Es richtet sich an Menschen, die den Halt an ihrer Heimat verloren haben. Es ist gemacht für Verlorene, die in ihrem Zuhause kein Zuhause mehr erkennen können. Ins Leben gerufen für Gebrochene, die noch mal ganz von vorne anfangen wollen – ein neues Leben, eine neue Heimat, eine neue Familie, eine neue Kultur, ein neuer Kontinent: Adopted, ein Projekt für erwachsene EuropäerInnen, die eine Adoptivfamilie in Afrika suchen.
Letzte Woche zeigte Arte die gleichnamige Dokumentation zum Projekt. In der Dokumentation von den Filmemachern Gudrun F. Widlok und Rouven Rech werden drei verschiedene Adoptiv-„Kinder“ begleitet, die sich dafür entschieden haben, ihr altes Leben hinter sich zu lassen, um ein neues in einer afrikanischen Adoptivfamilie in Ghana zu verbringen. Was erhoffen sich die Adoptivkinder von ihrem Neuanfang?
Schauspieler Ludger freut sich, zum ersten Mal in seinem Leben in einer richtigen Großfamilie leben zu können. Gisela, eine 70-jährige Rentnerin und Witwe aus Meetzen, erwartet, dass sie endlich wieder als echtes Familienmitglied behandelt wird, nachdem sie in ihrer Rolle als Mutter an Wichtigkeit verloren hat. Sie möchte zu Menschen gehen, die arm sind, aber trotzdem strahlen können. Von diesen Menschen will sie lernen. Sie will das einfache Glück finden.
Thelma – eine Studentin, die in Berlin lebt und ursprünglich aus Island kommt – geht hinaus in die Welt, um „Leute zu treffen, die dieselbe Einstellung zum Leben haben“. Thelma fasziniert es, dass die Menschen überall gleich seien: Überall fließe das Blut mit 37°C durch die Adern.
Fremdwort „Fremder“
Die Empfänge könnten warmherziger nicht ausfallen. Ohne Zurückhaltung fallen sich Adoptiveltern und -kinder in die Arme – der Begriff „Fremder“ scheint ein Fremdwort zu sein. Natürlich müssen sich die Adoptivkinder noch an ein paar Unterschiede zu ihrer Herkunft gewöhnen und sich unbekannte Fertigkeiten aneignen, zum Beispiel wie man Wasser aus einer Tüte trinkt, einen Kiosk führt, wie man Teig stampft oder wie man angerichtetes Essen vor dem Verzehr segnet. Doch abseits des Materialismus und des Zeitdrucks ersetzt ein neues Heimatgefühl schnell das anfängliche Heimweh.
Doch für Thelma und Gisela heißt es dann doch Abschied nehmen. Für Thelma ist es zu schwierig zu akzeptieren, dass sie und ihre Adoptivfamilie unterschiedliche Weltanschauungen haben. War sie doch davon ausgegangen, dass die Menschen überall gleich seien, stößt sie jetzt auf Menschen, die zum Beispiel nicht, wie sie selbst, an die Evolution glauben. Vielleicht hatte sie nicht das Glück ihre persönliche Fortune genau in Ghana zu finden: ihre Reise ist noch nicht zu Ende. Sie möchte noch mehr entdecken. Vielleicht hätten sich die beiden Adoptivkinder aber auch einfach nur mehr auf die Kultur und die Familie einlassen sollen, so wie ihre Adoptivfamilie es vorbildlich getan hat. Wie sehr diese ihr „Kind“ bereits ins Herz geschlossen hatten, kann man ihnen beim Abschied in den Augen ablesen. Als würde eine leibliche Tochter, Schwester, Mutter oder Großmutter sie verlassen.
Endstation?
„Ich bin schockiert, wenn ich Fotos sehe und ich bin der einzige Weiße. Dass ich wirklich so anders aussehe, das verblüfft mich, denn ich fühle mich jetzt nicht so anders. Einfach eingetaucht und nicht wieder aufgetaucht“, beschreibt Ludger sein Heimatgefühl. Er hat sein Zuhause gefunden. Er hat jetzt seinen eigenen kleinen Laden, in dem er Wasser in Tüten verkauft – und er ist stolz darauf und zufrieden darüber, dass er seinen Platz gefunden hat.
„Adopted“ ist eine herzerwärmende Dokumentation, die beweist, dass Menschlichkeit auch etwas Positives bedeuten kann. Das Projekt mit seinen offenherzigen Menschen erweckt Gänsehaut, Hoffnung und Mut. Insbesondere die zahlreichen Szenen, in denen im Einklang miteinander gelacht wird, reißen den/die ZuschauerIn mit. Manchmal muss man alles hinter sich lassen, um endlich das zu finden, wonach man sein ganzes Leben gesucht hat… Glück.
Ihr könnt Euch die
Dokumentation anschauen unter:
http://tinyurl.com/adopted-arte
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