Bild: Was geht in Menschen vor, die nach Europa flüchten? Die Veranstaltung „Warum wir unsere länder verlassen“ gab einen kleinen Einblick., Menschen mit Fluchterfahrung berichteten im Bahnhof Langendreer über ihre Erlebnisse Bild: Ggia (CC BY SA 4.0) https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

Flucht. Im Bahnhof Langendreer stellten Adjovi Boconvi aus Togo und Mohamed Bangoura aus Guinea, beide aus ihrem jeweiligen Heimatland nach Deutschland geflohen, ihre Erfahrungen vor und erklärten, weshalb sie ihre Heimat verlassen mussten und wie die heutige Lage vor Ort ist.

Nur wenige Menschen kennen die Verbindung zwischen Togo und Deutschland: Das kleine afrikanische Land war einst eine deutsche Kolonie. Knapp 8 Millionen Menschen leben dort, davon alleine etwa 2 Millionen in der Hauptstadt Lomé. Seit 1967, einige Jahre nach Erlangung der Unabhängigkeit, wird das Land durch eine Militärregierung beherrscht. Togo ist die Heimat von Adjovi Boconvi, aus der sie aufgrund der politischen Lage und den Lebenszuständen fliehen musste. Gemeinsam mit Mohamed Bangoura, einem geflüchteten Menschen aus Guinea, berichtete sie im Bahnhof Langendreer im Rahmen der Veranstaltung „Warum wir unsere Länder verlassen“ von ihrer Flucht und den Geschehnissen, die sie zu dieser Entscheidung geführt haben. Organisiert wurde der Abend durch Afrique Europe Interact wo sich Boconvi  selbst engagiert, dem Treffpunkt Asyl Bochum sowie der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW.

 

Lage für Frauen schlecht

Boconvi berichtete, die Lage in Togo sei gerade für junge Menschen sehr schlecht. Sie hätten keinerlei Perspektive und müssten, um eine bessere Zukunft haben zu können, auswandern. Noch schlechter sei jedoch die Lage für Frauen: Zwangshochzeiten würden an der Tagesordnung stehen. Polygamie ist legal, Boconvis eigener Vater habe beispielsweise acht Frauen gehabt. Sobald eine Frau ihre erste Periode gehabt hat, wird von ihr erwartet, Kinder zu bekommen. Durch die schwierige finanzielle Lage gerade bei jüngeren Frauen käme es zudem auch zu „versteckter Prostitution“: Frauen suchen Beziehungen mit besserverdienenden Männern, damit diese dann beispielsweise ihre Ausbildungskosten übernehmen. Boconvi beklagt, dass diese Zustände von vielen Menschen in Europa nicht wahrgenommen werden.


Flucht nach Massaker

Mohamed Bangoura zeichnet ein ähnliches Bild über die Situation in seiner Heimat Guinea. Die finanzielle Lage des Landes sei sehr schlecht, so könnten Kinder zum Beispiel seit 3 Monaten nicht mehr zur Schule gehen, weil der Regierung das Geld ausgeht.
Bangoura engagierte sich politisch und setzte sich nach Jahrzehnten von Diktatur für mehr Demokratie und Freiheit ein. Bei einer Demonstration in Conakry im September 2009, bei der knapp 50.000 Menschen teilnahmen, kam es zu einem Blutbad. Sicherheitskräfte schossen auf die Demonstrant*innen und töteten 157 Menschen. Mohamed Bangoura war an diesem Tag auch dort. Er erlitt eine Schussverletzung im linken Bein und ist seit diesem Tag auf dem linken Auge blind, nachdem es durch den Schlag einer Waffe getroffen wurde. Nach diesen schrecklichen Ereignissen zögerte er nicht lange und verließ das Land. Ganze vier Jahre sollte seine Flucht nach Deutschland dauern, erst 2013 kam er hier an. Nun will er von Deutschland aus den Kampf für ein demokratisches Guinea fortsetzen.
2020 stehen sowohl in Togo als auch in Guinea Neuwahlen an, doch die beiden geflüchteten Menschen haben den Glauben an die Politiker*innen in ihren Heimatländern als auch in Deutschland verloren: Sie seien zu abgehoben. Sie wollen lieber die Solidarität der Bevölkerung in Deutschland, am Ende säßen wir schließlich alle im gleichen Boot.

:Philipp Kubu

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