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Angst – ein Gefühl, worauf die meisten gerne verzichten, wenn sie die Gelegenheit dazu haben. Sie ist schon seit Jahrhunderten tief in uns verankert und hat unsere Vorfahren oft vor Gefahren bewahrt. Im heutigen Zeitalter scheint sich das Verhältnis zu ihr ein Stück weit gewandelt zu haben.

Ob Horrorfilme, Geistergeschichten oder natürlich Halloween – für viele ist der Oktober DER Gruselmonat schlechthin. Während den einen bereits bei dem Gedanken an etwas Unheimliches die Knie schlottern, lieben andere den Nervenkitzel, den die Furcht mit sich bringt. Doch was genau ist Angst eigentlich? Prof Dr. Dr. Katharina Domschke von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg bezeichnet Angst als „Alarmsystem“ unseres Körpers: „Das Gefühl vermittelt die Botschaft: Achtung, hier lauert Gefahr! Angst macht unseren Körper und Verstand wacher, dadurch können Menschen die sogenannte Fight-, Flight- oder Freeze-Reaktion zeigen – auf Deutsch Kampf-, Flucht- oder Starre-Reaktion.“ Gesteuert wird das Angstempfinden dabei von der Amygdala, einem Teil des Gehirns, das die emotionale Bewertung einer Situation übernimmt und dementsprechende Signale weitersendet. Je nach Einschätzung der gegebenen Situation kommt es zu einer Angstreaktion, bei der Adrenalin ausgeschüttet wird.
Gruseliges Zeug ist eben nicht für jeden etwas, das habe ich in letzter Zeit immer wieder festgestellt. So kann meine Mitbewohnerin zum Beispiel absolut nichts mit Horrorfilmen anfangen, Überreden funktioniert auch nicht – die sind ihr eben einfach nicht geheuer. Ich hingegen finde, dass es an einem Herbstabend nichts Besseres gibt, als sich in eine Decke zu kuscheln und genau so einen Film anzumachen. Das gleiche gilt für sogenannte „Horrorhäuser“, wie es sie im Moviepark oder manchmal sogar auf der Kirmes gibt. Keine zehn Pferde kriegen meine Mitbewohnerin darein gezogen – ich hingegen brauche kein einziges Pferd, um meinen Fuß über die Schwelle des „Murder Museums“ oder des „Hell Houses“ zu setzen. Mir macht es Spaß, mich zu gruseln.
Aber ist das nicht irgendwie seltsam, dass die einen sich bis zum geht nicht mehr davor fürchten sich zu fürchten, während andere den Spaß ihres Lebens dabei haben?
Jein, es gibt sogar einen Begriff dafür, dem Ihr bereits im Titel begegnet seid: Angstlust. Ein Gefühl, das genauso ambivalent ist, wie das Wort selbst. Es bezieht sich einerseits auf die Lust am Angstempfinden, andererseits meint es auch das Gefühl, das sich nach der Bewältigung einer angstbesetzten Situation einstellt. Man gruselt sich also gerne und sogar zum Vergnügen. Der Neurowissenschaftler Prof. Dr. Simon B. Eickhoff erklärt dazu: „Wir wissen in solchen Situationen auch, dass entgegen der etwas anderes nahelegenden Sinneseindrücke eigentlich nichts passieren sollte. Diese Ambivalenz der angstauslösenden Eindrücke bei gleichzeitig bekannter Sicherheit ist genau das, was sich beim Gruseln bemerkbar macht.“ Furcht, Hoffnung und Wonne werden zum Grundelement der Angstlust. Das Gefühl, sich zu fürchten, wird also positiv wahrgenommen – man empfindet es als vergnüglich, denn im Grunde wissen wir, dass zum Beispiel ein Freddy Kruger uns nicht wirklich schaden kann, wenn wir den Film über ihn anschauen. Das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit ist in diesem Moment nämlich größer, als die Angst selbst. Uns einen Schrecken einjagen und den Körper in Alarmbereitschaft versetzen, kann er trotzdem (vor allem dann, wenn das Verhältnis von Angst und Sicherheit kippt). Prof. Eickhoff ergänzt dazu: „Diese Alarmbereitschaft, die der Körper erlebt und die mit einem Schub von Adrenalin und Cortisol verbunden sind, kommt einher mit einem gewissen Hochgefühl.“ Die Furcht kitzelt in gewisser Weise unsere Nerven. In Angst- und Stresssituationen setzt unser Gehirn dann Endorphine frei, die eine euphorisierende Wirkung auf uns haben. Diese Reaktion war für unsere Vorfahren übrigens überlebenswichtig und führte unter anderem dazu, dass sie sich bereitwillig einem Risiko, wie zum Beispiel dem Feuer, aussetzten und so etwas Neues lernten.
Wenn wir uns Horrorfilme anschauen oder uns anderweitig gruseln lassen, suchen wir jedoch nicht nach real erlebter Furcht. Kaum einer würde von einem echten Serienkiller oder einem Geist verfolgt werden wollen. Wir geben uns also gerne der Illusion von Gefahr hin und genießen dieses Gefühl von einem gemütlichen Plätzchen aus, an dem wir keinen Schaden nehmen können. Ist der anfängliche Schreck erstmal abgeklungen, bleiben wir noch einige Zeit berauscht von den Endorphinen, die unser Gehirn zuvor freigelassen hat.
Es ist also nichts Komisches oder gar “Unnormales‟ dabei, sich gerne in Angst und Schrecken versetzen zu lassen. Prof. Dr. Borwin Bandelow, Präsident der Gesellschaft für Angstforschung, spricht in dem Kontext sogar von einer „archaischen Lust an Gewalt“, die tief in uns verankert ist und dem rationalen Denken sowie der sozialen Angst gegenübersteht. Diese „archaische Lust an Gewalt“ spielt in unser Lustempfinden mit ein und führt zu einer Art Faszination für die Gräueltaten, die uns in Film und Fernsehen begegnen.

:Alina Nougmanov

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