafrika hat als multiethnisches Land nach dem Ende der Apartheid mit einer äußerst heterogenen Gesellschaftsstruktur zu kämpfen, die als Ursache für den Fremdenhass gesehen werden könnten.
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