Reportage. Immer wieder hört man von Raves und anderen Formen von Parties. Ich habe mich auf die Suche begeben und wurde dabei schnell fündig. Wie das Ganze war, erfahrt Ihr jetzt.
Es ist Samstagnacht, wir haben circa fünf Uhr morgens und ich sitze neben fünf Leuten, die alle wild am Handy rumtippen oder telefonieren. Wir suchen nach Raves oder anderen Parties in Köln. Schon am Anfang des Lockdowns haben wir immer wieder von Freund:innen oder Bekannten mitbekommen, dass hier und da kleine illegale Parties steigen, auch in Bochum. Heute Abend wollen wir herausfinden, wie schwer es ist ohne Kontakte und nur über Instagram solche Parties zu finden. Tatsächlich hat es nicht sonderlich lange gedauert bis wir mehrere Accounts gefunden haben, die in ihren Stories Standorte oder Werbung für irgendwelche kleinen Raves veröffentlichen. Schnell zeigt sich, dass, wenn man sucht, sich etwas finden lässt. Wirklich geheim erscheint mir das Ganze nicht.
Dann hat sich noch im Freundeskreis rumgesprochen, dass wir auf der Suche nach irgendeiner Veranstaltung sind und Freunde rufen uns an, sprechen Empfehlungen aus, schicken uns Screenshots von Google Maps, zu irgendwelchen Autobahnbrücken oder geben uns einen weiteren Account, den man anschreiben kann. Es kommt einem surreal vor zu wissen, dass auf der einen Seite eine zweite Infektionswelle immanent erscheint, ganze Landkreise im Lockdown sind und Expert:innen vor einer falschen Sicherheit warnen, während uns eine immer endlos werdendere Liste an illegalen Raves weiter zur Verfügung steht. Wirklich Sinn macht das nicht für mich. Auch kann ich nicht so genau ein klares Urteil gegen solche Veranstaltungen aussprechen. Irgendwie verstehe ich es ja. Wir sehen Parks, Bars, Restaurants und andere Veranstaltungsorte mit gefühlt Unmengen von Menschen, die alle ihrem Alltag nachgehen, geöffnet und voll im Betrieb. Nur wir dürfen uns nicht versammeln. Dabei könnte man vielleicht draußen unter Einhaltung der Maßnahmen kleine Veranstaltungen stattfinden lassen, anstatt die vielen kleineren illegalen Raves versuchen zu bekämpfen.
Eins steht fest: Kommt die Polizei, rennt man weg und sucht eine neue Veranstaltung. Die Verhaltensprotokolle beim Abbruch illegaler Raves haben sich über die letzten Jahrzehnte manifestiert und so erscheint mir die Bekämpfung solcher Veranstaltungen zwecklos. Ich habe keine fünf Minuten gebraucht herauszufinden, wo ich feiern gehen kann. Wirklich Sorgen zu machen, ob man gerade einen Hotspot für die Verbreitung eines Virus‘ bildet, machen meine Freund:innen und ich uns nicht. Wir begegnen täglich Menschen draußen, nicht immer kann Abstand gehalten werden. Seit Wochen versammeln sich auffällig viele Menschen vor dem Schauspielhaus Bochum. Laufe ich abends am Bermuda3eck vorbei, sehe ich Leute ohne Masken am Tresen einer Bar. Andere unterhalten sich in Grüppchen auf eine Zigarette draußen vor der Tür. Fahre ich mit dem Zug, sitze ich neben wildfremden Menschen. Oft haben diese keine Maske auf, Essen noch schnell ein Brötchen oder trinken ein Bier. Die Einhaltung der Maßnahmen erscheint vielen unnötig. Den Frust, den viele verspüren, kann ich irgendwie nachvollziehen. Ich bin auch frustriert.
Trotz allem habe ich mich gegen das Feiern entschieden. Im Wissen, dass ich hätte hingehen können, hielt mich irgendetwas ab hinzugehen. Ich würde aber lügen, wenn ich sagen würde, dass dieser Zwiespalt der einzige Grund war warum ich nicht hingegangen bin. Ein großer Teil Faulheit hat dazu beigetragen, dass ich für eine weitere Woche meine moralische Überlegenheit in dieser Situation behalten werde. Wie es nächste Woche aussehen wird, weiß ich nicht.
:Gerit Höller
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