Bild: „Leistet Wiederstand gegen den Faschismus!“ :Steven Schöpper

Reportage

Ich schaue auf den Fahrplan in der U35, noch zwei Stopps bis zum Hauptbahnhof. Ich schaue nochmal auf mein Handy, um den Social Media Post zu checken, der heute am 14. Februar zur Demo aufruft. Es ist das erste Mal, dass ich auf eine Demo als Journalist gehe, ich bin schon etwas nervös. Auf der anderen Seite wollte ich schon seitdem ich Interesse an Journalismus gefunden habe, mal so etwas machen. Über Demos zu berichten ist in meinen Augen sehr wichtig und interessant. Als ich wieder hochschaue, sind wir schon da. Ich gehe aus der Bahn und nach oben in die Bahnhofshalle. Da sehe ich schon die ersten, die mit Schildern, Flaggen und Transparenten Richtung Vorplatz gehen. Ich hänge mir noch schnell meinen Presseausweis um und mache mich mit einem Patch mit dem Aufdruck „Press“ als solche erkenntlich.

Als ich rausgehe, sehe ich die Traube an Menschen, die sich um einen Van mit Lautsprecher sammelt. Die Demo-Wagen werden von den Veranstaltern genutzt, um Musik abzuspielen oder Parolen anzustimmen und natürlich sehe ich dort dann auch die ersten Polizist:innen. Eine ganze Reihe von Transportern der Polizei ist vor dem Bahnhof geparkt und die Polizei hat ebenfalls auch die Straße vor dem Bahnhof gesperrt; der Verkehr wird umgeleitet.

Bevor die Demo sich in Bewegung setzt, werden vom Demo-Wagen noch einige Worte an die Versammelten gesprochen. Es wird sich für das zahlreiche Erscheinen bedankt, gebeten friedlich zu bleiben und Stimmung für den bevorstehenden Lauf durch die Stadt gemacht. Als sich die Demo dann vom Bahnhof in Richtung Bochumer Fenster bewegt, werden die ersten Parolen angestimmt: „Ganz Bochum hasst die AfD“. Ich laufe ein Stück vor und stelle mich an den Rand, um den Demo-Zug zu beobachten und mir die vielen Plakate und Fahnen anzuschauen.

Einmal ist mir die große Flagge des Kinder- und Jugendzentrums „die Falken“ aufgefallen, außerdem gab es vorne ein großes Transparent „In Bochum steht die Brandmauer“ und ein weiteres mit den Bildern von Lindner, Merz und Wagenknecht, wo draufstand „Nieder mit der AfD und ihren Verbündeten.“ Des Weiteren habe ich viele kreative Schilder von Demonstrierenden gesehen, Fahnen wurden geschwenkt, einige hatten Lichterketten um den Hals und die Stimmung war ausgelassen. Immer wieder hörte man in den Häuserschluchten die Rufe „Avanti Antifa!“, „Leistet Wiederstand gegen den Faschismus!“ und „Nazis raus!“.

Ich war sehr inspiriert und beeindruckt, wie viele Menschen hier zusammengekommen sind, um zu demonstrieren. Besonders, da es schon im Vorfeld immer wieder Kritik der CDU und der AfD zu diesem Thema gab und mit Falschbehauptungen alle Menschen, die sich an dieser Demonstrationswelle beteiligt haben, als linksradikal hingestellt wurden. Aber die Realität ist nun einmal eine andere. Hier habe ich Menschen von Gewerkschaften gesehen, die mit ihren Flaggen gelaufen sind, queere Vereine, Omas gegen rechts, Feministen*innen. Dies hier ist die Mitte der Gesellschaft, auch wenn das Menschen wie Merz nicht akzeptieren wollen. Politische Parteien, waren übrigens nicht erwünscht, zumindest nicht, wenn sie Symbole ihrer Zugehörigkeit dabeihatten. Ich konnte auch nicht erkennen, dass sich jemand nicht darangehalten hätte.

Nach der Tour durch die Innenstadt ging es am Rathaus vorbei. Hier ist mir aufgefallen, dass offenbar nicht alle Straßen abgesperrt wurden von der Polizei. Einige ungeduldige Autofahrer standen nur Meter neben der Demonstration, mit laufendem Motor. Keine Polizei zu sehen, denn die Beamt:innen, liefen nur vorne und hinten mit der Demonstration mit. Dort hätte ich wirklich mal gerne gewusst, was das Sicherheitskonzept gewesen ist. Die paar Ordner, welche alle mit Binden gekennzeichnet waren, hatten wohl nicht die Aufgabe irgendwie den Verkehr umzuleiten oder zu stoppen.

Nach einer Runde auf dem Stadtring ging es rechts ab, Richtung Musikschule. Als ich neben der Demo auf dem Grünstreifen gelaufen bin, kam eine Situation, die mich fast zu Tränen gerührt hat. Eine Gruppe junger Männer lief neben mir und rief ganz laut: „Was ist den los? Warum seid ihr so leise? Alle zusammen, gegen den Faschismus!“. Wie eine Welle ging es dann durch die ganze Demonstration und alle stimmten mit ein, so laut wie nichts anderes an diesem Abend. Es hat mich sehr gerührt, so ein Gemeinschaftsgefühl und einen Zusammenhalt zu erleben.

Am Bermuda vorbei ging es hoch zum Schauspielhaus und davor nach links. Dort habe ich kurz mit Robin geredet, einen der Ordner an dem Abend und ein Bekannter von mir. Er sagte, dass er bisher sehr zufrieden mit dem Verlauf gewesen sei, nur gab es wohl einen Vorfall, dass jemand von einem Balkon eine Glasflasche Richtung Menge geworfen hatte. Eine unschöne Erinnerung, dass es leider auch immer noch so etwas gibt.

Ich habe mich dann aber schnell verabschiedet und bin weiter neben der Demo hergelaufen, es kamen mir dabei mehrere Menschen entgegen, die offenbar nicht so für das Einstehen, was auf der Demo vermittelt werden sollte. Weiß, männlich gelesen, kurze blonde Haare, Northface Jacke. Fast jeder, der sich in meiner Hörweite abfällig gegen die Demo geäußert hatte, passte auf diese Beschreibung. Leider sehen wir auch an der Wahlstatistik, dass diese Zielgruppe überdurchschnittlich viel die AfD wählt oder allgemein konservativer.

Am Ende der Straße ging es dann links wieder Richtung Bahnhof und dann einmal rechts hinter dem Bonhof lang auf die 226. Dort endete die Demo dann auch unter der Eisenbahnbrücke, neben dem Hauptbahnhof. Dort treffe ich auf bekannte von mir, diesmal aus dem AStA bzw. Stupa: Alina und Ilja. Beide sprechen mich an und ich unterhalte mich kurz mit ihnen. Anscheinend sind Vertreter:innen aller Stupa Fraktionen auf der Demo vertreten und alle waren sich einig, dort als Repräsentierende der Studierendenschaft präsent zu sein. Unser Gespräch wird durch eine Drohnenshow unterbrochen, die plötzlich am Himmel zu sehen ist. Gesponsort wurde diese durch „Kein Bock auf Nazis“, die für den Anlass Spenden gesammelt haben.

Nach der Show verabschiede ich mich und mach mich wieder auf den Weg zur Bahn. Ich bin schon sehr beeindruckt gewesen, wie Bochum hier zusammengekommen ist, um so etwas auf die Beine zu stellen. Aber für mich ist es auch etwas schwierig, als ich in der bahn nochmal über alles reflektiere. Denn was ich bisher nicht erwähnt habe, ist, offensichtlich war ich nicht wirklich gerne gesehen auf der Demo. Also nicht ich persönlich, sondern als Vertreter der Presse. Ich hatte am Anfang versucht Leute anzusprechen, um etwas mehr über Motivation und Beweggründe der Menschen in Erfahrung zu bringen. Reden wollte mit mir aber niemand. Kann ich verstehen, es muss keiner machen und wenn man auf einer Demo nicht mit der Presse reden will, ist dies natürlich voll in Ordnung. Leider ist es aber auch so gewesen, dass Menschen vor meine Füße gespuckt haben, als ich am Rand die Demo beobachtet und Notizen für diesen Artikel gemacht habe. Toll fühlt man sich natürlich nicht dabei. Es hat mich schon etwas erschrocken, da ich mit solchen Reaktionen nicht gerechnet habe. Wo ich aber über das Erlebte nachgedacht habe, fing ich an zu verstehen, warum es diese Ablehnung gegenüber der Presse gibt. Es ist ja seit Jahren so, dass die „Lügenpresse“ bei Schwurblern und Rechten nicht beliebt und nicht gerne gesehen ist. Seit einiger Zeit ist es nun so, dass auch bei solchen Demos gegen rechts, Presse keinen guten Ruf mehr hat.

Es liegt vor allem wie über so etwas berichtet wird. Immer häufiger liest man Vorwürfe oder Kontexte, die Menschen und solche Veranstaltungen schlecht dastehen lassen. Aus der Berichterstattung kann man ganz klar Vorbehalte gegen die Demonstrierenden herauslesen. Links oder eben einfach gegen rechts, wird häufiger in solchen Artikeln mit Links-Extrem verglichen. So etwas und die konstante Berichterstattung über die AfD, für mehr verkaufte Zeitungen, macht schon viel Vertrauen bei Jungen nicht rechten Menschen weg. Auch wenn ich es natürlich nicht so gerne habe, wenn man in meine Richtung spuckt, kann ich verstehen, woher der Frust kommt. Ich hatte ja schließlich nicht draufstehen, für wen ich schreibe. Ich bin trotzdem froh, da gewesen zu sein und diese Demo zu erleben. Mein Highlight war definitiv eine ältere Dame, die an mir vorbei in der Demo gelaufen ist. Sie stimmte alleine und relativ leise das wunderschöne Lied „Bella ciao“ an. Eines meiner Lieblingslieder, nicht wegen Haus des Geldes, die Serie habe ich nicht gesehen. Mit diesen Gedanken beende ich meinen Abend auf der Demo, als ich in der U35 Richtung Herne fahre. Mir hat dieser Abend gezeigt, wie schön es sein kann, wenn Menschen für ein gemeinsames Ziel zusammenkommen. Da dieses Ziel ist, Toleranz und Vielfalt in diesem Land zu erhalten, bin ich umso mehr begeistert und freue mich auf das nächste Mal. Bis es irgendwann hoffentlich nicht mehr nötig ist, gegen rechts auf die Straße zu gehen. 

:Steven Schöpper

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