Wie regeln die Niederlande, Frankreich, Österreich und die Schweiz Sexarbeit? Welche Bestimmungen gibt es dort? Bei der Tagung „SexarbeiterInnen willkommen in Europa?!“ vom 13. bis 15. November Bochum gab es Antworten von vier ExpertInnen. Durchgeführt wurde die Tagung vom Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter (bufaS) und ausgerichtet von Madonna e.V., der Bochumer Beratungsstelle für Prostituierte.
Gemeinsam haben die genannten Länder, dass ihre Regierungen aktuell eine Abschaffung der Sexarbeit umzusetzen versuchen und dass nicht der Schutz und die rechtliche Stärkung der dienstleistenden Prostituierten auf der politischen Agenda stehtsteht. Sex wird mit Gewalt, nicht mit einer Dienstleistung gleichgesetzt und es wird nicht auf die Bedürfnisse der SexarbeiterInnen geachtet. Es gilt, was auch in Deutschland gilt: Die Staaten sprechen nicht mit Prostituierten, sondern über sie.
Niederlande
Legal ist die Sexarbeit für Frauen aus der EU. Wer aus einem anderen Land kommt, darf in den Niederlanden der Sexarbeit nicht nachgehen. „De Rode Draad“ war eine niederländische Anlaufstelle für die rechtliche Unterstützung von SexarbeiterInnen, Referent Jan Visser war Teil der Gruppe.
In Amsterdam wird das Rotlichtviertel verkleinert, an anderen Orten wird Sexarbeit ganz aus dem Stadtbild und auch faktisch zu verdrängen versucht. So sei in der Stadt Doetinchem im Osten des Landes eine Lagerhalle an einer Autobahn zu einem Bordell umgebaut worden – von außen kann niemand erkennen, dass hier Sex angeboten wird. Wenn ein Bordell schließt kann die Kommune entscheiden, ob ein neues eröffnen darf. Ohne Lizenz ist das nicht möglich. Die Rechte, welche die niederländischen Huren fordern, beziehen sich auf sexuelle Selbstbestimmung. Gesetze aber gibt es für den Jugendschutz, gegen Kriminalität, Drogen, Waffen, etc. „Diese Gesetze sind wichtig“, betonte Visser, aber sie hätten nichts mit der Realität der Huren zu tun.
Frankreich
Lucile Favet arbeitet bei Autres Regard, einer Organisation in Frankreich und schildert die Situation in unserem westlichen Nachbarland.
Seit 2003 gibt es ein Gesetz, welches das öffentliche und private Anbieten von Sex verbietet. Bereits für „passives Anbieten“ kann eine zweimonatige Haftstrafe oder eine Geldstrafe von bis zu 3.750 Euro veranschlagt werden. Das bedeute, dass eine Frau mit Minirock an der Bushaltestelle bereits in Polizeigewahrsam gesteckt werden könnte. „Einschüchterung“ nennt es Favet. Als Beweis für Sexarbeit gelte bereits, wenn eine Frau mit Kondomen angetroffen wird. Dass daraus folgt, dass Frauen ohne Kondome arbeiten, ist selbsterklärend. Bordelle sind nicht legal, auch ist es nicht gestattet, in einer Wohnung mit Kolleginnen zu arbeiten: dies gelte als „unterstützende Zuhälterei“, und diese steht unter Strafe. Ebenso werden Menschen bestraft, die vom Einkommen einer Hure leben. So sei ein 18-jähriger angeklagt worden, da seine Mutter als Sexarbeiterin tätig war – er habe schließlich von ihr „profitiert“.
Österreich
Seit April diesen Jahres gilt Sexarbeit nicht mehr als sittenwidrig, außerdem können Prostituierte ihre Verdienste fortan einklagen, wenn nicht gezahlt wurde. Sexarbeit gilt nicht als Gewerbe, ist aber seit 1984 steuerpflichtig. Gergana Mineva aus Linz arbeitet in der Beratungsstelle maiz. Sie informiert: „Prostituierte müssen wöchentlich eine Kontrolluntersuchung über sich ergehen lassen.“ Wer sich nicht untersuchen lässt, kann bestraft werden. Die Gesetze sind komplex, bundesweite und landesspezifische Verordnungen unterscheiden sich.
Im Kanton Oberösterreich jedoch ist das Anbieten sexueller Dienstleistungen gesetzlich verboten, aufgrund der Nähe zur Donau „auch auf Schiff“, so Mineva.
Schweiz
„Die Anforderungen an Bordelle sind so hoch, dass niemand eins eröffnet“, sagt die Juristin Brigitte Hürlimann aus Zürich. Auch Wohnungsprostitution ist nicht gestattet. Allerdings: Seit 1942 ist Prostitution landesweit legal – noch. Prostitution gilt bereits als illegal, wenn Frauen aus Drittländern ihr nachgehen. Es gebe „keinen politischen Willen“, um die Situation von diesen Frauen zu verbessern, so Hürlimann. In Zürich wurde jüngst eine „Prostitutionsgewerbeverordnung“ erlassen. Laut dieser müssen sich Frauen künftig von der Stadt eine Bewilligung einholen, um der Prostitution nachgehen zu dürfen. Dafür müssen sie einen streng geheimen Fragenkatalog ausfüllen. Durch die Antworten soll überprüft werden, ob eine Person freiwillig arbeitet oder nicht – in 52 Fragen!
„Alle paar Quadratmeter“ herrsche ein anderes Gesetz. Der einzige rote Faden besteht laut Hürlimann darin, dass alles unternommen werde, um dem Gewerbe „Steine in den Weg“ zu legen.
Welche Bedeutung der Straßenstrich in den vier Ländern und in Deutschland hat, ist in der kommenden Ausgabe Thema der :bsz, im dritten und letzten Teil der Artikelserie.
Mareen Heying
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