Reportage. Paris hat auch die Paralympischen Spiele gelungen über die Bühne gebracht. Wie es für mich war, vor Ort dabei zu sein, könnt Ihr hier nachlesen.
Bereits im Zug nach Paris merkte ich, dass ich scheinbar eine der wenigen war, die nicht gezielt für die Spiele in die französische Hauptstadt reiste. Gefühlt fuhr der halbe Zug zu den Spielen in die französische Hauptstadt, wo am nächsten Tag die Eröffnungsfeier der Paralympics stattfinden sollte. So war beispielsweise meine Sitznachbarin als Berichterstatterin für den Deutschen Ruderverband vor Ort eingesetzt und ein Mann schräg gegenüber reiste seiner Ehefrau hinterher, die als Prothesentechnikerin die Athletinnen und Athleten bereits in London unterstützt hatte.
Ich hatte nämlich über mein Ehrenamt, unabhängig von den Paralympics, die Möglichkeitbekommen, spontan nach Paris zu fahren. Erst, als ich meinen Freund:innen davon erzählte, fiel mir wieder ein, dass nach der Olympiade ja auch die paralympischen Spiele in Paris stattfinden würden. Auf die Frage einer Freundin, „Ach, guckst Du Dir die Paralympics an?“, dachte ich mir:Warum eigentlich nicht, schließlich kommt die Gelegenheit so schnell nicht wieder.
Die Karten für die Eröffnungsfeier fingen bei 150 Euro an und waren leider nicht ganz das Richtige für das Studi-Budget. Doch Paris sorgte auch abseits des Place de la Concorde für feierliche Stimmung: Bereits zu den olympischen Spielen aufgebaut und nun für die paralympischen Spiele beibehalten, gab es in jedem der zwanzig Arrondissements (so heißen die Stadtteile in Paris) Veranstaltungsorte. Unter dem Motto „Paris fête les jeux“ wurden hier Freizeitangebote für die Bevölkerung geschaffen und große Leinwände zum gemeinsamen Public Viewing der Feierlichkeiten und Wettkämpfe aufgebaut. Und so schauten wir der Eröffnungsfeier am 28. August zusammen mit vielen Pariser:innen und anderen Interessierten zu, und sahen, wie der bunte Zug an Athletinnen und Athleten feierte. Die Stimmung war ausgelassen, Familien, Freundesgruppen und Paare versammelten sich im Park des zehnten Arrondissements zum friedlichen Feiern.
Allerdings kamen wir die gesamten Tage nicht umhin, die erhöhten Sicherheitsmaßnahmen wahrzunehmen, die in der Stadt ergriffen wurden. So war der Park zum Public Viewing von vorneherein von der Polizei und dem Militär abgeriegelt und man kam nur nach einerTaschenkontrolle zu der Veranstaltung.
Polizei und Militär waren aber nicht nur bei den Veranstaltungen präsent – auch an den beliebten Sehenswürdigkeiten der Stadt war ihre Gegenwahrt deutlich zu spüren. Es war ein komisches und beklemmende Gefühl, Sightseeing zu betreiben und gleichzeitig schwer bewaffnete Polizei- und Militärangehörige neben sich zu wissen.
Lediglich die Wahrnehmung, dass diese sich nicht in einer angespannten Situation befanden, sorgte auch bei uns für etwas mehr Ruhe. Und nach der Pariser Vergangenheit war es sogar ein bisschen beruhigend, sich geschützt zu wissen. Eine Vergangenheit, die aber durch die permanente polizeiliche Aufmachung auch erst wieder in mein Gedächtnis gerufen wurde.
Aber zurück zu den eigentlichen Spielen: An Tickets für die Wettkämpfe zu kommen, war grundsätzlich leicht und vor allem nicht so teuer, wie bei der Eröffnungsfeier. Um die Stadien zu füllen und auch einem breiten Bevölkerungsteil die Möglichkeit zu geben, die Spiele live zu erleben, wurden Zufallsplätze bereits ab 15 Euro verkauft. Wir entschieden uns, Freitagabend Leichtathletik im Stade de France anzusehen, was eine Vielzahl an Wettkämpfen und Entscheidungen versprach. Zudem war es gar nicht so einfach, an Karten für Teamwettbewerbe mit deutscher Beteiligung zu bekommen, da die Veranstaltungen oft schon ausverkauft waren. Das lag vermutlich daran, dass diese oft für mehrere Spiele, die kurz hintereinander stattfanden, vergeben wurden.
Bei der Leichtathletik war leider nur eine deutsche Beteiligung, doch meine Mutter und ich feuerten Jule Roß bei ihrem 400-Meter-Lauf lautstark an. Dies allerdings aus der 63. Reihe, da uns diese Plätze zugewiesen worden waren.
Die Anreise zum Stade de France gestaltete sich relativ einfach, sofern man denn keine Einschränkungen hatte. Denn viele der alten und vor allem kleineren Metrostationen sind alles andere als barrierefrei. Schade, für eine Stadt, die die paralympischen Spiele austrug. Doch wenigstens an den großen Haltestellen und Bahnhöfen sowie an den Haltestellen zu den Veranstaltungsorten war viel Personal abgestellt, welches den Besuchenden behilflich war. Die Pariser Bahn hatte die Preise jedoch auch ordentlich angehoben, um das Personal zu finanzieren.
Bereits auf dem Weg zum Stadion vermischten sich Menschenmassen aus aller Welt und auch im Stadion selbst waren viele Nationen durch verschiedenste Flaggen repräsentiert. Die Wettkämpfe wurden auf Französisch und Englisch moderiert und Musik sorgte für gute Stimmung auf den Rängen, die auch uns ansteckte und den Regen in den Hintergrund rücken ließ. Zwischendurch wurde es im Stadion jedoch fast mucksmäuschenstill (oder zumindest so still, wie es in einem Stadion mit bis zu 80.000 Zuschauenden eben werden kann). Das kam daher, dass inzwischen mehrere Disziplinen gleichzeitig liefen und unter anderem der Wettkampf im Weitsprung in der Klasse T11. In dieser Klasse treten Athlet:innen mit Sehbehinderung an. Und die Weitspringer:innen orientieren sich mithilfe ihres Gehörs, um den Anlauf und Absprung richtig durchzuführen. Zunächst bekamen nicht alle Zuschauenden mit, dass vor einem Sprung Ruhe herrschen musste, doch im Laufe des Wettbewerbs musste die Stadionsprecherin nicht einmal mehr um Ruhe bitten: Das Publikum war so fasziniert von den Abläufen, dass der nächste Sprung schon gespannt erwartet wurde. Auch bei den anderen Disziplinen war es spannend, live beobachten zu können, wie vermeintliche Defizite mit den verschiedensten Hilfsmitteln und Techniken ausgeglichen wurden. Und so konnten wir auch noch die eine oder andere Medaillenvergabe feiern.
Paris zu den Paralympischen Spielen war eine unglaublich bereichernde Erfahrung, die auch einen neuen Blick auf die Stadt ermöglicht hat. Lediglich für einen nahen Blick auf das paralympische Feuer waren wir zu spät. Im Vergleich zu den vielen spannenden Eindrücken jedoch nur ein kleiner Wehmutstropfen.
:Sharleen Wolters
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