Am 2. Dezember kamen die deutschen und italienischen Nationalspielerinnen für ein Länderspiel ins Vonovia Ruhr Stadion.Entgegen aller Erwartungen kam es beim Spiel ganz anders als gedacht.
Ich halte mir ungläubig die Hand an die Stirn und denke: Das könnt Ihr doch besser! Doch der Angriff der Italienerinnen ist erfolgreich. Es hat gerade mal die elfte Minute begonnen und ein Abwehrfehler bringt das Runde ins Eckige. Linder zieht als linke Innenverteidigerin in die Mitte und will auf Doorsoun spielen, doch stattdessen spielt sie Cambiaghi den Ball vor die Füße. Wenig später bedient sie Bonfantini, die das 1:0 für die Azzure landet.
Stimmung für die deutschen Frauen?
Aber erstmal alles auf Anfang: Es ist ungefähr 20 Uhr, ich betrete eine halbe Stunde vor Anpfiff das Stadion. Hier ist ein bisschen was los, wenn auch deutlich weniger, als bei den Bundesliga Spielen des VfL Bochum. Insgesamt wird es über 15.000 Zuschauer:innen ins Stadion treiben, insgesamt würden maximal rund 27.500 reinpassen. Die Leute, die gekommen sind, scheinen in guter Stimmung zu sein. Viele haben im Abendwind wehende Flaggen bei sich, tragen Deutschland-Merch oder auch Schminke in den Farben der Nationalflagge auf den Wangen. Es überrascht mich wenig, dass ich hier mehr weibliche Personen sehe als es wohl bei einem Spiel der Männer der Fall wäre. Ab und zu entdecke ich einige junge Männer, die darüber reden, nur für’s Bier gekommen zu sein. Dabei frage ich mich, inwieweit dies die Wahrheit oder eine Ausrede ist. Schließlich sind Fußballspiele von Frauenteams noch stigmatisiert. Gleichzeitig gibt es auch Stimmen, die per se die Leistungen der Spielerinnen bemängeln. Ja, man glaubt es kaum, aber es gibt auch noch konstruktive Kritik! Es heißt dabei oft, es passiere zu wenig, es käme keine Spannung auf oder die Spielerinnen hätten keine hinzurechnende Taktik.
Ängstlicher Auftakt
Weg von den Gedanken, hinein ins Spiel! Die erste Spielhälfte verläuft — beschönigt ausgedrückt —eher holprig. Ich erhoffe mir mehr, vor allem, weil die Bilanzen der letzten Spiele Hoffnung für Deutschland aufkeimen lassen: 2018 sind die beiden Teams das letzte Mal auf einander getroffen und Deutschland siegte mit 5:2. Überhaupt waren 17 der insgesamt 18 Duelle auf Deutschlands Kappe gegangen.
Doch in diesem Testspiel des Teams von Christian Wück scheinen die Uhren in der ersten Hälfte anders zu stehen. Die deutsche Mannschaft wirkt schüchtern, wenn nicht sogar verängstigt. Niemand traut sich wirklich, etwas zu starten. Das macht es den Italienerinnen leicht.
Dennoch bin ich erstaunt, wie schnell das 1:0 fällt. Torfrau Mahmutovic spielt den Ball leider dem italienischen Sturm vor die Füße und liefert ihm eine echte Steilvorlage. Die Debütantin sollte sich im Tor an diesem Abend leider nicht nur diesen Fehler leisten. Aber in der elften Minute ist für die Elf noch lange nicht alles entscheiden. Es heißt also den Ball flach zu halten und nicht den Mut zu verlieren! Wörtlich sollte man diese Redewendung im Fußball jedoch nicht unbedingt nehmen. Gerade in diesen Momenten braucht es endlich Bälle im Sturzflug, denke ich mir. Mehrere Aktionen der Azzure drohen jedoch auch noch mit einem zweiten „blauen Wunder“.
Kabinenpsychologie
Endlich bricht die zweite Halbzeit an. Und in der Kabine scheint die ein oder andere eindrückliche Ansage an das Selbstbewusstsein der Spielerinnen gemacht worden zu sein. Die braucht es auch! Nun geht‘s endlich mit mehr Angriffslust zurück aufs Feld. Jetzt passieren Aktionen, die Spannung im Stadion aufbauen. Der Schwarzmalerei vom Anfang weicht auf dem Feld dann auch ein Treffer direkt ins Schwarze! In der 51. Minute ist es Felicitas Rauch, die den Ball ins Tor der Calciatrice köpft. Endlich der heiß ersehnte Ausgleich — das Stadion ist außer sich!
Anschließend hat Deutschland weitere sehr gute Chancen. Dann in der 59. Minute: Klara Bühl zieht einen Eckball direkt aufs Tor. Alle atmen gespannt ein. Aber die Kugel schlägt an den langen Pfosten. Schade!
In der 69. Minute geht Laura Freigang nach einem Schussversuch im Strafraum zu Boden. Das ist für die Schiedsrichterin in Ordnung, weil Freigang dabei eigentlich in eine italienische Spielerin gekracht war. Trainer Christian Wück sieht das nicht nur anders — er sieht anschließend auch Gelb.
Deutschland braucht (k)ein blaues Wunder
Die Italienerinnen bleiben präsent. In der 72. Minute kommt Cambiaghi nach einer Ecke am kurzen Pfosten frei zu Schuss. Gefährlich! Aber Lea Schüller kann den Schuss blocken. Kleinherne spielt allerdings nur zwei Minuten später unter Druck zurück auf Torfrau Mahmutovic. Diese will die erste heranlaufende Italienerin austricksen — und schießt den Ball stattdessen mit einem Haken vor die Füße von Cantore. Diese lässt sich die Chance natürlich nicht entgehen und — Tor für Italien! Jetzt muss Deutschland aufholen!
Nach vielen Wechsel auf beiden Seiten scheinen die taktischen Konzepte etwas vernachlässigt zu werden. Tore scheinen für beide Teams jedoch noch möglich. Aber auch als die Nachspielzeit von fünf Minuten ansetzt, kann Deutschland noch keinen Ausgleich erzielen. Gräwe versucht es nach einer abgewehrten Flanke ein letztes Mal aus 20 Metern. Aber die italienische Torfrau Giuliani kann Italiens Führung sichern. Beim Schlusspfiff herrscht bittere Ernüchterung.
Was steckt noch in der deutschen Mannschaft?
Ich hatte heute von der deutschen Nationalmannschaft mehr erwartet.
Dennoch ist mir bewusst, dass es sich um ein Testspiel und in der Hinsicht um eine Möglichkeit zum Experimentieren gehandelt hat. Auch muss sich das Team mit dem Rücktritt von Spielerin Alexandra Popp mit einem hohen Verlust arrangieren. Es gab zudem auch eine merkliche Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit. Trotzdem passierten auf dem Feld Fehler, die einfach nicht hätten sein müssen. Wenn normale Pässe nicht ankommen, dann reicht es einfach hinten und vorne nicht. Vielleicht klingt das nach einem harten Urteil. Aber ich sage das, weil mich die Nationalmannschaft der Frauen in der Vergangenheit auch schon mehr überzeugen konnte. Dieser Abend war keine Glanzleistung, aber erinnert dennoch daran, dass an diese Mannschaft andere Ansprüche gestellt werden können.
: Levinia Holtz
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