„Bundeswehr – raus aus der Uni“, hallten die Sprechchöre von rund 40 Protestierenden am 11. Juni durch den Mensa-Seminarraum 2 an der RUB. Trillerpfeifen kreischten, „Krieg beginnt hier“, stand auf einem großen Transparent, das die AktivistInnen genau dort hochhielten, wo zu dieser Stunde ein Referent der Bundeswehr stehen sollte. Im Rahmen der Firmenkontaktmesse der studentischen Initiative Bonding, auf der die Bundeswehr im Audimax auch mit einem Stand vertreten war, sollte für die „zivile Karriere“ beim Bund geworben werden. Angesichts der lautstarken antimilitaristischen Präsenz musste der Vortrag ausfallen. Der vom Protestplenum initiierte Aufruf zur Verhinderungsaktion hat die Debatte um Militärpräsenz an Universitäten neu entfacht.
Etwa zehn Studierende interessierten sich tatsächlich für den Vortrag bzw. das Arbeitsangebot des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Von den zukünftig 9.600 MitarbeiterInnen werden, so die Institution, etwa 1.400 SoldatInnen sein.
Antidemokratischer Protest?
Aktuell suche die Behörde qualifizierte IngenieurInnen, sagte Bonding-Mitglied Fabian Guggolz aus Stuttgart. Er kann den Tumult im Vortragssaal nicht nachvollziehen und ärgert sich über das Verhalten der DemonstrantInnen. „Die Bundeswehr ist Deutschlands drittgrößter Arbeitgeber und stellt pro Jahr im zivilen Bereich etwa 400 Ingenieure ein“, erklärte er. Deswegen sei sie zur Bonding-Messe eingeladen worden. Kritisch meldete sich im Vorfeld des Protests auch die Liste der Naturwissenschaftler und Ingenieure (NAWI) zu Wort. Mit Fokus auf die Interessen ihrer StammwählerInnengruppe attestierte die Liste dem Protestaufruf repressive, antidemokratische Tendenzen: „Jeder Studierende sollte ein Demokratieverständnis und die Intelligenz besitzen, sich seine eigene Meinung über die Bundeswehr und ihre Kontroversen auslösenden Einsätze und Aufgaben zu bilden und sich zu informieren, ohne dies von irgendeiner Seite aufgezwängt zu bekommen. Die Ankündigung, eine staatliche Institution ‚verhindern’ zu wollen, ist in unseren Augen antidemokratisch […]. Kritik an jeglicher Institution sollte gerade an einem Ort wie einer Universität diskursiv geführt und nicht repressiv unterdrückend gestaltet werden“, heißt es auf nawi-bochum.de.
Bundeswehr kein normaler Arbeitgeber
Das Protestplenum und die Demonstrantin Steffie Streik (Pseudonym) beharren trotzdem auf der Notwendigkeit, „auch mit Mitteln des zivilen Ungehorsams“ die Bundeswehr an Universitäten in ihre Schranken zu Weisen. In einer offiziellen Stellungnahme verurteilt der heterogene Zusammenschluss von AktivistInnen noch einmal scharf, dass solche ‚Werbeauftritte‘ „Krieg und Militär als etwas ‚Normales’ [darstellen]“. „Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie jeder andere“, heißt es dort weiter. „Ein Vortrag, in dem Studierende für eine sogenannte ‚zivile Karriere’ geködert werden sollen, ist eine bewusste Täuschung.“ In der Tat habe man es in den entsprechenden Ingenieurspositionen beim BAAINBw mit der Entwicklung, Wartung und Reparatur von Kriegstechnologie zu tun, so auch Fabian Guggolz.
Kein Militarismus an Hochschulen!
Arbeiten bei der Bundeswehr – geht also nicht ohne zumindest passiv den militärischen Bereich zu forcieren. Bleibt die Frage, ob es für diese recht simple Erkenntnis einen Vordenker braucht – oder ob nicht jedeR Studierende nicht nur selber darüber nachdenken kann, warum eine Militärkarriere problematisch ist, sondern auch selbst entscheiden sollte, in wessen Dienste er/sie sich nach seinem Universitätsabschluss stellt. Das Protestplenum plädiert in seiner Stellungnahme für „reflektierte Forschung und Bildung“ als „Grundsätze der RUB“. Verträgt sich das mit ihrem Konfrontationskurs? Steffie Streik macht gegenüber der :bsz deutlich, dass es ihr und den Protestierenden um einen Grundsatz geht, von dem sie andere überzeugen möchten: „Die Bundeswehr hat an der Uni nichts verloren!“, lautet ihr Credo. Repressiv sei es, die Militarisierung im Inneren und Äußeren voranzutreiben, Kriege zu führen, nicht aber gegen diese zu protestieren.
Zivilklausel muss her
An einigen Universitäten ist man darum bemüht, ähnliches Gedankengut direkt in die Hochschulverfassung aufzunehmen. Vorreiter in NRW ist die Universität Köln, wo im Dezember 2010 bei einer studentischen Urabstimmung fast mit 2/3-Mehrheit eine Zivilklausel auf den Weg gebracht wurde, die Rüstungsforschung und Kooperationen mit der Bundeswehr zumindest einschränken oder sogar dauerhaft verhindern soll. Aktuell wird dort diskutiert, ob diese Klausel nicht in abgeschwächer Form in die Hochschulverfassung aufgenommen werden sollte. In Bochum sind die Bestrebungen zur Einführung einer Zivilklausel ins Stocken geraten. Zuletzt hat der 2012 abgelöste links-grün-alternative AStA zusammen mit dem Friedensplenum und dem Protestplenum an einer Verankerung des Pazifismus in der Hochschulsatzung gearbeitet – ohne Erfolg.
Im derzeitigen AStA könnte infolge der jüngsten Ereignisse die Zivilklausel wieder Thema werden. Trotz der Haltung dieser beiden AStA-Listen erschien am Tag vor dem Bundeswehrvortrag auf der Homepage des AStA ein Aufruf zur Unterstützung des Boykotts, was zu einiger Verwirrung über die Positionierung des Allgemeinen Studierenden Ausschusses und seiner Listen führte. Dieser ist aber nicht durch den gesamten AStA entstanden, sondern „durch das Referat für Hochschulpolitik, welches eine gewisse Autonomie besitzt“, klärt Sebastian Marquardt, Öffentlichkeitsreferent, auf. Sämtliche AStA-tragenden Listen sind dort jedoch mit einem/-r ReferentIn vertreten und konnten sich somit an der Entscheidungsfindung beteiligen. Die Veröffentlichung der Boykottunterstützung jedoch hat die Stellungnahme der NAWI überhaupt erst notwendig gemacht.
Neben der NAWI hält auch ihr Pendant aus der G-Reihe nichts vom Boykott des Vortrags: Die GEWI setze sich „aus Menschen mit voneinander abweichenden persönlichen Meinungen zusammen, welche zu einer bereichernden, oft auch – wie beim Thema Bundeswehr am Campus – kontroversen internen Diskussionskultur führen“, erklärt Matthias Brüggemann (GEWI) der :bsz. Vielleicht führt eine Debatte auf dem Campus doch dazu, dass sich die Vertretung der Studierendenschaft noch einmal Gedanken um eine Zivilklausel macht.
Die Ereignisse haben jedenfalls gezeigt, dass durchaus Diskussionsbedarf zum Thema besteht. Dies sieht auch die – knapp nach der NAWI – zweitstärkste AStA-tragende Liste so: „Als Juso-Hochschulgruppe Bochum sind wir der Meinung, dass es derartige Werbeauftritte der Streitkräfte auf dem Campus vorerst nicht mehr geben sollte, da die Ruhr-Universität eine friedliche Bildungseinrichtung darstellt, welche gegenüber Institutionen wie der Bundeswehr unabhängig bleiben muss und dies auch durch ein klares ‚Nein zu Werbung der Bundeswehr auf dem RUB-Campus‘ zum Ausdruck bringen sollte.“ Im Rahmen einer politischen Bildungsveranstaltung des AStA im Wintersemester wollen die Jusos auch „das Thema ‚Zivilklausel‘ wieder stärker in die Diskussion an der RUB“ einbringen.
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