Bild: Russland im Jahr 1917: Bini Adamczak erklärt in ihrem Buch, wie die bolschewistische Revolution mit den Ereignissen von 1968 kritisch verglichen werden können., Lesung mit Bini Adamczak bei der Ruhrtriennale

Lesung. Welches Geschlecht haben Revolutionen? Wie lassen sich die Geschehnisse von 1917 und 1968 in Relation setzen und sich daraus Lektionen für die Zukunft lernen? Damit beschäftigt sich die Berliner Autorin Bini Adamczak bei der Ruhrtriennale-Veranstaltung.

Während ein heftiger Regenschauer auf den Bauch des auseinandergenommenen Flugzeugs fällt, das für die Ruhrtriennale unter dem Namen Third Space als Veranstaltungsort dient (:bsz 1180), fanden sich eine Gruppe interessierter Hörer*innen zusammen, um der Autorin Bini Adamczak dabei zuzuhören, wie sie aus ihrem 2017 erschienen Buch „Beziehungsweise Revolution: 1917, 1968 und kommende“ vorlas.
Adamczak ist Autorin aus Berlin, die über Themen wie Kommunismus und queere Sexualität schreibt. Sie schrieb unter anderem das Kinderbuch „Kommunismus: Kleine Geschichte, wie endlich alles anders wird“, das jedoch, wie sie selbst lachend anmerkt, „gar kein Kinderbuch ist.“
Diese Leichtigkeit erscheint auch in ihrem neuen Buch. Adamczaks Zeilen sind locker geschrieben und mit Witz und Humor gefüllt. Sei es über die teils improvisierte Ausführung der Machtübernahme am 25. Oktober, die Stürmung des Winterpalastes und das darauffolgende Trinkgelage nach Entdeckung des Weinkellers, oder die Aufzählung von auf die Revolution folgenden Kindernamen wie Engelina, Traktorina oder Barrikada.

Geschlecht der Revolution

In „Beziehungsweise Revolution“ geht es um die Relation zwischen den Ereignissen der Jahre 1917 und 1968 und eine wechselseitige Kritik jener. Die Autorin fokussiert sich dabei auf die „Beziehungsweisen“ der Menschen und verflechtet diese mit einer Geschlechteranalyse der Revolutionen. Sie diskutiert dabei maßgeblich die „Geschlechter der Revolutionen“. Während zum Beispiel das Geschlecht der Oktoberrevolution männlich war – Ziel war die Gleichheit mit Männern, zu sehen unter anderem an vielen typisch männlich auftretenden Frauen, die in dieser Zeit zum Trend wurden – war im Gegensatz dazu die 68er-Revolution weiblich. Denn es ging nicht mehr um die Gleichheit der Verhaltensweisen am Leitbild des Mannes.

Besser revolutionieren

Das Narrativ, das Adamczak in ihrem Buch aufbaut, ist eines, dass die Oktoberrevolution 1917 nicht als ein einziges Event, beschränkt auf einen Tag verortet, sondern über einen langen Zeitraum festsetzt. So beschreibt sie, wie die Nachricht der bolschewistischen Aufstände erst Fuß in der Bevölkerung fassen musste:  „Wiederum einige Wochen oder Monate darauf, traf die Nachricht davon in den Dörfern ein, in denen die absolute Mehrheit der russischen Bevölkerung lebte.“
Trotz dem „Erfolg“ der Machtübernahme begreift sie 1917 als gescheiterte Revolution. Sie unterscheidet zwischen Revolutionen, die aufgehalten wurden und solchen, die erfolgreich einen Umsturz herbeibrachten, aber an ihren Zielen scheiterten. Die Oktoberrevolution fiele unter die letzte Kategorie. Diese Unterscheidung sei wichtig, um „von diesen Fehlern zu lernen, damit man sie in der Zukunft nicht wiederholt“, so Adamczak. „Das heißt auch, Verantwortung zu übernehmen. Ich versuche diese beiden Revolutionen so in eine Verbindung zu bringen, damit sie sich gegenseitig kritisieren können für die Perspektive einer besseren Zukunft, einer besseren
Revolution.“

:Stefan Moll

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