Bild: Der nietzscheanische Literat mit dem Hammer: Uri Bülbül., :bsz-Rezension – Uri Bülbül: „Der Auftrag“ Foto: Levi Jung

Bitte nicht erschrecken: Nicht etwa ein zorniger Donnergott, sondern der Autor selbst ist es, der mit einem Hammer auf dem Cover prangt und den Eindruck erweckt, als wolle er alles zerschlagen. Doch nicht gegen das Mobiliar seiner im Sommer 2013 in Bochum-Grumme ins Leben gerufenen KulturLaube ist die De(kon)struktionsenergie des Künstlers gerichtet, sondern die „graue Norm“ ist es, gegen die Uri Bülbül wie sein Protagonist Niklas Hardenberg anschreibt. In seinem experimentellen „Spiel für Stimmen“ skizziert der Bochumer Autor eine „Anatomie des Verrats“ – sowohl eines Freundes in dem die äußere Handlung prägenden Beziehungsdrama als auch den Verrat an der Kunst, die eigentlich jedem kreativen Schaffen innewohnt.  

Eines Tages stürmen zwei Polizisten die Hardenbergsche Wohnung und statten ihn mit einem fürstlich entlohnten, nicht näher definierten Auftrag aus: „Wir brauchen Ihre intellektuellen Fähigkeiten.“ Ob sich dieser kafkaeske Besuch jedoch vielleicht nur im Kopf des Protagonisten zuträgt, bleibt zunächst im Dunkeln. Ökonomisch wie künstlerisch stagniert Hardenberg, dessen Lektor sich angeblich nur für sein Werk interessiert, weil seine Frau Katja, die zugleich ein Verhältnis mit einem guten Freund Hardenbergs hat, mit dem Verleger geschlafen hat…

Die Aura der Authentizität

Als Auftakt zu einem „literarischen Hypertextprojekt“ intendiert, arbeitet sich Bülbül in „Der Auftrag“ nicht nur an dramatischen Vorbildern vor allem aus der griechischen Tragödie (Sophokles’ König Ödipus, Ophelia und Antigone) sowie an Shakespeares Hamlet ab, sondern der Text steckt zugleich voller philosophischer Anspielungen, die nicht selten ironisch daherkommen. So lässt der Autor den Schriftsteller und Journalisten Hardenberg, der auf einer klapprigen mechanischen Schreibmaschine seinen Roman „Platon in Ödipus’ Augenhöhlen“ tippt, ständig die „Gedankenkadaver“ des eigenen Schaffensprozesses reflektieren. Philosophische Assoziationsfäden lassen sich vom Platonischen Höhlengleichnis bis zu Walter Benjamins Klassiker „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ spinnen. Zur Debatte gestellt werden die ewigen Fragen künstlerischen Schaffens: Gibt es eine Kunst, die wirklich einmalig, authentisch, echt ist? Ist nicht jede Künstlerin und jeder Künstler vor allem „besessen vom Eifer, Spuren zu hinterlassen“, um sich „(s)einer Existenz zu vergewissern“ oder sich selbst ein Denkmal des über den Tod hinaus wirkenden Nachruhms zu bauen? „Der Auftrag“ jedenfalls hätte es verdient, alsbald als Hörspiel vertont zu werden – und dazu würde sich dieses von der ersten bis zur letzten Seite als zweispaltige ,doppelte Tonspur‘ angelegte „Spiel für Stimmen“ hervorragend eignen.

Uri Bülbül: Der Auftrag. Cover Uri Bülbül / BoD

Uri Bülbül: „Der Auftrag. Anatomie des Verrats. Ein Spiel für Stimmen
BoD, 2013, 100 Seiten, 25,00 Euro

3 comments

  1. Sebastian T.

    Ich bin sprachlos …
    … was für ein unsäglicher Artikel, der ein unsäglich scheinendes Buch bewirbt. Dieser Artikel lässt mich vermuten, dass der Autor (des Artikels) philosophisch bewandert ist: Applaus. Für den, der es nötig hat.

  2. Dr. rer. nat. Harald Wenk

    Am besten wird man für seine tugenden bestraft….(nietzsche)
    während philsoph, künstler, wissensachaftler um wahrheit ringen, genialere um erweiterung des erkenntnisverrmögens, wird „in der praxis“ derartig gelogen, verraten gestohlen, betrogen, das das alles wieder rückgängig gemacht zu werden droht. die intellktuellen sollten „geist genug“ haben, die theorien der 2 welten darauf zurückzführen und auf säuberliche trennung des wahrheitsgeschens von den üblen alltagfsmachenschgaften. im blutigen ernst…

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