Nein, tatsächlich haben Kollegah und Farid Bang kein neues Album rausgebracht. Scrollen wir durch Plattformen wie TikTok oder Instagram, stellen wir uns allerdings immer häufiger die Frage: Wie viel Geld und Schmerz ist einem ein junges Aussehen wert? Denn wir werden ständig mit jugendlichen, faltenfreien und teilweise kindlichen Gesichtern konfrontiert. Welches Alter sich tatsächlich hinter der Fassade verbirgt, ist genauso fraglichwürdig wie der Hype, der damit einhergeht.

Wir leben in seltsamen Zeiten. Während wir uns immer mehr mit Erwachsenenkram wie Steuern, Mietverträgen und Heizkosten auseinandersetzen müssen, entwickeln sich die Trends in der Schönheitsindustrie scheinbar rückwärts – zurück auf den Schulhof. Klar, das ist für viele von euch nichts Neues. Schon seit Jahrzehnten versuchen Menschen nicht nur, sich jünger zu fühlen, sondern auch jünger auszusehen – und zwar mit allen Mitteln. Von wilden Ernährungsformen wie der „Gottesnahrung“, über Supplementierung, Kältekammer, Infrarotlicht, Gesichtsyoga, Zungensaugern, Massagerollen, Laserbehandlungen, bis hin zu kosmetischen und chirurgischen Eingriffen wie Botox, Fillern, Fettwegspritzen, Facelifts und Augenlidstraffungen.

Erst vor kurzem ging Kris Jenner (Keeping up with the Kardashians) viral, weil sie sich im Alter von 70 Jahren einer Gesichtsstraffung unterzogen hatte und nun aussieht, als würde sie ihre eigene Tochter imitieren. Kein Scherz! Die Möglichkeiten sind heutzutage offensichtlich nahezu grenzenlos, solange man genügend Geld, Zeit und einen Arzt mit dehnbarem moralischen Kompass zur Verfügung hat.

Einen erheblichen Beitrag zu dieser Entwicklung trägt natürlich Social Media. Nicht nur werden wir im Minutentakt mit den neuesten Tipps, Trends und Techniken bombardiert – „in vier Wochen zur Barbie-Jawline“, „Babyface durch Nasenfüller“, „Anti-Aging ohne Spritze“ –, sondern auch mit Rabattcodes, Affiliate-Links und gesponserten Werbedeals zubombardiert. Ganz nach der Devise: Kauf dir ein Gesicht – krieg die Identitätskrise gratis dazu. Oder eine neue Haarlinie, die zu 50 Prozent funktioniert – und zu 50 Prozent aussieht wie ein schlecht platzierter Teppichrest.

Aber mal ehrlich – wir haben 2025. Warum nicht? Wenn künstliche Intelligenzen Liebesbriefe schreiben und dein Kühlschrank dich daran erinnert, Wasser zu trinken, darf dein Gesicht auch gerne so glatt sein wie der Bildschirm, auf dem du dich betrachtest. Ironischerweise leben wir gleichzeitig in einer Zeit der „Body Positivity“, „Authentizität“ und „Selbstliebe“. Und dennoch werden echte Poren, Falten oder einfach ein neutrales Gesichtsausdruck immer mehr zur Ausnahme.

Wir können also festhalten: Diese Social-Media-Bubble hat sich in Bezug auf Beauty und Co. nicht nur weit von einem gesunden Selbstbild entfernt – sie transportiert ein fast schon feindseliges Verhältnis zum natürlichen Altern. Und das betrifft nicht nur Frauen. Männer ziehen nach – nur mit weniger Concealer und mehr PR-freundlichem Understatement. Besonders problematisch wird es jedoch, wenn ein jugendliches Aussehen allein nicht mehr reicht. Das Streben nach Jugend wird zunehmend ersetzt durch das Streben nach Kindlichkeit.

Zur Inspiration dienen kindliche Attribute: hohe Stirn, volle Wangen, riesige Kulleraugen, kleine Stupsnase – das sogenannte „Babyface“. Dieser Trend findet vor allem in asiatischen Ländern wie China große Zustimmung. Von dort ist der Weg zu westlichen Influencer*innen bekanntlich kurz: ein Klick, ein Reel, ein Trend. Babyface also. Ernsthaft? Das ist kein harmloser Beautytrend – das ist eine kulturelle Regression. Eine Rückwärtsbewegung in ein idealisiertes, infantiles Frauenbild, das auf völliger Kontrolle und Kapitalisierung von Unsicherheit basiert.

Auffällig bleibt: Es sind überwiegend Frauen, die solchen Idealen hinterherjagen. Und das ist kein Zufall. Die Vorstellung, dass Frauen mit jedem Jahr an Wert verlieren, während Männer mit jedem grauen Haar interessanter werden, hält sich hartnäckig – wie eine schlechte Foundation bei 35 Grad. Klar, auch Männer greifen immer häufiger zu Botox und Co., aber sie werden dafür meist gefeiert („Der sieht ja super aus für sein Alter!“), während Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung schon mit 30 in die zweite Liga rutschen.

Dabei sollte klar sein: Es ist vollkommen okay, sich um sich selbst zu kümmern. Es ist okay, Dinge schön zu finden. Es ist okay, auch mal eitel zu sein. Solange es aus freien Stücken passiert – und nicht, weil ein Algorithmus dir einredet, du müsstest mit 25 noch wie 16 aussehen.
Denn das ist am Ende auch nur das: eine Illusion. Bilder, die für Sekunden gelten, und nicht für ein ganzes Leben.

Wir werden alt. Alle. Irgendwann kriegen wir Falten, graue Haare, schrumpelige Haut. Irgendwann sehen wir aus wie Rosinen, die sich die Welt angeschaut haben – und das ist etwas Wunderschönes. Warum also den Kopf über solche Peanuts zerbrechen, wenn es so viele andere Dinge gibt, mit denen wir unsere Zeit besser, entspannter und vielleicht sogar glücklicher verbringen könnten?

:Alina Nougmanov

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