Bild: 10s 10s 10s across the board Bild: Adriano Vannini

„Come on, vogue. Let your body move to the music”, singt Madonna. Spätestens nach Pose ist Voguing erneut im Mainstream angekommen. Doch kein Voguing ohne, dass die Ballroom Culture wertgeschätzt wird! Dafür hier ein paar Infos, damit das ein oder andere Fettnäpfchen vermieden wird und Ihr nicht in kulturelle Aneignung abrutscht. 

Ballroom Szene und Kultur 

In Deutschland ist, das eine feste etablierte Szene, die es seit 2017 gibt. Diese hat sich, im Vergleich zur New Yorker Ballroom Szene, zuerst aus künstlerischem Können entwickelt. In den USA entstand die Szene aus einem politischen sozialen Widerstand, welcher von Schwarzen und Latinx trans Frauen geführt wurde, und daraus entwickelte sich der künstlerische Ausdruck beziehungsweise die Gehrart, der Tanz, die Posen etc. In Deutschland war die Szene erstmal aus dem Tanz entstanden, die sich dann zu sozialen Strukturen entwickelt haben, und zu Safer Spaces für marginalisierte Gruppen wurden. Diese sozialen Räume bilden die unterschiedlichen Häuser ab, die bei den Balls gegeneinander auftreten.   

Die Häuser 

The Houses funktionieren wie eine Form Familie. Es gibt die Führungsperson, namens Mother und die Children, die untergeordnet sind und von der Mutter vieles lernen. Die Mutter erklärt ihren Kindern den Ursprung der Ballroom Culture, sie lehrt ihnen die verschiedenen Ball-Kategorien und wie die Tanz-/Performance-Techniken ausgeübt werden. Dazu gehören Techniken wie beispielsweise Voguing, Male & Female Walk oder Stretching. In Europa gibt es unter anderem folgende Häuser: The House of Saint Laurent, The House of Ninja, The House of LaDurée. Dabei ist nicht außer Acht zu lassen, dass es The House of St. Laurent war, welches die Ballroom Kultur nach Deutschland gebracht hat.  

 

Achtung, weiße cis Meschen! 

Ballroom Culture ist ein Safer Space! Ballroom Cultureist trans BiPoC Kultur! In der Ballroom Kultur werden keine Menschen akzeptiert, die nicht solidarisch hinter trans Menschen stehen und diese beschützen. Es ist eine Kultur, die aus dem ästhetischen Erbe von Schwarzen und Latinx, trans Menschen besteht, und das muss wertgeschätzt und beschützt werden. Die Ballroom Kultur geht mit Aktivismus einher – das eine kann nicht ohne dem anderen bestehen. Es wäre eine Frechheit, wenn beispielsweise eine*r nur das Voguing nimmt, und trans Menschen diskriminiert. Mensch nimmt entweder das ganze Paket oder lässt es sein. Wenn (!) weißen cis Menschen erlaubt wird so einen Raum überhaupt zu betreten, dann wird Wertschätzung der Ballroom Kultur vorausgesetzt. Fragt euch, warum ihr an oder in einem Ball teilnehmen wollt: Ist es der Wunsch solidarisch mit LGBTQ+ Leuten zu stehen oder dient es einem Unterhaltungs-Zweck, mit dem du dich schmücken kannst? 

 Für mehr Infos schaut gerne hier rein: https://www.theaterdo.de/produktionen/detail/xtatic-ballroom-performance/

                                                                                                                                                                                                
 
Xtatic Pleasures“ – so das Motto für die zweite Ausgabe des Queer-Festivals 2022 im Schauspiel Dortmund, das vom 16. bis 19. Juni stattfand.  Von Lesung bis Schauspiel war alles dabei. Highlight des Festivals war: Die XTATIC-BALLROOM-Performance. Crystal Saint Laurent und drei internationale Ballroom Houses – The Iconic House of Saint Laurent, The House of La Durée und The Iconic House of Ninja – übernahmen die Bühne und treten gegeneinander an. Dazu war ich live vor Ort – hier meine Eindrücke. 

Der Auftritt fand auf einer Bühne statt, die einen Laufsteg hatte, der direkt ins Publikum führte. Während die Besucher:innen ihre Plätze einnahmen, lief eine live DJ Session ab. Jap, ihr hört richtig – es war ein Ball mit Sitzplätzen. Der ein oder anderen Person mag das komisch vorkommen, weil Balls eigentlich in einem Club-Ambiente stattfinden. Hierzu muss vorab erwähnt werden, dass es sich um eine reine Performance handelt und nicht um die typische Ball Kultur.   

Crystal Saint Laurent, Moderatorin des Abends, stellte zunächst einmal Carmel Koster aka DJ CeeKay und Co-Kommentatorin Tara vor. Von Anfang an machte Crystal dem Publikum klar, „we let you in, in our house – appreciate it!“. Daraufhin wurden die antretenden legendären Häuser vorgestellt. The Iconic House of St. Laurent machte den Anfang, dem folgte The House of La Durée und abschließend kam The Iconic House of Ninja Alle Teilnehmer*innen waren natürlich top gestylt und bewegten sich wie Queens, aber besonders fiel mir The House of La Durée auf. Sie traten in einheitlicher Farb-Kombi aus schwarz und Feuer-rot auf, und deren Mutter war am glowing mit ihrer Army Officer Cap und den ganz viel Ketten da drum.   

Die Mothers der Häuser kriegten einen Sitzplatz am Laufsteg. Sie stellten die Judges des Abends dar und da sie auch nni.jpgauftreten mussten, gab es ab und zu einen Judge-Wechsel. Die einzige Person, die kontinuierlich Judge blieb war Mary-Jo of La Durée, die sich wegen ihrer Bein-Verletzung schonen musste. Crystal erklärte den groben Ablauf des Abends und es ging direkt mit dem ersten Walk los, der einer der bekanntesten im Ballroom ist: Face Performance. The Iconic House of Ninja gewann diese erste Kategorie. Ingesamt gab es sieben Katergorien: Runway with a twist, Performance with a Prop, New Wave, Fashionkiller, Mother vs. Mother und die Publikumskategorie Best Dressed. Hinter jede der Kategorien steckte viel Überraschendes zu sehen, wie bunte Farben, ganz viel Glitzer, artistische Bewegungen und das alles von nicer Musik und energetisierenden Kommentaren der Mods begleitet. Zu Anfang war die Stimmund etwas almanmäßig gehemmt, aber nach jeder Kategorie lockerte das Publikum etwas auf. Für mich wurde totally wilde, als es zur letzten Kategorie kam. Tara und Crystal suchten zwei Auserwählten für den Walk Best Dressed aus und die Entscheidung fiel, durch euphorisches Zurufen des Publikums, schnell auf Energieball Valentina und mich. Bei unserer Performance taten wir alles, um unsere Kleider zu präsentieren und die Jury für uns zu gewinnen. Valentina, selbst Schauspielerin am Theater Dortmund, zog ihr schönes, besticktes, schwarzes, langes Kleid bis zum Busen hoch und ich wirbelte mit meinem roten, Blümchen-Kleid umher und kroch auf allen vieren vor der Jury her. Die Entscheidung fiel knapp aus, aber das kriechen und „boobies & booty shaken“ zahlte sich aus – ich gewann Best Dressed! Und bekam den einzigartigen Einblick die Energie von der Bühne aus einzufangen. Zum Ende war das ganze Publikum so hyped, dass alle standen und tanzten, während auf der Bühne sich alle Teilnehmenden mit einem „last walk“ verabschiedeten.  

Was euch aufgefallen mag – es gab keine richtigen Gewinner:innen und keine Preise. Das ist ein Unterschied im Vergleich zu typischen Balls. Dort gibt es pro Kategorie einen Preis, doch hier wurde es andersgehandhabt. Zum Ende hin sollte ein Gewinner:innen-Haus gekürt werden, doch wegen Zeitmangel fiel das weg. Was noch aufgefallen ist: Das Publikum war sehr weiß…und queer. Und die Sitzplätze waren natürlich etwas ungewohnt. Real Talk: Ich war zu Anfangs etwas verwundert darüber, dass gerade eine Bühne als Auftrittsort benutzt wurde. Ich habe mich geärgert, dass gerade dieser Club-Charme, welcher besonders in der Ballroom Kultur ist, weggenommen wurde und stattdessen so ein elitärer weißer Raum benutzt wurde. Aber im Nachhinein freue ich mich und sehe es als einen großartigen politischen Statement! Queere BiPoC haben mit ihrer Ballroom-Perfomance auf dieser Bühne weiße elitäre Strukturen aufgebrochen. Die Performance ist, was es ist: Eine Performance, eine Show, kein typisches Ballroom Battle. Die Show hatte einen Aufklärungscharakter, zum Beispiel wurde erklärt, was Runway with a twist bedeutet, (Catwalk  mit der Performance-Technick Female & Male Walk). Diesen finde ich besonders wichtig, gerade wenn der Raum für alle aufgemacht wird. Als ich mich beim Anstehen an der Schlange umguckte, hatte ich schon Sorge, dass Uwe und Annika sich erneut eine Kultur aneignen würden. Crystal und Tara haben mit ihrer Art und Weise zu moderiert das nicht zugelassen. Sie haben klar und deutlich gemacht, dass wir Gäst*innen in ihrer Kultur sind und diese respektieren und wertschätzen sollen. Die Stimmung an sich war energetisierend. Um es in den Wörtern der Befragten zu packen „Klasse Show, richtig geil!“, „richtig gut und mega schöner Abschluss!“, „energetic, educational, aber manchmal weird weil es so ein stop and continue war“, „super, aber wir haben eher erwartet wir stehen, aber es ist halt ein Theater“. Für die meisten war es der erste Ball und die kritischeren Stimmen kamen von Queens und Queers. Nach diesem Abend, mit so vielen tollen, wunderschönen und energiespendenden Menschen, habe ich definitiv Bock auf noch einen Ball. Aber dann ein richtiger Ball, wo ich auch mehr Energie mit queeren BiPoC Geschwister teilen kann. Ich freu mich jetzt schon drauf! 

:Nathalia Rodriguez

 

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