Eine Woche lang waren die Unis der chinesischen Finanzmetropole Hongkong ungewohnt leer: Tausende Studierende blieben dem Lehrbetrieb an 24 Hochschulen aus Protest fern. Gemeinsam mit Lehrenden protestieren sie für etwas, das man in ihrer Stadt nie kannte: freies Wahlrecht. Denn die Direktwahl des Präsidenten, die den BewohnerInnen Hongkongs von der chinesischen Regierung versprochen wurde, ist nur auf dem Papier eine freie Wahl.
2017 sollen die Hongkong-ChinesInnen erstmals ihren eigenen Präsidenten oder ihre eigene Präsidentin wählen können – geht man nach dem Willen der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), hat die Wahl mit einer freien demokratischen Abstimmung aber fast nichts zu tun: Der Bevölkerung Hongkongs sollen einige wenige auserwählte KandidatInnen vorgesetzt werden. Für die protestierenden Studierenden ist klar, dass die KPCh so sicherstellen will, dass der/die zukünftige PräsidentIn Hongkongs in jedem Fall die Interessen der Partei vertritt. Der Auftaktveranstaltung der Protestwoche schlossen sich etwa 13.000 Studierende an.
„Jetzt trauen wir uns endlich!“
Die Hongkonger Polizei reagiert mit Gewalt auf die Studierendenproteste: In der Nacht zum Samstag versuchten etwa hundert RegierungskritikerInnen, das Regierungsgebäude zu besetzen. Bei den darauf folgenden Eskalationen wurden etwa 29 Personen verletzt. Seit Beginn der Proteste am vergangenen Wochenende sollen zudem bereits 78 Personen festgenommen und wegen Gewalt an PolizeibeamtInnen angeklagt worden sein. Normalerweise seien die BewohnerInnen Hongkongs eher zurückhaltend, wird die Studentin Suki Wong, ein Mitglied der Protestbewegung, in einem Artikel der dpa zitiert. „Jetzt trauen wir uns aber endlich, Einfluss zu nehmen.“
Die Hongkong-ChinesInnen sind es gewöhnt, über ihre Regierung nicht frei entscheiden zu können: Das Territorium, auf dem sich die Stadt befindet, wurde bis 1997 von einem aus Großbritannien gesandten Gouverneur regiert. Danach wurde die Stadt an China übergeben – ein Land, in dem die KPCh als einzige zugelassene Partei seit 1949 regiert und in dem Pressezensur an der Tagesordnung ist.
Der Wunsch nach Demokratie – damals wie heute
Auch vor dem Internet macht diese Zensur nicht Halt: Im sozialen Netzwerk „Weibo“, dem wichtigsten seiner Art in China, werden bestimmte Schlagworte automatisch aus Textnachrichten und Suchergebnissen herausgefiltert. Eines davon ist „Tiananmen“, der Platz des Himmlischen Friedens. Auf diesem Platz in Peking wurde im Jahr 1989 eine ebenfalls von Studierenden angeregte Protestbewegung von der Armee blutig niedergeschlagen.
In Hongkong hat man das nicht vergessen. Während die Studierenden dort nun die wichtigsten Hauptverkehrsstraßen, die zum Finanzdistrikt der Metropole führen, besetzen, hat in der Stadt ein Tiananmen-Museum eröffnet. Hier wird dem Massaker von 1989 gedacht – und den demokratischen Idealen der DemonstrantInnen von damals.
:Birthe Kolb
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