Videoinstallation. Kunst im Schauspielhaus Bochum, aus Singapur, für die Corona-Zeit. Und das alles, wie sollte es im Ruhgebiet anders sein, unter Tage! Ho Tzu Nyen macht’s möglich mit einem Multimedia-Kunstwerk aus dem Jahr 2017, das auch jetzt noch den Zahn der Zeit trifft.
Ins Oval Office kommt man gerade nicht mehr durch den Seiteneingang, sondern durch den Haupteingang des Schauspielhauses. Und was erwartet eine:n dort? Eine Multimedia-Arbeit, von Ho Tzu Nyen, mit dem Namen „NO MAN II“. Ein quasi modernes Licht- und Schattenspiel, das nicht nur komplett Corona-konform stattfinden kann, sondern auch alles von Vergangenheit bis Zukunft und Fantasie auf einer Leinwand vereint. So weit, so vage, doch gehen wir ins Detail. Der in Singapur beheimatete Künstler Ho Tzu Nyen hat im Jahr 2017 eine Arbeit geschaffen, in der 50 computer-animierte Avatare herauf beschwört werden und willkürlich die doppelt verspiegelte Leinwand, im dunklen Raum des Oval Office, füllen. In einem unendlichen Loop und gepaart mit einem geisterhaften Chor nimmt man Platz vor einer Spion-Spiegel-Leinwand (ähnlich wie die Fenster in einem Verhörraum) und lässt die Videoinstallation so lange auf sich wirken, wie man mag. Dadurch, dass die Audiospuren des Chors fast wie ein Choral wirken und ohne ein klares Metrum auskommen, kann man schnell die Zeit vor der Leinwand vergessen und voll und ganz im Kunstwerk abtauchen.
Die dargestellten Avatare können den ein oder anderen vielleicht sogar an YouTube Poop-Klassiker wie „Jimmy Nutrin“, von dem YouTube-User seinfeldspitstain, „You’re a Wizard Harry“ von ragingfilms oder andere Beispiele erinnern. Ich sag‘ nur: „It’s not ogre. It’s never ogre.“ Im Oval Office aber natürlich mit einer deutlichen Prise weniger Wahnsinn.
Dennoch finden sich inmitten der Avatare Menschen aus dem alten Ägypten, Elfen, Vogelmenschen, Astronauten, Golems, hybride Mensch-/Tierwesen und mehr. Eine Frage, die sich beim Betrachten unweigerlich stellen soll: Könnt Ihr Euch in den
Avataren wiedererkennen? Oder bleiben sie schlicht leere Polygon-Hüllen?
Textlich wird dabei durch die Worte des britischen Dichters John Donne daran erinnert, dass wir alle Teil eines großen Ganzen sind, und kein Mensch eine Insel ist. Ein sehr wichtiger Gedanke nach Lockdowns, Isolation und der, wie es scheint, sinkenden Solidarität der Weltbevölkerung in Zeiten der Unsicherheit. Und das obwohl John Donne von 1572 bis 1631 gelebt hat, aber manche Lektionen bleiben wohl zeitlos. Falls Euer Interesse geweckt ist, liegt es nun an Euch, die Ausstellung zu besuchen und selbst zu entscheiden, wie lange Ihr dort verweilen wollt. Aber ähnlich wie der zuvor aufgelistete YouTube Poop, ist die Ausstellung wahrscheinlich nicht jedermanns:jederfraus Sache. Nach einem kurzen Gespräch mit einem Mitglied des Foyer-Teams des Schauspielhauses konnte ich erstaunt feststellen, dass ich bisher die längste Zeit in Ho Tzu Nyens Multimediainstallation verbracht habe. Also folgende Challenge für Euch: Könnt Ihr meine Bestzeit brechen?
Wer sich die Videoausstellung anschauen möchte, hat noch bis zum 4. Oktober die Chance. Eröffnet wurde „NO MAN II“ im Oval Office bereits am 4. September. Nach dem 4. Oktober wird die Ausstellung von Ivana Franke mit ihrer Arbeit „Travel Along Unknown“ abgelöst, deren Eröffnung am 10. Oktober um 18 Uhr beginnt. Der Eintritt für beide genannten Ausstellungen im Oval Office ist wie immer kostenlos und jeden Dienstag bis Sonntag von 16 bis 21 Uhr möglich.
:Christian Feras Kaddoura
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