Ausgrenzung. Rassismus ist an deutschen Unis nicht nur noch immer weit verbreitet, er gibt sich auch einen modernen Anstrich und inszeniert sich als Opfer.
Anfang Februar deckte das ZDF-Magazin Royale auf, dass Mitarbeiter:innen der Hochschule Darmstadt mit der EU-Grenzschutzagentur Frontex zusammenarbeiten, die vor allem auf dem Mittelmeer für ihre Abwehr von Geflüchteten, die nicht selten mit illegalen Pushbacks einhergeht, in der Kritik steht. Die beiden Wissenschaftler, um die es konkret geht, stellten der Behörde Forschungsergebnisse vor, die bei der Erkennung gefälschter Dokumente helfen sollen. Daraufhin gab es öffentliche Kritik vom AStA, der Initiative Seebrücke und der örtlichen Linkspartei. Die Unileitung reagierte ausweichend: Statt sich von Frontex und dessen Flüchtlingsbekämpfung zu distanzieren, wurde erklärt, die EU werde die Fälle schon aufklären. Von der EU, angesichts ihrer jahrzehntelangen Praxis, ihre Außengrenzen hochzurüsten und mit Regimen und Milizen in Transitstaaten Pakte zur Flüchtlingsabwehr einzugehen, weshalb in Ländern wie Libyen und Sudan mittlerweile ein Sklavenhandel mit Geflüchteten erblüht und das Mittelmeer zum Massengrab geworden ist, in diesen Fällen Aufklärung zu erwarten, ist, zurückhaltend formuliert, naiv.
Etwa zeitgleich löste ein Dozent an der Hochschule Konstanz einen Shitstorm im Internet aus: Er hatte in einer Statistik-Klausur eine Aufgabe gestellt, bei der berechnet werden sollte, wie viele „radikale Moslems“ es in einer Moschee-Gemeinde gäbe. Diese beiden Beispiele zeigen auf, wie sehr und auf welche Weise Rassismus an deutschen Hochschulen verankert ist: Er kann von institutionellen oder strukturellen Formen bis hin zu in ihrer Plumpheit geradezu schockierenden Fällen, die häufig mit Einzelpersonen zusammenhängen, reichen. Zwischen diesen Polen existieren alle möglichen Formen und sie ergeben in ihrer Gesamtheit ein zusammenhängendes Muster eines noch immer fest verwurzelten Rassismus.
Ein Beispiel, wo exponierte Persönlichkeiten Rassismus im deutschen akademischen Bereich vorantreiben und dabei institutionelle Unterstützung erfahren, ist Frankfurt am Main: An der dortigen Goethe-Uni kommt es seit 2019 immer wieder zu Auseinandersetzungen, in deren Mittelpunkt die Ethnologin Susanne Schröter steht. In bester Tradition ihres Fachs kritisiert sie bevorzugt die von ihr attestierte Rückständigkeit von Muslim:innen und organisiert dazu etwa sogenannte „Kopftuchkonferenzen“ an der Uni. Dabei erhält sie Rückendeckung sowohl von der Unileitung als auch vom links-grünen AStA. In Leitmedien inszeniert sie sich als Opfer von linker Zensur und Stigmatisierung und erhält dafür Applaus von der AfD. Von antimuslimischem Rassismus Betroffene und Aktivist:innen, die sich in der Initiative Studis gegen rechte Hetze engagieren und die den Mut aufbringen müssen, sich sowohl mit ihrer eigenen Uni als auch der Studierendenvertretung anzulegen, erhalten dagegen kaum Möglichkeiten, ihre Stimme in die Öffentlichkeit zu tragen.
Dass es nicht nur um Konflikte zwischen Studis und Hochschule geht, sondern mitunter auch zwischen Studierenden, sieht man derzeit auch in Münster. Dort bezichtigte der AStA kürzlich die Gruppe Palästina Antikolonial des Antisemitismus’, nachdem diese in Zusammenarbeit mit dem Referat für Black, Indigenous und People of Color eine kritische Orientierungswoche organisiert hatte. Als sich der Münsteraner SDS mit der Gruppe solidarisierte, reagierte die Leipziger Linksjugend mit einem Post, der einen israelischen Panzer zeigt und in dem den Parteigenoss:innen ebenfalls Antisemitismus unterstellt wird. Während es angesagt ist, kritisch Geschichte aufzuarbeiten und über Indigene zu sprechen, geht es offenbar zu weit, wenn diese für sich selbst sprechen wollen.
Auch an der Ruhr-Uni kam es im vergangenen Jahr zu einer Veranstaltung von RUB bekennt Farbe, bei der der einschlägig bekannte Politikwissenschaftler Stephan Grigat, der eigentlich eine Einführung in das Thema Antisemitismus geben sollte, durchweg über angeblich dem Islam immanente Judenfeindlichkeit schwadronierte und sich selbst stolz als islamfeindlich bezeichnete. Auch bei ihm diente der sogenannte Nahostkonflikt als Vehikel, mit dem er seinen eigenen Rassismus zu kaschieren versuchte. RUB bekennt Farbe hat sich indes bis heute nicht vondiesem Auftritt distanziert.
:Leon Wystrychowski
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