Bild: Gestaltungshandbuch Innenstadt

Kommentar. Das Außenbild der Stadt soll hochwertiger werden. Aber schöne Oberflächen schützen nicht vor innerem Zerfall.

 

Die Bochumer Innenstadt ist nicht schön. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Um das zu ändern, gibt die Stadt Immobilienbesitzer:innen, Gastronomien und weiteren Unternehmen nun neue Designhinweise zur Gestaltung ihrer Fassaden. Es ist neben Maßnahmen im Straßenhöhenbereich wie zusätzliche Bänke, Begrünung und zusätzliche Spaß- und Informationsangebote ein weiterer Versuch der Stadtverwaltung, die Innenstadt attraktiver und einladender zu machen.
Dass man dabei stolz auf ein 260-seitiges Handbuch ist und sich für die Leistung auf die Schulter klopft, zeigt, wo bei der Stadtgestaltung die Prioritäten liegen. Denn mit Augenwischerei wie Fassadenrichtlinien, Kuscheltiergalerien und Dino-Figuren  lassen sich schnelle, oberflächliche Erfolge erzielen und Bilder erzeugen. Doch eigentliche Probleme werden dabei nicht gelöst. Im Gegenteil, denn gleichzeitig gibt die Verwaltung zunehmend städtisch gehaltene Immobilien wie das Bildungs- und Verwaltungszentrum auf und verkauft wertvollen Innenstadtraum an spekulierende Investoren, die wie im Fall der Viktoria Karree modernistische Glasungetüme errichten oder Luxus-Wohnquartiere schaffen. Bei den Einwohner:innen bleibt dabei wenig übrig. Wer die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und eine sozial gerechtere Stadt fordert, geht leer aus. So auch die vielen Unternehmen und Gastronomien, die bereits jetzt – und in den kommenden Monaten noch zunehmend – durch die Pandemie gefährdet sind. Ihnen wird nun ein Gestaltungshandbuch vorgesetzt – die stadtplanerische Version von: „Mach dich mal hübsch, mit dir kann man sich ja nicht sehen lassen!“  Da verwundert es auch nicht, wenn Beteiligte die voraussichtlich kommende Welle von Leerständen als „Chance“ begreifen, um die Stadt aufzuhübschen, statt als existenzielle Bedrohung für eine Vielzahl von Arbeiter:innen. Der Stadtraum, an dem Geringverdiener:innen, Studierende und auch die Mittelklasse partizipieren können, schrumpft. Aber immerhin kann man sich dann mit cleaneren Fassaden genügen.

:Stefan Moll

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