Bild: Warum gehen manche Kurdinnen zum Kämpfen in die Berge? Bei der Lesung gab es einige Antworten., Lesung „Widerstand und gelebte Utopien“ Foto: Redaktion

Die PKK ist die Guerillabewegung mit dem höchsten Frauenanteil in ihren Reihen. Warum eigentlich? Und was bewegt diese Frauen? Am Donnerstag stellten zwei Aktivistinnen des Vereins CENÎ in kleiner Runde das im Autorinnenkollektiv entstandene Buch „Widerstand und Gelebte Utopien. Frauenguerilla, Frauenbefreiung und Demokratischer Konföderalismus in Kurdistan“ vor – eine Mischung aus Interviews mit Guerillakämpferinnen und Darstellung der ,Frauenfrage‘ innerhalb der ,KurdInnenfrage‘ aus PKK-naher Sicht.

Den Auftakt der Veranstaltung bildete die Erinnerung an die „gefallenen Freiheits-kämpferinnen“, Sakine Cansız, Gründungsmitglied der PKK, Leyla Söylemez und Fidan Doğan, die am 9. Januar 2013 in Paris auf offener Straße erschossen wurden. Der sich daran anschließende einleitenden knappe Abriss der kurdischen „Frauenbefreiungsbewegung“ wurde damit sozusagen von hinten aufgezäumt und nahezu untrennbar mit dem „bewaffnetem Kampf“ verflochten.

Ob der „bewaffnete Kampf“ ein gerechtfertigtes politisches Mittel darstellt oder nicht, ist seit Jahrzehnten auch in der deutschen Linken ein Streitthema. Inwiefern die Beteiligung von Frauen als besonders emanzipatorisch gewertet oder gar gefeiert werden sollte, wird innerhalb der verschiedenen internationalen feministischen Strömungen ganz unterschiedlich beantwortet. Am Donnerstag war der bewaffnete Kampf fester Bestandteil einer Befreiung als Kurdin und als Frau. Weniger die moralische Frage, das Für und Wider der Sache, sondern in erster Linie die Frauen selbst sollten hier zu Wort kommen – was bereits die Konzeption des Buches nahelegt, das hauptsächlich aus Interviews besteht.

Freiheit als Kurdin –Freiheit als Frau

Die Entscheidung sich dem Guerilla-Kampf anzuschließen, der „Gang in die Berge“, präsentierte sich am Donnerstag als eine Befreiung aus der Mehrfachunterdrückung als Kurdin und als Frau, aus der ineinander verflochtene Abhängigkeiten entstehen: Viele Kurdinnen werden in traditionell-patriarchale Verhältnisse geboren und sind zudem staatlichen Repressionen ausgesetzt. „In den Bergen“, in denen eigene Camps zur Verfügung stehen, könnten die Frauen jedoch selbstbestimmt leben, wie am Donnerstag herausgestellt wurde.

„Guerilla sein bedeutet, ein kommunales, kollektives Leben aufzubauen und die Prinzipien der Freiheitsideologie im Leben und im Kampf umzusetzen“, heißt eine Kapitelüberschrift im Buch. Diese Ideologie beinhaltete und beinhaltet, wie betont wurde, auch wesentlich die Geschlechterfrage, denn „ihr [PKK-] Kampfverband die nationale Befreiung mit der Befreiung von Klassenherrschaft und mit der Frauenbefreiung“. Diese Freiheit soll u. a. durch Bildung erreicht werden. Sie soll es den Frauen ermöglichen, sich die Deutungshoheit über sich selbst zurückzuerobern. In den Frauenakademien lernen und lernten viele Frauen erstmals Lesen und Schreiben und so die Fähigkeit, ihre eigene Geschichte zu erzählen, sie selbst zu schreiben und sie nicht zugeschrieben zu bekommen, wie betont wurde.

Alle Fragen geklärt?

Reichte dieser Abend, um die Geschlechterfrage innerhalb der „KurdInnenfrage“ zu beantworten? Lange nicht. Dafür ist das Thema viel zu komplex. Es war ein Abend, der eigene Heldinnen feierte und sich dabei nicht von Problematisierungen stören lassen wollte, dafür aber ein lebendiges Bild der entschlossenen Kämpferinnen vorstellte.

 

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Kurdistan ist kein existierender Staat, sondern ein politisch aufgeladener Begriff. Er bezeichnet ein nicht exakt eingrenzbares Bergland-Gebiet (im Osten der Türkei, im Nordwesten des Irans, im Norden des Iraks sowie im nordöstlichen Syrien), in dem Schätzungen zufolge 30 Mio. KurdInnen leben, gut die Hälfte davon in der Türkei, die damit knapp 20 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmachen. In ihrer Geschichte hatten KurdInnen nie einen eigenen Staat und stellen damit weltweit die größte staatenlose Minorität dar, die zudem massiv von Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen betroffen ist. Von den angrenzenden Staaten wird der Begriff Kurdistan häufig vermieden, von kurdischen NationalistInnen hingegen zumeist als implementierte Forderung verwendet.

CENÎ, das Kurdische Frauenbüro für Frieden e.V., wurde 1999 von in Europa lebenden kurdischen und türkischen Frauen gegründet. Sie setzen sich unter anderem für die lückenlose Aufklärung der am 9. Januar 2013 begangenen Morde an Aktivistinnen und die Freilassung von Abdullah Öcalan ein, der seit 1999 inhaftiert ist.

Die ursprünglich maoistisch-kommunistisch ausgerichtete Kurdische ArbeiterInnenpartei PKK (Partîya Karkerên Kurdistan) wurde 1978 u. a. von Abdullah Öcalan gegründet, um für die Selbstbestimmung und Demokratisierung von KurdInnen zu kämpfen. In der EU, den USA und weiteren Staaten ist sie als terroristische Organisation eingestuft und verboten.
 

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