Bild: Nicht überall am Start: Die Polizei in NRW ist dort im Einsatz, wo Innenminister Reul sie haben will., Innenminister Reul setzt falsche Prioritäten Symbolbild: stem

Kommentar. Neonazis laufen durch die Straßen, brüllen antisemitische Parolen, zünden Pyrotechnik und werden kaum von  der Polizei begleitet. Diese hatte scheinbar anderes zu tun und Innenminister Reul? Fällt durch fragwürdige Statements auf.

Es ist schon schwer, in der heutigen Zeit Innenminister zu sein. Besonders von Nordrhein-Westfalen. Irgendwie muss man es unter einen Hut bekommen, den ehemaligen Geldgeber RWE – Reul war jahrelang Aufsichtsratsmitglied von Rheinenergie, einem Unternehmen, an dem die RWE-Tochter innogy 20 Prozent der Anteile hält – zufrieden zu stellen, indem die Zerstörung des Hambacher Waldes zur Braunkohlegewinnung durchgeprügelt wird, den harten Mann bei so genannter Clan-Kriminalität zu mimen und gleichzeitig noch was gegen Linksradikalismus zu unternehmen. Da kann es einem schon mal durch die Lappen gehen, eine verfassungsfeindliche Demonstration zu begleiten und Straftaten, etwa Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz oder volksverhetzende Aussagen, zu unterbinden. Die Polizei kann eben nur da sein, wo Herbert Reul sie haben will. Und wenn ein bisschen unversteuerter Shisha-Tabak in der Dortmunder Nordstadt darauf wartet, von willfährigen Polizeibeamt*innen und Zollermittler*innen konfisziert zu werden, kann es eben passieren, dass nur einige Kilometer weiter die Wiedereinführung des Nationalsozialismus gefordert wird. Doch seit den Ereignissen von Chemnitz – man sei an mehrere tausend Neonazis und Rechtsradikale erinnert, die nicht-deutsch aussehende Menschen durch die Straßen jagten, zum Mord an Linken aufriefen und unverhohlen vor den Augen der Polizei den Hitlergruß zeigen konnten, wiederholen die Pressesprecher*innen der Ermittlungsbehörden gebetsmühlenartig ihr Mantra. Wir haben Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wir werden reagieren.

Reaktion

Vielleicht liegt genau hier das Problem. Innenminister Reul ist nicht nur stark im Reagieren, sondern Teil und Motor der Reaktion. Um Braunkohle, den dreckigsten und klimaschädlichsten aller fossilen Brennstoffe, zu verheizen, verheizt man gern auch Polizist*innen in tagelangen Einsätzen. Doch diese spielen gerne mit, denn sie sind mittelbar eben auch von RWE und Co abhängig. Die Rechnung ist simpel wie traurig: Wenn Großkonzerne konservative und reaktionäre Politik finanzieren, fördern sie auch einen starken Staat und mehr Polizei.
Doch es stellt sich auch die Frage, was Herbert Reul bezweckt, wenn er nur unzureichende Mengen an Beamt*innen abstellen lässt, um gewaltbereite Neonazis und ihre Demonstrationen zu begleiten und – so sollte man es sich wünschen – möglichst abzuschirmen. Der Verfechter einer Null-Toleranz-Politik und der harten Law-And-Order-Schiene könnte noch mehr Härte beweisen, wenn er auch ebenso glaubhaft und konsequent gegen Neonazis vorgehen würde, wie er es gegen vermeintliche Linksradikale im Hambacher Forst oder Shisha-Raucher*innen in der Nordstadt tut. Doch ein Innenminister, der der „Rheinischen Post“ sagt, antisemitische Parolen seien keine Straftat, sondern „möglicherweise durch die Meinungsfreiheit gedeckt“, muss sich auch die Frage gefallen lassen, ob er tatsächlich der richtige Mann für den Posten ist. Er wäre dieser Tage nicht die einzige Fehlbesetzung in einem
Innenministerium …
 

:Justinian L. Mantoan
 

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