Die Candlelight Concerts ziehen als Streichkonzerte zu den Diskographien der unterschiedlichsten Künstler:innen durch ganz Deutschland. Doch wird hier bloß auf einen Trend-Train aufgesprungen oder den Fans eine erstklassige Klassik-Unterhaltung geboten? :bsz-Redakteurin :levi war bei einem Taylor Swift Candlelight Concert mit dabei und verrät es Euch.
Das Licht im Saal ist aus, nur die flackernden Flammen hunderter Kerzen spenden Licht. Die Bühne ist von ihnen eingerahmt. Wenn man die Augen etwas zukneift, sieht es fast aus, als würden die vier Stühle mit Notenständer in diesem goldenen Meer auf und ab tanzen.
Dann hört man eine leise Stimme, die beginnt, den Takt anzuzählen. Einen Bruchteil einer Sekunde hört man das ratschende Geräusch, das der Bogen für die Streichinstrumente erzeugt, wenn er erstmals auf die Saiten trifft. Doch dann transformiert der Klang in eine fast ätherische Harmonie aus drei Violinen und einem Cello, öffnet sich zu einem Kopfkino, das Märchenschlösser und Königspaare auf reitenden Pferden alt aussehen lässt.
Doch bei aller Schwärmerei bleibt ein kleiner Moment der Ernüchterung nicht aus. Das sanfte Kerzenlicht, das den Raum so magisch erscheinen lässt, ist in Wahrheit das Werk moderner LED-Kerzen. Eine Kleinigkeit, sicherlich, die nicht zuletzt auf Brandschutzvorgaben zurückzuführen ist – doch inmitten dieser liebevoll inszenierten Illusion fällt es auf. Es ist eine Erinnerung daran, dass diese Konzerte eben nicht in altehrwürdigen Konzertsälen stattfinden, sondern als Franchise-Event in unterschiedlichsten Städten und Locations gastieren. Hier in Dortmund hat es mich in den Schauburger Theatersaal verschlagen, nachdem ich vor einiger Zeit die Tickets als Weihnachtsgeschenk erhalten habe. Wie viel die Tickets genau gekostet haben, weiß ich als beschenkte nicht, aber vielleicht macht mich das auch wohlwollender und weniger anfällig für Skepsis. Im Internet stoße ich auf Preise von 35-60 Euro, je nach Sitzlage.
Und dann beginnt das eigentliche Konzert mit der ersten Melodie – love story. Hach ja, der Fisch (das wäre dann wohl ich), hat dabei natürlich schon angebissen. Welches Lied eignet sich auch besser für so einen Abend als ein Song, der die Geschichte von Romeo und Julia nacherzählt? Ein bisschen treibt es mir die Tränen in die Augen. Wegen der trockenen Luft im Saal. Natürlich nur deswegen.
Während einige der Arrangements durchaus reizvoll klingen – besonders das von „Enchanted“, das mit seinen märchenhaften, royalen Melodien als klassische Interpretation wunderbar aufblüht, gibt es auch Stücke, bei denen die Umsetzung weniger überzeugt. Die Bridge von „Shake It Off“ beispielsweise ist kaum wiederzuerkennen.
Zwischen den Musikstücken werden kurze Hintergrundinformationen zu den jeweiligen Alben von Taylor Swift vorgelesen – ein netter Versuch, dem Konzert etwas mehr inhaltliche Tiefe zu verleihen. Ist ja auch alles schön und gut. Dass sich diese Infos eher an die Begleitungen der Fans zu richten scheinen, die mehrheitlich als männlich gelesen werden, überrascht nicht. Etwas schade ist es trotzdem. Während die Swifties im Publikum die Songs mitsummen und innerhalb der ersten drei Noten erkennen, wird ihr umfassendes Fanwissen nicht genutzt. An manchen Stellen wünscht man sich so, dass die Musik noch stärker die emotionale Tiefe der Originalsongs einfängt, statt lediglich eine bekannte Melodie nachzubilden. Hier hätte man eventuell noch eine künstlerische Tiefe reinbringen können – etwa durch tiefere Analysen der Texte, die die Darbietung der Songs noch emotionaler machen würden. Auch die Mash-ups und somit gleichzeitig die Kürzung einiger Songs nehmen ihnen teils Wirkmächtigkeit als mitreißende Geschichten. Zeit sparen geht hier doch irgendwie vor Ausschöpfung des künstlerischen Potentials, denke ich mir. Zudem ist sofort klar: Stücke wie „Shake It Off“ wurden nicht gewählt, weil sie sich besonders gut für eine Streicherinterpretation eignen würden, sondern schlichtweg, weil sie große Hits sind. Hier waren nicht unbedingt Swifties am Werk, sondern Unternehmer:innen mit Marketinggeschick. Ich gönne es aber auch den Begleitpersonen, wenn sie wenigstens mal ein oder zwei Lieder wieder erkennen.
Am Ende ist mir auch bewusst: Es handelt sich um ein Franchise-Format, das in erster Linie die breite Masse ansprechen soll. Die Marke „Candlelight Concerts“ zieht derzeit auch mit Coldplay, Adele oder AC/DC die unterschiedlichen Fancommunities an, und allein der Name „Taylor Swift“ reicht aus, um die Säle restlos auszuverkaufen. Eine tiefere musikalische Auseinandersetzung oder eine kreative Neuinterpretation steht hier nicht zwingend im Vordergrund – es geht vielmehr darum, zu erkennen, dass Livemusik etwas ganz anderes ist als die Spotify Maschinerie, die der Musik auch immer einen Teil ihrer Magie klaut.
Fazit: Das Konzert hat mir gefallen. Besonders der Anfang, als die ersten Töne erklingen und der Saal dabei in diesen sanften Streicherklängen versinkt! Es war ein Genuss, einige der bekannten Melodien in dieser neuen Form zu hören, auch wenn nicht jedes Arrangement restlos überzeugt. Würde ich das Event nochmal besuchen? Vielleicht – wenn die Songauswahl ganz neu wäre oder wenn das Ensemble aus noch mehr Streichinstrumenten bestünde. Ich würde jedoch sagen, der Unterhaltungsanspruch steht hier etwas mehr im Vordergrund als der künstlerische. Insgesamt hat mich das Konzert berührt und es ist mehr als nur der Versuch, sich an einem Trend zu bereichern. Jedenfalls fühlt es sich nicht so an.
:Levinia Holtz
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