Die beschauliche Kleinstadt Dawson Creek liegt im Nordosten von British Columbia in Kanada, am östlichen Rand der Rocky Mountains. Ungefähr 16.000 Menschen leben in dem Ort, der 1879 nach dem englischen Landvermesser George M. Dawson und einem Bach (engl. creek) benannt wurde. Mit der erfolgreichen Jugendserie Dawson’s Creek aus den späten Neunzigern hat das Örtchen nichts gemein. Hier geht es nicht um Beziehungsdramen oder vergleichbare Dilemmata. Ein anderes Übel hat den Ort fest in seiner Hand: Tagtäglich donnern bis zu zweihundert Sattelschlepper durch das Städtchen. Ihre Fracht? Bauteile, Chemikalien und vielerlei Zeugs, das man zum „Fracken“ braucht. Wie vielerorts in den Vereinigten Staaten und Kanada wird auch in Dawson Creek fleißig nach Gas gebohrt – und das auf Kosten von Mensch und Natur.
Fracking (engl. Hydraulic Fracturing) wird die ‚neue‘ Technologie genannt, mit der man Erdöl und vor allem Erdgas aus besonders tiefen Schieferschichten fördern kann. Dies geschieht mittels „hydraulischer Frakturierung“ oder auch „hydraulischer Stimulation“. Um an die ertragreichen Schichten zu gelangen, wird ein äußerst tiefes Loch gebohrt. Nach Angaben des Unternehmens und Energie-Wirtschafters Exxon Mobile kann so ein Loch schon mal bis zu 2.500 oder auch 3.000 Meter tief werden. Ist die „Zielgesteinsschicht“ erreicht, wird der Bohrvorgang in horizontaler Richtung fortgesetzt. Zum Schutze der trinkwasserführenden Schichten, so Exxon Mobile, werden dann mehrere Lagen einzementierter Stahlrohre eingebracht, bevor eine „Perforationskanone“ hinunter in das Bohrloch geleitet wird. Hat diese ihr Ziel erreicht, beginnt sie mit der Perforation der Zielgesteinsschicht (der horizontalen Frakturierung). Abschließend sorgen sogenannte „Hydraulic-Fracturing-Flüssigkeiten“, die unter hohem Druck in das Bohrloch gepumpt werden und aus Wasser, Sand und ‚chemischen Zusatzstoffen‘ bestehen (können), dafür, dass kleine Risse im Gestein entstehen, durch die das Gas dann ausströmen kann. Damit ist der eigentliche Bohrvorgang abgeschlossen und es kann fleißig geerntet und verdient werden.
Geht das auch in NRW?
Mit dieser Frage im Gepäck reiste die nordrheinwestfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) vor zwei Wochen nach Kanada. In Dawson Creek wollte sie feststellen, ob man „Fracking“ auch in Nordrhein-Westfalen praktizieren könne – schließlich bietet die Gasförderung saftige Erträge und Chancen für neue Arbeitsplätze in NRW. Vor Ort musste sie jedoch rasch feststellen, dass „Fracking“ überhaupt nicht so ‚cool‘ ist, wie es die Energie-WirtschafterInnen immer wieder verkaufen. Um richtig „Fracken“ zu können, müssen nämlich viele Löcher gebohrt und neue Straßen und Pipelines angelegt werden. Das ist mit viel Krach und erheblichen Eingriffen in die Natur und Umwelt verbunden. Ganze Landstriche müssen abgeholzt, planiert und betoniert werden, um den Ansprüchen der modernen Förderanlagen gerecht zu werden.
Überträgt man diese technischen Notwendigkeiten auf die BRD, zeichnet sich ab, dass es erhebliche Hürden gibt, die das „Fracking“ in Deutschland/NRW zu einem komplizierten und aufwendigen Unterfangen werden lassen. Nebst der immensen Kosten und der zeitaufwendigen Genehmigungsverfahren ist Deutschland dicht besiedelt. Auf einem Quadratkilometer leben durchschnittlich 10 Menschen. Eine „Fracking-Anlage“ mitten im Ruhrgebiet? Ziemlich undenkbar!
Zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangte auch Hannelore Kraft, nachdem sie die Förderanlage in Dawson Creek besichtigt hatte. Der WAZ sagte sie, dass sie sich nicht vorstellen könnte, dass tagtäglich hunderte Laster durch das Münsterland rollten. Auch die massiven Eingriffe in die nordrheinwestfälische Natur, die für das „Fracking“ erforderlich seien, wären nur schwer vorstellbar. Schließlich gebe es ja die „Umweltleute“, die sich dann an die zu fällenden Bäume ketten würden.
Skurril? Wasser, das brennt!
Glaubt man den Energie-WirtschafterInnen ist „Fracking“ per se eine tolle Sache. Man reduziert Abhängigkeiten auf dem Energiemarkt, schafft Arbeitsplätze und kann auch noch Geld verdienen. Risiken scheint es nicht oder nur kaum zu geben oder sie werden in Kauf genommen. Da kann es auch mal passieren, dass im Trinkwasser gelöstes Erdgas den ein oder anderen häuslichen Wasserhahn an der amerikanischen Ostküste in einen todbringenden Flammenwerfer verwandelt. Abhilfe schaffen wöchentliche Wasserlieferungen an die betroffenen Haushalte – auf Kosten der Energie-WirtschafterInnen.
Vorerst kein „Fracking“
Das „Fracking-Gutachten“ der NRW-Landesregierung vom September 2012 sieht „Fracking“ ebenfalls kritisch. Von „erheblichen Wissens- und Informationsdefiziten“ ist dort die Rede. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Haltung zu Gunsten von LobbyistInnen und Wirtschaft nicht ändert. Zumindest scheint es reichlich Gegenwind zu geben. Nicht nur in der SPD und bei den Grünen ist man skeptisch – auch viele Abgeordnete der CDU sprechen sich mittlerweile für ein „Fracking-Verbot“ aus. Nach Protesten von BierbrauerInnen und Unternehmen hat sich auch die Bundeskanzlerin zugunsten der Wasserqualität gegen das „Fracking“ ausgesprochen.
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