Heftige Auseinandersetzungen waren der Landtagsentscheidung um Bochum als Standort für eine zweite technische Hochschule in Westfalen vorausgegangen, deren Name – Ruhr-Universität – sich schon damals abzeichnete. Dann, am 15. September 1961, traf sich ein von der Landesregierung berufener Gründungsausschuss zur konstituierenden Sitzung. Die Geschichte der Ruhr-Universität nahm ihren Lauf – als nach der Freien Uni Berlin zweiter Nachkriegsneugründung in der Bundesrepublik. Und das in Bochum, nicht in Dortmund, wie es ursprünglich zur Debatte stand.
Mitte der 60er Jahre gab es in Nordrhein-Westfalen eine Reihe von Universitätsneugründungen, von denen die Bochumer Uni die erste war. Der Grund: Fachkräftemangel und steigende Studierendenzahlen. Wenig später folgte der Beschluss auch in Dortmund eine Universität – die heutige Technische Hochschule – einzurichten. So war der Friede zwischen den Städten, die als Universitätsstandort in Westfalen konkurrierten, wieder hergestellt. Heute sind rund ein Viertel aller Studierenden der Bundesrepublik in NRW eingeschrieben. An der Ruhr-Uni waren es im Wintersemester 41.456, davon 48 Prozent Frauen und mehr als die Hälfte GeisteswissenschaftlerInnen. Damit zählt die RUB zu den größten der 58 Hochschulen des Landes.
Viele Hoffnungen steckten die Verantwortlichen zum Zeitpunkt der Gründung in Standort und geplantes gemäßigtes Reformkonzept der neuen Universität. Fächerübergreifende Kooperationen in der Wissenschaft sollten Bochum zu einem wissenschaftlich-innovativen Milieu verhelfen; die geschaffenen Studien- und Arbeitsplätze sollten den „Bergbaupöbel“ bilden, emanzipieren und so zusammen mit der etwa zeitgleichen Opelwerk-Eröffnung den Strukturwandel vorantreiben.
… und das Audimax heute (Foto: ck)
Gemeinsame Wissenschaft
Das RUB-Siegel mit dem Brüderpaar Prometheus und Epimetheus aus der griechischen Mythologie, die Natur- bzw. Geisteswissenschaften verkörpern, symbolisiert den Grundanspruch: eine Verbindung von Natur-, Ingenieur- und Geisteswissenschaften sowie den Dialog zwischen den Disziplinen. Die übliche Fakultätsstruktur sollte in Bochum aufgeweicht und fächerübergreifende Abteilungen sollten etabliert werden. Als eine der ersten Hochschulen führte die Ruhr-Uni gedruckte Studienordnungen, ein strukturiertes Grundstudium und die Institution der Studienberatung ein. Auch im Bereich der Administration waren Reformen vorgenommen worden. Vor allem die Stellung des Verwaltungschefs der Hochschule wurde so gestärkt. Berufen wurden vornehmlich junge ProfessorInnen, von denen viele zum ersten Mal einen Lehrstuhl besetzten.
Beton aus der Feldfabrik
Ursprünglich war das über 520 Hektar große Gelände der RUB an den Nordhängen des Ruhrtals für den Bau einer Gartenstadt vorgesehen. Doch hat man es später für ideal befunden, um dort eine „großzügige und moderne“ Universität auf der grünen Wiese hochzuziehen. Einen Ideenwettbewerb zur Gestaltung des Geländes gewannen die Düsseldorfer Architekten Hentrich und Petschnigg. 1962 begannen die Erdarbeiten für die Gebäude der I-Reihe. Beim Blick auf die Baustruktur der RUB kommt als erstes ‚Beton‘ in den Sinn. Das Material galt damals nicht nur als hochmoderner Werkstoff, sondern ermöglichte auch schnelles Bauen. Direkt auf der Baustelle an der Universität wurde eine „Feldfabrik“ errichtet, die Betonplatten am Fließband produzierte, um lange Transportwege zu vermeiden. Bergbauschäden steigerten die Kosten, verzögerten die Pläne allerdings nicht nennenswert. Nach 18 Monaten Bauzeit waren zwei Institutsgebäude, die ersten Wohnheime und eine provisorische Mensa errichtet – am 30. Juni 1965 konnte die Universität eröffnet, im November 1965 der Lehrbetrieb aufgenommen werden. Die Bauarbeiten der Natur- und Geisteswissenschaftsgebäude sowie der Medizin dauerten bis 1969. Der Forumsbereich im Zentrum des Campus mit Bibliothek, Verwaltung, Audimax und Mensa wurde erst 1971 begonnen und am 1. August 1974 fertiggestellt. Aufgrund knapper Landeskassen wurde das Musische Zentrum erst zehn Jahre später eröffnet, auf ein weiteres Hörsaalgebäude sowie das Klinikum und geplante Sportanlagen musste gänzlich verzichtet werden.
Campus stößt an Grenzen
Während die Gründung der Universitätsallianz Metropole Ruhr zwischen Dortmund, Bochum und Essen seit 2007 die Lehr- und Forschungskooperation der beteiligten Unis stärken soll, hat sich der anfängliche Reformanspruch interdisziplinärer Kooperationen innerhalb der RUB nicht durchgesetzt. Zudem fallen durch das Konzept synergetischer Effekte Studienangebote an einzelnen Unis weg – viele Studierende sind gezwungen zwischen den Universitäten zu pendeln. Mit steigenden Studierendenzahlen werden die räumlichen und infrastrukturellen Grenzen jedes Semester aufs Neue ausgelotet, sodass sich universitäre Einrichtungen und Institute seit einigen Jahren vermehrt in Richtung Stadtzentrum verlagern. Zuletzt zog das Psychologische Institut in leerstehende Räume der Stadtbadgalerie, wo auch zwei neue Hörsäle entstanden sind.
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