Wegen eines Hacks sind Kryptowährungen wieder in den Nachrichten. Deren Probleme liegen jedoch viel tiefer und reichen viel weiter. Ein paar der Probleme und Hintergründe, und warum man bei Bitcoin und co. Genauer hinschauen und vorsichtig sein sollte.
Bei einem Hack der Blockchain-Plattform Ronin Network wurde Kryptowährung im Wert von 620 Millionen Dollar gestohlen. Tausende, eventuell sogar Millionen Menschen könnten betroffen sein. Das wohl bekannteste Angebot von Ronin Network ist das Spiel Axie Infinity, bei dem Spieler:innen echtes Geld investieren und in Form von Kryptowährung auch erspielen können – ein System das sich play-to-earn nennt. Ronin Network sei bemüht, sowohl die Sicherheitslücke, die zum Hack geführt hat, zu schließen, als auch die Verantwortlichen zu finden, und Schäden zu beheben. So viel zu den grundsätzlichen Fakten. Doch das Thema ist ein weit größeres.
Der Hack ist der zweitgrößte, der Kryptowährung betrifft, nur der Hack bei Poly Network im August 2021 war mit 611 Millionen Dollar größer. Aber ist 611 Millionen nicht weniger als 620 Millionen? Ja. Die Höhe bezieht sich jedoch auf den Wert zum Zeitpunkt des Hacks, was für Ronin Network bedeutet, dass „nur“ Kryptowährung im Wert von 540 Millionen Dollar gestohlen wurde. Neben einem geringeren Wert an sogenannten „Stablecoins“, deren Wert sich am US-Dollar orientiert wurden nämlich 176,000 ether Coins wurden gestohlen, einer dieser Coins war am 23. März, dem Tag des Hacks knapp 2.700 Dollar Wert, 620 Millionen Dollar sind ein Höchstwert vom 29. März in Höhe von 3.150 Dollar pro Coin. Das sind jetzt erstmal viele Zahlen, und genau das ist eins der Probleme von Kryptowährung: Besonders oft wird – aus Kreisen der Anhänger:innen – die Unabhängigkeit von Banken und Regierungen angepriesen, die Kryptowährungen zu einer besseren Alternative regulären Währungen (ohne inhärenten Wert, nur als Tauschmittel dienende Währungen nennen sich Fiatgeld) mache. Eine Währung, deren Wert zwischen der Bestätigung eines Kaufes und dem Eingang des „Geldes“ beim Verkäufer derart im Wert fluktuiert, kann jedoch nicht als Alternative ernst genommen werden. Viel mehr sind Kryptowährungen, und die sogenannten NFTs (Non-fungible Tokens) die seit einer Weile von sich reden machen, in der Realität meist nur ein weiteres Spekulationsgut für große Anleger:innen. Die großen Erzählungen vom aufstrebenden „kleinen Mann“, der sich gegen die böse Wallstreet wehrt und in Krypto investiert, ist ein Märchen. Ein Großteil der Kryptowährung, und NFTs, gehören „whales“, Entitäten, die über eine Millionen Dollar in Kryptowährung besitzen. Dazu gehören dieselben fragwürdigen Investor:innen wie in anderen Finanzgeschäften, in einigen Fällen sogar Personen, die wegen Betrugsmaschen vom Handel an der Börse gesperrt sind. Als wäre das nicht genug, wird für das „mining“ von Kryptowährung – der Prozess, mit dem sie durch leistungsintensive Arbeit von Rechnern „hergestellt“ wird – eine Unmenge an Strom verbraucht. Mitte letzten Jahres verbrauchte allein Bitcoin 110 Terrawattstunden pro Jahr. 0,55 Prozent der weltweiten Gesamtproduktion an Strom, ungefähr so viel wie Schweden. Und das nicht etwa für etwas, was in irgendeiner Weise auch nur den geringsten praktischen Nutzen hätte, sondern für ein weiteres Spielzeug der Reichen.
Mit einer in-group/out-group Mentalität, typischem Lingo, großen online Communities und versprechen von Reichtum und WAGMI (We All Gonna Make It) hat sich Kryptowährung und das System der Blockchain längst zu einer Art Subkultur gemustert. Eine Subkultur, die jedoch wenig subvertiert. Die Leidtragenden sind oft die, die man mit solchen Versprechen anlockt, die jedoch kein großes Startkapital haben. Oder die Menschen, die derzeit in den Philippinen als Vollzeitjob für geringe Löhne Axie Infinity, das Spiel von Ronin Network, spielen, oft genug im Auftrag von Großinvestoren. Mich wundert es wenig, dass sich Kryptowährung somit äußerst schnell als weiteres Werkzeug des Neokolonialismus etabliert hat.
:Jan-Krischan Spohr
0 comments