Bild: Für die Buchlektüre wird ein chilliges Plätzchen empfohlen... , Uschmann-Expedition ins Feierland Foto: Heyne Verlag

Der Autor der „Hartmut und ich“-Romane hat einen neuen Survival-Guide auf den Buchmarkt geworfen: „Überleben auf Partys – Expeditionen ins Feierland“ lautet der Titel des neusten Buchprodukts des RUB-Absolventen und Schreibworkshop-Dozenten Oliver Uschmann, dessen Frau Sylvia Witt – anders als beim ersten literarischen Ratgeberband „Überleben auf Festivals“ – als Co-Autorin verantwortlich zeichnet. Hatten die 2012 erschienenen „Expeditionen ins Rockreich“ noch Kultpotential, verzettelt sich der im März ebenfalls bei Heyne verlegte Überlebensparty-Band jedoch allzu sehr in den Untiefen abgegriffener Klischees. Auch einzelne Geistesblitze sowie ein genialer Gastbeitrag des Hamburger Autors und Verlegers Sven Amtsberg können einen eher mäßigen Gesamteindruck vom neuen Uschmann leider nicht aufwiegen.

Die Welt als eine einzige Überlebens­party – so ließe sich das Setting für Oliver Uschmanns neuste Publikation auf den Punkt bringen. Die Krise frisst ihre Kinder und verschont ausgerechnet ihre Verursacher: „Hast du 10 000 Miese, machen sie dir die Hölle heiß. Hast du 100 Milliarden, kommt Angela persönlich vorbei und bringt die gute Plätzchenmischung mit.“ „Der Weg ist die Party“, verrät schon die Kapitelüberschrift – die Welt ist ungerecht und die falsche Ordnung der Dinge eben nicht zu ändern; so wahr, so klischeehaft.

„Alle wollen nur Sex“, lautet die große Vereinfachungsformel, die leitmotivisch den gesamten Überlebensratgeber durchzieht – nur als SchülerIn bei der Klassenfahrt mag das einmal anders gewesen sein, als man auf der Busfahrt nach Lübeck verzweifelt nach der großen Liebe gesucht hat. Aber spätestens wenn einem die Hubschraubereltern am 18. Geburtstag den ersten Zungenkuss versauen, wird sowieso alles irgendwie zur Bad-Taste-Party, und im Alkoholnebel zwischen – im Party-Ranking maßlos überbewertetem – Karneval und Komasaufen verschwimmen die Konturen.

Saufrituale und Geschlechterklischees

„Die Studentenparty war ärgerlicherweise voller Studenten [sic]. Es gibt ja solche und solche. Die Sportstudenten […] machen Trichtersaufen und benehmen sich wie Verbindungsbrüder in Ami-Filmen. Das ist witzig.“ Oder eben auch nicht. Jedenfalls sind solche saufrituellen Typisierungen symptomatisch für eine das gesamte Buch prägende Erzählunkultur, die immer nur an der Oberfläche kratzt, statt hinter die Kulissen zu schauen und empirische Ursachenforschung für die aneinandergereihten Exzess-Phänomene zu betreiben. Durch fehlende literarische Tiefenschärfe werden zudem unvermeidliche Geschlechterklischees spätestens im Kapitel „Junggesellenabschied“ lediglich pseudoironisch angerissen und auch noch popkulturell geadelt, wenn Uschmann & Co. den Comedy-Autor Tommy Jaud im Puff Lesungen veranstalten lassen oder männliches Macho-Verhalten im Kölschen Karneval bei einem weiblichen Rachefeldzug gnadenlos umgedreht wird.

Cannabis für Politiker!

Doch Uschmann wäre nicht Uschmann, wenn nicht zumindest der eine oder andere Geistesblitz aus dem Klischeesumpf herausstechen würde. Konzeptionell wird dies durch Einblendungen (pseudo-)wissenschaftlicher Kommentare befeuert, welche die insgesamt 33 Party-Beschreibungen durchziehen. So auch im Kapitel über „die Ersti-Fahrt“, wo ein Professor „vom Institut für wahnsinnige Wahrnehmungsverzerrung“ den für diesen Party-Anlass typischen Cannabis-Rausch und den „dDauL (durch Dope ausgelöster unabwendbarer Lachkrampf)“ beschreibt, bei dem „die großen Zusammenhänge […] zeitweilig aus dem Blick“ geraten. „Dies sei auch der Grund dafür, warum Anhänger von Cannabis den herrschenden Kräften der Weltpolitik den Konsum ihrer Droge empfehlen.“

Kafkaesker Opa-Geburtstag

An Franz Kafkas „Verwandlung“ gemahnt schließlich ein echtes Highlight im Buch – Sven Amtsbergs Gastbeitrag „Opas Geburtstag“, der zugleich einer rituellen Kriegstrauma-Therapie ähnelt, bei der ein Kundenparkplatz zum Schlachtfeld mutiert: „Es hat schon oft Ärger gegeben wegen Großvater, der Kunden, die ihm auch nur ein wenig alliiert erschienen, mit Hülsenfrüchten oder Dosenmandarinen beworfen hat.“ Der in Kafkas Kurzgeschichte zur Küchenschabe mutierte, vom Vater schließlich mit Äpfeln bombardierte Gregor Samsa kehrt hier als KundInnenkollektiv wieder. Sven Amtsberg ist eine erfrischende Groteske gelungen, die als Einzeltext eine absolute Leseempfehlung wäre, aber leider im gehobenen Mittelmaß des Gesamtbuches untergeht.

Oliver Uschmann u. Sylvia Witt: „Überleben auf Partys. Expeditionen ins Feierland
Wilhelm Heyne Verlag München (2013)
400 Seiten, 12,99- €

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