Bild: Symbolbild, Hat sich das Warten gelohnt? Bild: becc

Eines der größten deutschen Festivals ist vorüber. Meine Bilanz nach der zweijährigen Coronapause? Rock am Ring ist unzeitgemäß.     

 

Ich würde mich selbst als Festivalliebhaberin durch und durch bezeichnen. Das letzte Rock am Ring, das ich besucht hatte – Rock am Ring 2019 – zählt bis heute zu den besten Erinnerungen meines bisherigen Lebens. Und das sage ich ganz ohne Übertreibung. Entsprechend groß war meine Freude auf das diesjährige Festival, und im Nachhinein bleibt mir zu sagen: Ja, sie war angebracht und ja, ich wurde enttäuscht. 

Kurze und kleine Lichtblicke  

Insgesamt hat mir das Festival großen Spaß bereitet: Endlich wieder Konzerte, endlich wieder Bands auf der Bühne, die ich schon immer einmal live sehen wollte. Endlich wieder nächtelang wach, um mit Gleichgesinnten gute Musik zu hören, ein Bierchen (oder in meinem Fall eine alkoholfreie Bowle) zu zischen und Kontakte zu knüpfen. Denn das war neben der guten Musik das Highlight – ständig sind mir neue interessante Menschen über den Weg gelaufen, mit denen meine Freund:innen und ich sehr schnell und umgänglich ins Gespräch gekommen sind; das Gemeinschaftsgefühl am Ring war groß. Und das war schön, selbst auf den Campingplätzen herrschte eine weitgehend familiäre Atmosphäre unter „Zeltnachbarn“. Diese Harmonie hat mich beeindruckt, genauso sehr wie es mich irritiert hat, wenn sie gebrochen wurde.  

Feiern in Nürburg – veraltete Konzepte?  

Man darf nämlich nicht vergessen, dass zwischen diesen ganzen tollen Menschen, die gemeinsam mit uns feiern wollten, auch Personen gehockt haben, die meinten, bei dem Nürburgring handele es sich um Mallorca 2.0. Sie waren zum Saufen da, nicht mal unbedingt für die Musik, zum Saufen und dazu, Frauen unangemessen anzugraben und zu hoffen, eine Nummer abzugreifen. Vor allem von den Männern ausgerufene „Booty and Boobs“-Contest waren unter den Ballermann-Atzen sehr beliebt. Im Nachhinein haben die Veranstalter:innen von Rock am Ring auf Instagram in einer Story veröffentlicht, dass es auf dem Gelände diskriminierende und körperliche Angriffe gegen weiblich und queer gelesene Personen gekommen ist. Bei der vorher angeführten Klientel verwundert mich das nicht und ich frage mich: Wieso wurde nicht schon vor Ort so ein Verhalten unterbunden? Wieso wird im Nachhinein gesagt, dass so etwas auf dem Ring nicht geduldet wird, aber an jedem fünften Zelt hing ein Plakat, das Frauen dazu aufforderte, sich auszuziehen? Für mich unverständlich. Genauso unverständlich wie die nicht vorhandene Diversität auf Rock am Ring. Auf den Bühnen: (Alte) weiße Männer). (Alte) weiße Männer, die gute Musik machen, ja, mehr aber auch nicht. Einige junge und queere Bands wie Drangsal haben ihre Auftrittszeit dazu gebraucht, um auf diese Problematik hinzuweisen und selbst die befreundete Sängerin Mia Morgan auf die Bühne geholt – wenn es sogar bei den Bands ankommt, dass das Line-Up längst überholt ist, wieso nicht bei den Veranstalter:innen? 
Ein weiterer gravierender Negativaspekt von Rock am Ring ist das Müllmanagement. Bereits ab dem dritten Campingtag – dem ersten Festivaltag, dem Freitag – sind einige Bereiche der Campingplätze im Müll versunken. Und dieser Müll wurde auch liegengelassen, als sich die Verantwortlichen montags auf den Weg nachhause machten, genauso wie Zelte unterschiedlicher Größe, Pavillons und sogar Kühlschränke. Mich lässt es mit einer schockierten Ungläubigkeit zurück: Wie können wir in Zeiten des Klimawandels und des Umweltschutzes Festivals abhalten, die ganze Naturschutzgebiete in Müllhalden verwandeln – und es ist okay?  
Es entwirft sich ein Bild von Rock am Ring, das auf so vielen Ebenen unzeitgemäß ist, dass es mich wundern würde, wenn das Festival in den nächsten Jahren weiterhin gut besucht bleibt, wenn sich nichts ändert.                 

    :Rebecca Voeste

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