Vor einem Jahr, am 31.Januar 2024, stand Marcel Reif (ehemaliger Fußballkommentator) vor dem deutschen Bundestag und rührte mit diesen Worten Menschen in ganz Deutschland zu Tränen. Anlässlich des Holocaust-Gedenktages wurde er eingeladen, um über seinen Vater zu sprechen. Dieser war Überlebender der Shoa und hatte Reif diese jiddischen Worte als Mahnung für die Zukunft gegeben.

Marcel Reifs Vater, Leon Reif, lebt heute nicht mehr, wie so viele Zeitzeugen der NS-Zeit. Mit ihrem Verschwinden, verschwindet auch zum Teil die Erinnerung. Immer wieder gibt es Aufforderungen, jetzt selbst die Geschichten dieser Menschen weiter zu erzählen, auf dass die Erinnerung an sie niemals in Vergessenheit gerät. Doch wie schafft man dies in Zeiten des wiederaufkommenden Faschismus und Rechtsextremismus?

Erinnerungskultur am Leben halten — das wird in Deutschland heute größtenteils über die Gedenkstätten gemacht. Dachau, Neuengamme, Buchenwald – dies sind nur die bekannteren Namen von ehemaligen Konzentrationslagern, die heute noch auf deutschem Boden liegen. Das Unfassbare fassbar zu machen, ist die Aufgabe, die diese Gedenkstätten haben. Durch Ausstellungen, Interviews mit Zeitzeugen, Fotos und das Erhalten der Lager in einem möglichst originalgetreuen Zustand, soll Besucher:innen ein Eindruck von dem Geschehen von damals übermittelt werden. So kommen Schulklassen und Interessierte aus vielen Ländern, um diese Gedenkstätten zu besuchen. Aber nicht nur die Arbeit vor Ort ist wichtig, mittlerweile sind viele der Gedenkstätten in den sozialen Medien und leisten dort ihre Aufklärungsarbeit. Dort trifft man aber dann genau auf das Problem, welches die Aufklärungsarbeit überall, also auch in den Klassenräumen und bei Veranstaltungen, so schwierig macht: Holocaust-Leugner:innen.

Diese Menschen gab es leider schon seit dem Ende des 2. Weltkrieges und es waren überwiegend Nazis, welche ihr Image moderater in der Öffentlichkeit präsentieren. Denn wenn der Holocaust nur ein Fall von „Sieger-Justiz“ und eine Lüge ist, die erfunden wurde, um Deutschland zu bestrafen, dann können sich diese geistigen Nachfolger der Nazis als Opfer des Krieges hinstellen und behaupten, sie wären gar nicht die Bösen gewesen. Mittlerweile ist den Holocaust zu leugnen aber im Internet zu einem echten Problem geworden, vor allem wegen der fehlenden Content-Moderation und der Anonymität vieler Accounts. In den Jahren seit dem Aufkommen der AfD, steigen die rechten Straftaten ständig an. Ganz vorne mit dabei ist Holocaustleugnung und das Hochladen verfassungsfeindlicher Inhalte und Kommentare in den sozialen Medien. Das Problem ist, wie viele Menschen diese Fehlinformationen erreichen. Denn in den vergangenen Jahren ging das Vertrauen der Bevölkerung in die Wissenschaft zurück, Verschwörungsmythen und Schwurbeln wurden mehr. Leute mit solchen Gedanken finden im Internet schneller Gleichgesinnte als sie es im echten Leben je könnten. Sie teilen Verschwörungstheorien und tauschen sich aus –auf TikTok, X oder auf Telegram.

Auch wenn jemand am Anfang kein:e Holocaust-Leugner:in ist, so kann er von Videos und Falschinformationen doch beeinflusst werden und anfangen zu zweifeln, ob nicht das, was in der Schule beigebracht wird, alles Lügen sind. Warum ein Mensch dies anfängt zu glauben, liegt häufig daran, dass er sich in einer sogenannten „Echokammer“ befindet. Diese funktioniert wie ein von der Außenwelt abgeschlossener Raum im Internet. Im Grunde ist so ein Mensch in einem Teil des Internets von seinem eigenen Algorithmus gefangen. Dieser schlägt ihm immer wieder Content vor, welcher ähnlich zu dem ist, mit dem er zuvor interagiert hat. Also wenn jemand ein Video von Holocaust-Leugner:innen schaut und kommentiert, auch wenn es nur eine Frage ist oder Kritik, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch nochmal ein ähnliches Video vorgeschlagen zu bekommen.

Das entwickelt sich leider auch weiter: Weil ähnliche Hashtags oder Inhalte vom Algorithmus erkannt werden, landen Aufklärungsvideos auch auf der Timeline von Rechtsextremen und Holocaust-Leugnern. Diese fluten dann die Kommentare und geben Leuten das Gefühl, dass sehr viele Menschen anscheinend nicht an den Holocaust glauben würden und ihn leugnen. Vielleicht fangen deswegen noch andere Menschen an, an den Informationen über den Holocaust zu zweifeln, wenn so viele ihn hinterfragen – kann da was dran sein? Nein, ist darauf die ganz klare Antwort. Nur weil eine Kommentarspalte auf TikTok voll von diesen Menschen ist, heißt es noch lange nicht, dass diese Menschen Recht haben oder einen großen Anteil an der deutschen Bevölkerung ausmachen.

So gestaltet sich die Aufklärungsarbeit schwieriger denn je, vor allem, weil es kaum noch Zeitzeugen gibt. Jemanden ins Gesicht zu sagen er lügt und würde sich das nur ausdenken, fällt den meisten schwieriger, als es über das Internet jemanden zu schreiben. Es direkt aus dem Mund einer betreffenden Person zu hören, ist eben für viele nochmal was anderes. Mit der steigenden Popularität des Rechtsextremismus werden Holocaust-Leugner:innen mutiger, sie posten mehr und dadurch fangen nun immer mehr Leute an, daran zu glauben. Auch die Aufklärung in den Schulen scheint nicht mehr den Zweck zu erfüllen, da viele junge Menschen nun auch anfangen, rechte Parteien wie die AfD zu wählen.

Es wird also immer wichtiger und gleichzeitig immer schwierigen über den Holocaust aufzuklären und den Fehlinformationen aus dem Internet, Einhalt zu gebieten. Umso wichtiger ist also, die Aufklärung online zu machen und Lügen sowie Fehlinformationen als solche zu erkennen, sie zu melden und sich gegen sie auszusprechen. Aber auch die sozialen Medien müssen zur Verantwortung gezogen werden und solchen Content entfernen und zur Anzeige bringen. Auch wenn dies eine schwierige Aufgabe ist, darf man den Extremisten keine Narrenfreiheit im Internet geben, ansonsten stellt dies eine ernsthafte Gefahr für die Demokratie da, welche jetzt schon unter Geschichtsrevisionismus leidet. Nie wieder ist Jetzt! Dies ist für uns Rechtschaffende nicht nur ein Versprechen, sondern muss gelebte und absolute Wirklichkeit sein. Wir alle sollten uns in diesen Tagen an die Worte von Leon Reif erinnern und sie verinnerlichen, da wir die Menschlichkeit in unserer Gesellschaft nun am aller meisten brauchen. In dem Sinne: „Sej a Mensch“ und lebe auch so.

:Steven Schöpper

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