Der Fall Joshua Kimmich zeigt, wie blank die Nerven liegen, wenn es um Impfpflicht am Arbeitsplatz geht.
Über die gesamte Zeit der Pandemie hinweg war der Fußball durchgängig ein empfindliches Thema. Die beiden Lager, auf die sich die vielen Meinungen dazu einigermaßen aufteilen lassen, gehören in der Regel einerseits zu den Menschen, denen dieser Sport sehr am Herzen liegt und die deshalb froh darüber waren, dass in den düsteren pandemischen Zeiten wenigstens noch der Fußball als Live-Event übriggeblieben war, wenn auch zunächst nur vor dem Fernseher. Auf der anderen Seite gibt es eine Vielzahl von Menschen, die sich persönlich nicht für Fußball interessieren und deshalb die Sonderstellung dieser vermeintlichen Banalität als ungerecht empfanden.
Diese Empörung wurde auch immer wieder durch verschiedenste Aussagen und Ereignisse aus der Fußballwelt befeuert. Sei es die auf Teufel komm raus vor Zuschauer:innen ausgetragene Europameisterschaft, als die Impfquoten noch recht gering waren oder wiederholte peinliche Verstöße gegen die Hygienevorschriften. All das rückte die Profisportler oft in ein Licht, das sie so wirken ließ, als gälten für sie nicht die gleichen Regeln wie für die Normalsterblichen, die nicht so viel Gefühl im Fuß haben. Auf die Spitze getrieben wurde das von Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern, der durch seine Dreistigkeit bei der Vorteilssuche auffiel. „Wir wollen uns überhaupt nicht vordrängen, aber Fußballer könnten als Vorbild einen gesellschaftlichen Beitrag leisten. Lässt sich beispielsweise ein Spieler des FC Bayern impfen, wächst das Vertrauen in der Bevölkerung“, so Rummenigge. Diese Aussage vom Februar diesen Jahres ist nun wahrhaftig schlecht gealtert, denn mit Kimmichs öffentlicher Skepsis gegenüber der Sicherheit der Impfstoffe bildet er jetzt ein perfektes Beispiel in die andere Richtung. Der Fall an sich ist klar: der 26-jährige Bayernspieler unterliegt einem Irrtum, der auf unbegründeter Skepsis beruht. Da geht es ihm wie einigen Millionen anderen in Deutschland und überall auf der Welt und sein Pech war es, dass er durch ein überrumpelndes Interview nun in ein mediales Kreuzfeuer geraten ist.
Die Rufe nach Doppelmoral sind laut und verständlich, denn ungeimpfte Fans können nicht mehr ins Stadion gehen, während das für die Spieler kein größeres Problem darstellt, wenn sie sich weiterhin alle paar Tage auf Vereinskosten testen lassen. Ein großes Problem in der Berichterstattung ist allerdings, dass prominente Stimmen ohne Expertise so viel Raum haben, um unqualifizierte Meinungen zu äußern. Nach dem Kimmich-Interview wurde in kürzester Zeit jede mögliche Person befragt, die irgendwas mit Fußball zu tun hat, nur um zu sagen, ob sie das denn auch so schlimm finden würden, was der Junge da im Fernsehen gesagt hat. Die allermeisten verurteilen seine Aussagen scharf, nehmen ihn aber in Schutz wie beispielsweise sein Trainer. „Ich plädiere nach wie vor dafür, sich impfen zu lassen. Aber es ist ein persönliches Thema. Und jeder darf das für sich entscheiden als erwachsener Mensch“, so Julian Nagelsmann. Wenn nicht so viel Wert auf die persönlichen Meinungen von einzelnen Prominenten gelegt werden würde, dann müsste man auch nicht befürchten, dass Kimmichs unangebrachte Vorsicht weitere Zweifel unter den noch Ungeimpften in der Bevölkerung schürt. Der Hass, der ihm entgegenkam, wird die Ansichten über einen bösen Impfzwang eher noch verstärken als für Aufklärung zu sorgen.
:Henry Klur
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