Forschung Uni Due. Eine gelernte Placebo-Antwort wirkt auch bei TransplantationspatientInnen. Neu ist daran, dass die wirkungslosen Pillen auch bei PatientInnen wirken, die schon längere Zeit mit Immunsupressiva behandelt wurden.
Prof. Manfred Schedlowski, Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen forscht seit 20 Jahren an den Wechselwirkungen von Hirn und Immunsystem. Dass Placebos, das heißt Medikamente, die keine pharmakologische Wirkung haben, dennoch eine tatsächliche Wirkung haben, ist schon lange bekannt. Die Neuentdeckung, die Schedlowski und sein Team machten, ist, dass nicht nur junge Menschen ohne vorherige medizinische Behandlung auf die wirkungslosen Mittelchen ansprechen, sondern auch PatientInnen, die schon seit einiger Zeit in Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten sind. Nicht nur für Transplantierte kann diese gelernte Immunantwort relevant sein, auch für Menschen, die an Autoimmunerkrankungen leiden, kann diese Behandlung von Nutzen sein, da weniger Medikamente verabreicht werden, die Wirkung aber dieselbe bleibt.
Bunter Saft statt bittere Pille
Nach einer Organtransplantation werden Medikamente verabreicht, die das Immunsystem hemmen, damit das neue Organ nicht als Fremdkörper angegriffen, geschädigt, oder gar abgestoßen wird. Diese Medikamente sind sehr stark und reich an Nebenwirkungen, weshalb die Dosierung so gering wie möglich gehalten werden sollte.
In der Untersuchung machte sich das Team die Geschmacks-Immun-Konditionierung zu Nutze: Den Nierentransplantierten wurde zum einen ein neuartig schmeckendes Getränk ohne Wirkung gegeben, außerdem bekamen die PatientInnen Ciclosporin A, ein immunsupressives Medikament. Nach vier Durchläufen gab es statt des Medikaments nur die unbekannte Flüssigkeit und ein Placebo. Schedlowski konnte weiterhin eine Wirkung von bis zu 60% der ursprünglichen Medikation feststellen. Er unterstreicht: „Es handelt sich hierbei nicht nur um eine Befindlichkeitsänderung. Die unterdrückende Wirkung ist tatsächlich biologisch messbar.“ In den Blutanalysen konnten die ForscherInnen eine verminderte Aktivität der T-Zellen feststellen. „Außerdem steigerte der Lernprozess offensichtlich die Wirkung der immunsuppressiven Medikation, denn die Medikation für die Patienten wurde im Laufe der Studie nicht verändert“, sagt der Psychologe.
Warum wirken Placebos?
„Vielleicht erinnern Sie sich an die Schulzeit an den Pawlow’schen Hund. Was wir gemacht haben ist ähnlich. Der unbekannte Saft ist der konditionierte Reiz (bei Pawlow war das die Glocke), das Medikament ist der unkonditionierte Reiz analog zum Futter bei Pawlow“, erklärte er .
Für die erfolgreiche Wirkung von Placebos lassen sich zwei Faktoren ausmachen, erläuterte Schedlowski. „Zum einen der Lerneffekt. Das Wissen, dass beispielsweise eine Aspirin bei Kopfschmerzen hilft, weil sie das letzte Mal auch gewirkt hat, löst schon eine Wirkung aus.“ Der zweite ist der Erwartungseffekt, der auf der Beziehung zwischen dem Behandelnden und der PatientIn basiert. „Wenn der Arzt das Medikament gut ‚verkauft‘, baut das im Patienten die Erwartung auf, dass es auch wirkt, weil es gut ist. Diese Erwartungshaltung unterstützt eine tatsächliche Wirkung.“
:Kendra Smielowski
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