Der Sieger von Eurovision 2022 ist klar, und so endet auch die diesjährige Ausgabe der schillernden Musikveranstaltung. Nach vier Stunden Programm, mit Auftritten aller Kontrahent:innen, Rahmenprogramm und dem Verkünden der Stimmen, gab es einen klaren Platz 1. Highlights, Lowlights, Hintergründe, Infos und ein Blick zurück – das alles bekommt ihr auf dieser Seite!
Die Show
Nach dem Sieg und darauffolgendem internationalen Erfolg von Måneskin aus Italien im letzten Jahr, fand der Song Contest 2022 in Turin statt. War es die letzten Jahre wegen pandemiebedingten Einschränkungen und der entsprechenden gebührenden Vorsicht nicht in dieser Form möglich, kamen Musiker:innen und Publikum wieder nah beinander im PalaOlimpico zusammen, um dieses Ereignis gebührend zu feiern. Unter dem Motto The Sound of Beauty wurde das Publikum vor Ort und vor den Fernsehgeräten vom italienischen Duo aus Moderator Alessandro Cattelan und Sängerin Laura Pausini sowie dem libanesisch-britischem Sänger Mika durch den Abend geführt. Insgesamt schauten 183 Millionen Menschen die diesjährige Ausgabe des Song Contest. Und sowohl Moderation als auch das Pausenprogramm konnte sich sehen und hören lassen. Besonders der Auftritt von Mika schaffte es, zu bereits relativ später Uhrzeit, noch einmal richtig Stimmung zu bringen und für den Endspurt der Auszählung und Verkündung der finalen Ergebnisse wieder wach zu sein. Die Auftritte der Kontrahent:innen aus den verschiedenen Ländern waren dafür nämlich nicht immer unbedingt geeignet. Nicht fehlen durfte natürlich der Auftritt der letztjährigen Sieger:innen Måneskin. Die brachen mit ESC-Tradition und spielten einen neuen Song als Weltpremiere, statt denjenigen mit dem sie 2021 gewonnen haben. Als jemand, der den ESC mit Måneskin-Fans geguckt hab, kann ich bestätigen, dass der Song mehr zur Kenntnis genommen statt gefeiert wurde.
Die Highs und Lows
Das Finale des ESC 2022 startete stark. Tschechien und Rumänien brachten mit ihren Songs und der dazugehörigen Performance gute Stimmung. Besonders für mich persönlich war Rumänien ein früher Favorit – eine Meinung die weder Jurys noch Publikum zu teilen schien. Auch Portugal war stark, mit der ersten und einer der besseren Balladen des Abends. Und Balladen gab es wirklich zu genüge. Doch genauso stark wie es anfing, ging es dann bergab. Zuerst bewiesen The Rasmus aus Finnland , dass nicht alles aus den frühen 2000ern unbedingt ein Revival braucht. Mehr ein Versuch auf der Nostalgie-Welle („Ach wisst Ihr noch damals, The Rasmus?“) und dem letztjährigen Hype für Måneskin mitzureiten, war der Song alles andere als eindrucksvoll. Bis danach etwas kam, was in Erinnerung blieb, dauerte es eine ganze Weile. Norwegens Subwoolfer schafften es zumindest, wohl die anstrengendste Performance des Abends abzuliefern, mit einem Song, der gern „What Does The Fox Say?“ wäre. Armenien fiel vor allem dadurch auf, dass der Song „Snap“ erstaunlich viele klangliche Gemeinsamkeiten mit „Ho Hey“ von The Lumineers hat. Der Gastgeber Italien war ambitioniert, besonders schade ist dann natürlich, wenn mindestens einer der Sänger die zu treffenden Töne klar verfehlt. Für den sechsten Platz hat es trotzdem gereicht.
Erst Spanien schaffte es, mit der Startnummer 10, wieder etwas mehr Energie in die Veranstaltung zu bringen. „SloMo“ von Chanel war sowohl musikalisch als auch mit Hinsicht auf die Choreografie eine absolut stabile Performance, die einen wohlverdienten Platz auf dem Siegertreppchen gesichert hat. Um beim ESC eine Chance zu haben braucht man ein Alleinstellungsmerkmal. Das kann eine Mischung aus traditioneller und moderner Musik, eine traurige Geschichte, eine Coming-Out beziehungsweise Pride-Story oder einfach Sex Appeal sein. Eine Kombination aus den ersten beiden, und wahrscheinlich auch etwas Hilfe durch die internationale Solidarität mit ihrer Situation, brachte Kalush Orchestra aus der Ukraine schlussendlich den Sieg ein. Mit einer Mischung aus ukrainischer Volksmusik und Rap ging es bei „Stefanjia“ sowohl um die Mutter des Texters Oleh Psjuk, aber habe mit dem Krieg eine neue Bedeutung bekommen, so Psjuk. Dass die Ukraine auch ohne die politische Situation sicherlich einen guten Platz belegt hätte, da waren sich Moderator:innen und Kommentator:innen aller Art sicher. Ob es für den Sieg gereicht hätte, das bleibt unklar. Denn erst der überwältigende Support des Publikums, mit 439 von 468 möglichen Punkten, entschied das Rennen für die Ukraine, die nach den Jury-Stimmen auf Platz 4 lag.
Als nächstes war Malik Harris für Deutschland an der Reihe. Und damit auch schon genug dazu. In der zweiten Hälfte der Auftritte ging leider viel unter in dem Meer aus Balladen. Aserbaidschan und Australien lieferten gute Shows mit eindrucksvollen Stimmen ab, kamen damit bei den Jurys gut an – vom Publikum gab es jedoch nur sehr wenige Punkte, und somit musste man sich mit der unteren Hälfte der Tabelle zufriedengeben. Großbritannien scheint mit der Wahl eines TikTok-Stars alles richtig gemacht zu haben: einen stabilen zweiten Platz konnte Sam Ryder erreichen. Das alles mit einem sehr ESC-typischen „guck-mal-ich-kann-Singen“-Song und etwas sonderbarem Charme. Die Gruppe aus Moldau brachte wieder etwas Spaß und Energie, ohne dabei so aufgesetzt wie die Norweger zu wirken. Eine gute Idee, sowohl in Sachen Choreografie und Musik, als auch durch die Einbindung des Publikums mit einer Klatsch-Einlage im Refrain ließ den Serbischen Song „In corpore sano“ im Kopf bleiben. Der nächste Eurovision Song Contest soll nun also, entsprechend der Regeln, in der Ukraine stattfinden. Es wäre zu hoffen, dass dies nächstes Jahr um diese Zeit wieder möglich ist.
Politik und ESC
Das Grußwort und der Hilferuf der ukrainischen Gruppe, sowie auch die überwältigende Stimmenflut durch das Publik, waren etwas Besonderes. Doch neu ist es nicht, dass auf dem ESC auch aktuelle, politische Themen eine Rolle spielen, und das Verhältnis der teilnehmenden Nationen zueinander oft mindestens genauso wichtig ist, wie die Musik. Der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien hatte immer wieder Einfluss auf den Contest. Sowohl die Türkei als auch Aserbaidschan leugnen den türkischen Genozid an den Armeniern, und der Beitrag Armeniens für den ESC 2015 schien sich auf diesen zu beziehen. Nach Beschwerden wurde der Titel des songs von „Don‘t Deny“ zu „Face the Shadow“ geändert, und die armenische Delegation dementierte weiterhin politische Konnotationen. Als Israel 1978 den Song Contest gewann, wurde in vielen arabischen Sendern der israelische Auftritt mit Werbeunterbrechungen ersetzt, und die Übertragung wurde frühzeitig beendet, als sich ein Sieger abzeichnete. Statistiken der letzten Jahrzehnte lassen auch schnell klar werden, dass manche Länder sich besonders gern, oder besonders ungern, gegenseitig Punkte geben. So bilden die skandinavischen Länder einen solchen Cluster, und Irland und das Vereinte Königreich bevorzugen sich gegenseitig. Besonders beim Televoting durch das Publikum werden diese Präferenzen klar, während die Jurystimmen als vergleichsweise neutral bewertet werden.
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