Review. Mit seinem neuen Film „The French Dispatch“ lässt Wes Anderson die Medien verschmelzen.
Wie immer schon in den letzten 20 Jahren konnte Regisseur Wes Anderson auch bei seinem zehnten Spielfilm „The French Dispatch“ ein Star-Ensemble um sich versammeln, das in seiner Namenhaftigkeit wohl einzigartig ist. Da spielen Hochkaräter:innen wie Edward Norton, Saoirse Ronan oder Willem Dafoe nur noch winzige Nebenrollen, weil die Auswahl einfach zu groß ist. Die anthologische Erzählung dreht sich rund um das titelgebende fiktive amerikanische Magazin, das seinen Sitz in der ebenfalls fiktiven französischen Kleinstadt Ennui-sur-le-Blasé hat. Einsetzend beim Tod des Gründers und Chefredakteurs, gespielt von Bill Murray, wird die Handlung durch drei besondere Zeitungsartikel und ihre charakterstarken Autor:innen weitergereicht.
Nach einer kurzen Einführung in das schnelllebige Redaktionsleben und die einfachen Prinzipien des strengen, aber gütigen Chefs schlägt der Film seine erste Rubrik auf, die sich mit der Kunst beschäftigt. Benicio del Toro spielt den exzentrischen Mörder Moses Rosenthaler, der im Gefängnis sitzt und die dortige Wärterin, in Gestalt von Léa Seydoux, als Muse für seine abstrakten Gemälde nutzt. Anderson arbeitet mit verschiedenen Erzählebenen, indem er einerseits die Geschichte des Artikels selbst zeigt, die aber immer wieder zwischendurch retrospektiv durch die Journalist:innen aufgearbeitet wird. Die Autor:innen waren stets selbst vor Ort und haben mehr oder weniger an den Ereignissen mitgewirkt, was ja eigentlich gegen ihre journalistische Neutralität verstößt, doch das wird in der Redaktion nicht ganz so eng gesehen. Es folgt ein Exkurs über die französische Studierendenbewegung in Form einer Parabel über Jugend und moralische Prinzipen sowie eine kleine Kriminalgeschichte zum Thema Kulinarik. Genau wie in einem guten Magazin stehen die einzelnen Geschichten dabei eigenständig nebeneinander und werden doch zusammen in einen gemeinsamen Kontext gerückt.
Wer schon einmal einen Film von Wes Anderson gesehen hat, wird den typischen Stil, der auf geometrischen Formen und Bildsymmetrie basiert, sofort wiedererkennen. Seine Filme sollen nie bloß realistisch sein und sehen dementsprechend aus, denn die von Anderson kreierten Welten sind naiv und etwas zu perfekt. Es wird auf jegliches Bild eine gewisse Linse gelegt, die dafür sorgt, dass alles und jede:r aussieht als gehöre er:sie zu einem liebevoll eingerichteten Puppenhaus, dessen Kulissen sogar vor dem Blick der Kamera noch hergerichtet werden. Nach über zwanzig Jahren des Filmeschaffens äußert sich die eine oder andere Stimme genervt von der Gleichförmigkeit der Bilder und dem starken Stilwillen, der sich scheinbar nicht mehr ausprobieren will. Doch gerade in „The French Dispatch“ gelingt dem Regisseur und Drehbuchautor eine Zusammenführung seiner Experimente, die hier wunderbar verschmelzen. Es ist eine Ode nicht nur an die Geschichten selbst, sondern auch an die vielen verschiedenen Möglichkeiten, sie zu erzählen. Seine Figuren lassen die Erzählungen durch Malerei, Poesie, Theater oder Journalismus lebendig werden und das mit einer solchen Begeisterung und Hingabe, dass die Farben des streckenweise schwarz-weißen Films plötzlich wieder für einen kurzen Moment aufblitzen. Sofort ärgert man sich, dass das Magazin fiktiv ist und man somit der Möglichkeit beraubt ist weiter in dieser Welt zu blättern, aber es warten ja noch eine ganze Menge Geschichten darauf, erzählt zu werden.
:Henry Klur
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