Am 12. April empfing der Vfl Bochum den FC Augsburg im Vonovia Ruhrstadion. :bsz-Redakteurin levi hat für Euch das Ambiente eingefangen und klärt die pochende Frage: Glauben die Fans überhaupt noch an ihren Herzensverein?
Das Vonovia Stadion ist bis an die obersten Ränge gefüllt — außer natürlich der Sitzbereich der Augsburger Gäste. An diesem sonnigen Tag in Bochum erstrahlt das Spielfeld in einem gesättigten Grün. Die blauen Trikots auf dem Platz verursachen jedoch Magenschmerzen. Wir sind mitten in der zweiten Halbzeit und die ersten Leute erheben sich bereits von ihren Sitzen. Wird der VfL gleich noch ein zweites Tor schießen? Nein, viel eher stehen die Leute auf, um frühzeitig das Stadion zu verlassen. Dabei verpassen sie allerdings noch 15 Minuten Spielzeit. Schafft der VfL in der entscheidenden letzten Spielhälfte noch die Kehrtwende?
Aber wie kam es dazu? Das Spiel, das für 15:30 Uhr angesetzt ist, hat über 25.000 Zuschauende angezogen.
Ich sitze im Block K ziemlich genau in der Mitte des Stadions und habe einen guten Überblick. Nun fehlt nur noch ein Spiel, das auch zum Hinsehen einlädt.
Mit einer Bilanz von 20 Punkten befindet sich der VfL zu dem Zeitpunkt auf dem drittletzten Tabellenplatz der ersten Bundesliga. Das ist die schlechteste Zwischenbilanz der Vereinsgeschichte, die bis ins Jahr 1938 zurückreicht.
Bereits die drei vorherigen Spiele hatte der VfL verloren, weshalb die Erwartungen der Fans zwiegespalten sind. Einerseits hofft man sehr auf einen Sieg. Die Punkte hätte der VfL nämlich dringend nötig. Andrerseits legen die spielerischen Fähigkeiten so viel Optimismus nicht nah, sagt mir ein Stadionbesucher. Ob die Ostkurve zustimmen würde? Als mein Blick zu den entsprechenden Rängen gleitet, atme ich erleichtert auf. Noch sehe ich viele Textilien; Schals und Banner und — T-Shirts. Die Betonung liegt vor allem auf Letzteren, da die Ostkurve ja auch öfters mal auf Kleidung verzichtet, bin ich froh, dass mir dieser Anblick (erst einmal) erspart bleibt.
Die Partie beginnt weitgehend ausgeglichen, doch die Gäste können durch ihre Schnelligkeit bereits leichte Vorteile verzeichnen. In der 16. Minute geht Augsburg dann in Führung: Nach einem Ballgewinn im Mittelfeld spielt Claude-Maurice einen präzisen Pass auf Essende. Der Angreifer setzte sich clever gegen seinen Gegenspieler durch und schließt flach ab. Bernardo versucht noch zu klären, lenkt den Ball dabei jedoch unglücklich ab, sodass dieser unhaltbar für Torwart Horn im Netz landet. Von der Ostkurve nvernehme ich laute Buh-Rufe. Ob diese dem eigenen Verein oder den Gegner gelten?
In meinem Block höre ich ungehemmte Beschimpfungen. Aussagen, wie: „Die sind so schlecht, die können’s einfach nicht“, und Hände vor dem verzeiweifelten Gesicht geben einen eindeutigen Hinweis auf die allgemeine Stimmung. In diesen Zeiten scheint der VfL nur wegen seiner Vergangenheit und kaum wegen seiner gegenwärtigen Leistungen von seinen Fans geschätzt zu werden.
In der 33. Minute bietet sich Ibrahim Sissoko die große Chance zum Ausgleich. Nach einer Ecke von Ordets köpft er aus kurzer Distanz aufs Tor, doch Augsburgs Keeper Finn Dahmen reagiert und lenkt den Ball mit einer spektakulären Parade an die Latte. Die Szene markiert den Beginn einer starken Phase des VfL, die jedoch ohne Torerfolg bleibt. Mit der 1:0 Führung der Gäste geht es in die Halbzeitpause.
Nicht das Spiel enttäuscht etwas, auch das Cateringangebot im Stadion lässt zu wünschen übrig. So sind bereits während der Halbzeit Brezel und ähnliche Gebäcke ausverkauft. Naja, wenigstens sind diesmal noch Getränke verfügbar.
Die Mannschaft des VfL scheint die nötige Pause für Teambesprechung genutzt zu haben – als die Jungs wieder das Feld betreten, wirken sie sichtlich dynamischer.
Es gibt einige gute bis sehr gute Angriffe aufs gegnerische Tor, doch für den entscheidenden Wendepunkt fehlt die Präzision im Fuß oder der gegnerische Torwart ist zur Stelle. Ein gefährlicher Freistoß am eigenen Tor lässt den VfL zittern, doch die Mannschaft schirmt das heimische Netz ab. Dann passiert das, was dringend notwendig war: In der 60. Minute köpft Philipp Hofmann nach einer Ecke von Felix Passlack das Runde ins Eckige. Der Ausgleich ist mehr als verdient, denn Bochum hat zu diesem Zeitpunkt bereits 15 Torschüsse abgegeben. Leider scheint mit jeder Torchance auch ein nackter Oberkörper in der Ostkurve dazuzukommen.
Aus der anfänglichen Euphorie wird nach Anbruch der zweiten Halbzeit schnell der gewohnte Trott, in dem man verfällt, wenn man sieht, das Willenskraft alleine nicht auszureichen scheint.
Die nächste Rettung für den VfL ist leider nur einem Fehltritt der Gegner zu verdanken: In der 81. Minute sieht Augsburgs Arne Maier nach einem harten Einsteigen gegen Bernardo die rote Karte. Die Menge tobt: In Überzahl auf dem Platz zu sein müsste die letzte Chance für den VfL sein.
Doch nur wenig später sehen vor allem die Fans des VfL rot. In der 90. Minute setzt Augsburg so zu einem geschickten Konter an. Phillip Tietz, zuvor für Essende ins Spiel gekommen, spielt einen perfekten Pass in den Lauf von Mert Kömür. Der taucht völlig frei vor Horn auf und schließt schnurstracks ab. Tor für Augsburg.
„Ich ärgere mich nur“, heißt es vom Mann der drei Plätze rechts von mir sitzt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier — das muss der Grund sein, warum die Leute immer wieder aufs Neue kommen, um den VfLl spielen zu sehen.
In der Straßenbahn der Linie 308 spricht eine Frau im VfL-Fantrikot selbstbewusst aus, was scheinbar viele denken: „Sorry, aber wer so spielt, verdient es nicht, in der ersten Liga zu sein“.
Ein hartes Urteil, das der VfL an diesem Spieltag 29 von 34 noch anfechten kann.
Die Mannschaft hat hart gekämpft, aber das allein reicht nicht. Glück auf!
:Levinia Holtz
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