Fünf Tage nach dem diesjährigen verregneten 40. Jubiläum des „Sommerfestes“ waren der Rausch ausgeschlafen und die leeren Bierflaschen weggeräumt. Die Redaktion erreichte eine E-Mail von „Marie Müller“ mit der Betreffzeile „Zwischenfälle auf dem Sommerfest der RUB“.
„Marie Müller“, wie sich die Frau zum Selbstschutz nennt, hat guten Grund, um laut und empört an die Öffentlichkeit zu gehen, denn beim Konzert von Shantel & Bucovina Club Orkestar „[…] wurde [sie] angefasst. Sexuell, von Fremden und ohne [ihr] Einverständnis.“ In ihrer E-Mail beschreibt sie: „Es war laut. Niemand hat mir zugehört und niemand war interessiert genug die Täter davon abzuhalten mir zwischen die Beine zu fassen. […] Für diejenigen Jungen und Männer, die sich körperlich an mir und meiner Kommilitonin vergangen haben, ist es unmöglich, die Schuld von sich zu weisen. Und doch hat gerade die Anonymität, die das umgebende Publikum ihnen gewährte diese Sexualtäter vor Strafmaßnahmen bewahrt. Wie sonst war es möglich, dass mitten in der Menschenmenge sich ein Mann direkt hinter dem Rücken meiner Kommilitonin freimachen konnte und masturbieren hat? Mitten im Publikum konnte er UNGEHINDERT ejakulieren!“
Im Schutz der Masse
Festivitäten in der Größenordnung des RUB Sommerfestes bergen leider immer auch die Gefahr in sich, dass die Menschenmenge ausgenutzt wird, um sich im Schutz der Anonymität (sexualisiert) übergriffig zu verhalten. Denn wer kann bei Hunderten von Menschen schon sagen, wessen Hand das auf dem Hintern war? Dafür braucht es freilich keine riesige Menschenmenge, ein Straßenfest oder eine volle U35 reichen völlig. Kaum ein Festival kommt ohne die Meldung über Vorfälle sexualisierte Gewalt aus, die aber so gut wie nie in den Medien thematisiert werden. Zu wirkungsmächtig ist da die Vorstellung der (Eigen-)Verantwortung, die man zu tragen hat, wenn man sich in eine „Gefahrensituation“ begibt. Nach dem Motto: Selbst schuld, was hat sie auch so spät noch auf der Straße verloren? Auch das Münchner Oktoberfest sorgt jedes Jahr aufs neue für traurige Schlagzeilen. Allein zehn Vergewaltigungen werden im Durchschnitt gemeldet, die Dunkelziffer wird auf 200 geschätzt. Deshalb gibt es dort seit sechs Jahren die Initiative „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“ (,und Männer‘ sollte man vielleicht hinzufügen), eine Initiative von verschiedenen Organisationen aus dem Bereich der Frauen- und Mädchenarbeit. Vor Ort kümmern sich Fachkräfte, ehrenamtliche MitarbeiterInnen sowie eigens geschulte Securityleute um die Betroffenen.
Handlungsbedarf
München geht so mit gutem Beispiel voran, denn gerade weil es sich hierbei um ein bekanntes Problem handelt, muss oder eher müsste es von Seiten der OrganisiatorInnen mitgedacht und entsprechende Lösungen sollten erarbeitet werden, was beim Unifest klar nicht der Fall war, denn wie Müller schreibt: „Es war für mich keine offensichtliche Stelle zu erkennen an ich mich hätte wenden können!“ Aber es hat nicht nur die offizielle Seite versagt, sondern jedeR einzelne, der/die nicht eingegriffen und nichts unternommen hat, um den Frauen zu helfen. So ist Müllers Anliegen auch gar nicht, die offizielle Seite zur Rechenschaft zu ziehen, sondern: „Maßlose Empörung rief bei mir vor allem eines hervor: öffentliche Belästigung… und niemand hat mich beschützt!“ Kein stolzer Tag für die RUB. ZeugInnen können sich gerne bei der :bsz oder der Gleichstellungsstelle melden.
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Widerlich ist zum einen, dass
Widerlich ist zum einen, dass jmd seinen krankhaften Trieb ungehindert ausleben konnte. Aber noch viel widerlicher ist die Ignoranz der Anderen, als ob es sie nichts anginge. Genau dieses flaue, unangenehme Gefühl im Magen, dass man hat, wenn man so etwas sieht, sollte einem zu denken geben, denn es sagt: Das ist nicht richtig! Feige, widerlich und abstoßend; die Wegsehenden noch viel mehr als der Täter. Und wenn in 10 Jahren so etwas euren Kindern passiert, dann schreit ihr am lautesten!